6-Punkte-Programm
So soll die Bildungskarenz jetzt reformiert werden
So viele Menschen wie nie gehen in Bildungskarenz – oft gleich im Anschluss an die Babykarenz. Was Arbeitsminister Kocher da jetzt ändern will.
Die Bildungskarenz als bezahlte Auszeit vom Job ist beliebt wie nie. Die Kosten explodieren, zudem geht die Maßnahme häufig an der ursprünglich adressierten Zielgruppe vorbei. Die Ergebnisse einer aktuellen Wifo-Studie zeigen in die gleiche Richtung wie eine erst vor Kurzem präsentierte Analyse der Agenda Austria – eine Reform der Bildungskarenz sei überfällig, "Heute" berichtete. Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher (ÖVP) hatte entsprechende Vorschläge bereits angekündigt und präsentierte jetzt ein diesbezügliches 6-Punkte-Programm.
Kosten auf halbe Milliarde explodiert
Zunächst die wichtigsten Daten zur Bildungskarenz aus der Wifo-Studie:
Rekord-Teilnehmer und -kosten
- Die durchschnittliche Anzahl der Personen in Bildungskarenz pro Jahr hat sich von 10.743 Personen im Jahr 2019 auf 20.750 im Jahr 2023 nahezu verdoppelt.
- Beliefen sich die Ausgaben für die Bildungskarenz im Jahr 2019 noch auf rund 210 Millionen Euro, waren es 2023 mehr als eine halbe Milliarde, nämlich rund 515 Millionen Euro.
- Sehr häufig wird die Bildungskarenz direkt im Anschluss an eine Elternkarenz in Anspruch genommen - insbesondere von Frauen.
- Bei Frauen wird als Motiv für eine Bildungskarenz nicht selten die Betreuung von Angehörigen oder Kindern genannt (20,6 %). Und rund 10 % haben die Bildungskarenz für eine Auslandsreise genutzt.
- Mehr als die Hälfte der Personen, die eine Bildungskarenz wahrnehmen, sind bereits höher gebildet (mindestens Maturaniveau)
„Die Bildungskarenz ist in ihrer aktuellen Form leider nicht zielgerichtet genug“
Die Schlussfolgerung der Wifo-Experten: Die hohen Kosten, die in die Bildungskarenz fließen, werden teilweise nicht so effektiv eingesetzt, wie gewünscht: In vielen Fällen verfehlt die Bildungskarenz ihr eigentliches Ziel als Weiterbildungsmaßnahme, die Beschäftigungsmöglichkeiten von Personen mit geringer formeller Qualifikation verbessern soll.
"Die Bildungskarenz ist in ihrer aktuellen Form leider nicht zielgerichtet genug", so Minister Kocher. Auf Basis der vom Ministerium in Auftrag gegebenen Wifo-Analyse habe man gemeinsam mit den Sozialpartnern Reformvorschläge entwickelt, "wie man die Bildungskarenz besser gestalten und wieder näher an ihren Zweck als wichtige Weiterbildungsmaßnahme heranführen kann", erklärt Kocher.
Strengere Kontrolle, mehr Stunden
So sieht Kochers 6-Punkte-Reformprogramm für die Bildungskarenz aus:
Das soll sich bei der Bildungskarenz ändern
- Mehr Geld: Erhöhung des Mindestbetrags, also des täglichen Tagsatzes, den man in der Bildungskarenz erhält, von derzeit 14,53 € pro Tag auf 32,18 € (entspricht in etwa der AMS-Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts) und jährliche Valorisierung. Diese Maßnahme soll vor allem Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen und geringeren Einkommen bei der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz unterstützen.
- Beratung: Einführung einer verpflichtenden Bildungsberatung
- Ziel: Verpflichtende Angabe des gewählten Ausbildungsziels und des vorhandenen Bildungsstands
- Nachweise: Bessere Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Weiterbildungen - derzeit gibt es die so gut wie gar nicht. Künftig sollen Teilnahmebestätigungen für Kurse und Seminare vorgelegt werden müssen. Und die aktuell sehr großzügig bemessenen sogenannten Selbstlernzeiten - also selbst gestaltete Weiterbildung daheim - sollen nur noch ergänzend zu Webinaren oder Seminaren möglich sein.
- Mehr Stunden: Erhöhung der Mindestanzahl an ECTS (=Arbeitsaufwand - ein ECTS-Punkt steht für 25 Stunden, Anm.). Derzeit muss man in der Bildungskarenz faktisch nur 8 ECTS pro Jahr absolvieren. Ziel ist eine Erhöhung auf mindestens 16 ECTS pro Semester. Fällige Prüfungen in diesem Ausmaß müssen zumindest angetreten werden - sonst ist das Weiterbildungsgeld zurückzuzahlen.
- Nicht nach Babykarenz: Eine Bildungskarenz direkt im Anschluss an die Elternkarenz soll im Regelfall nicht mehr möglich sein.
Minister Kocher stellt klar: "Bei unseren Reformplänen geht es nicht darum, Leistungskürzungen zu erzielen. Vielmehr ist mir eine bessere Absicherung von Geringverdienerinnen und Geringverdienern, eine generelle Absicherung von Weiterbildungsangeboten für diese Zielgruppe und eine Stärkung von anspruchsvollen Weiterbildungsformaten ein Anliegen."