Österreich
So gefährlich ist der "See-Killer" wirklich
Alfred U. (63) wartet in der U-Haft auf seinen Mordprozess. Die Zukunftsprognose eines Psychiaters fällt äußerst schlecht aus.
Bald begeht Alfred U. seinen 64. Geburtstag – in einer kargen Gefängniszelle. Er sitzt in U-Haft, weil er im März 2018 die Ungarin Zsuzsanna S. (28) getötet, zerstückelt und im Neusiedler See versenkt haben soll. Für den mutmaßlichen Mörder – es gilt die Unschuldsvermutung – ist das keine neue Umgebung. Er verbrachte bereits über 30 Jahre in Haft.
Der Prozess gegen den Wiener könnte laut seiner Anwältin Astrid Wagner im April stattfinden. Die Staatsanwaltschaft fordert
wegen Mordes und Störung der Totenruhe die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Alfred U. hat mit seiner Situation bereits abgeschlossen: "Ich weiß, dass ich nie wieder freikomme." Sollte es zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen, ist dieses Szenario durchaus realistisch.
Das sagt der Experte
Denn der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann kommt in seinem Gutachten zu einer "denkbar schlechten" Gesamtprognose. Das geht aus der Anklageschrift hervor, die "Heute.at" vorliegt. Nach Ansicht des Experten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Alfred U. wieder schwere Straftaten begehen könnte – "insbesondere aggressive Sexualdelikte, Körperverletzungen, absichtlich schwere Körperverletzungen sowie Tötungsdelikte".
Hofmann disgnostiziert eine "hochgradige kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, emotional instabil-explosiven und dissozialen Anteilen". Dazu gesellen sich Alkoholismus, schwere Durchblutungsstörungen im Gehirn aufgrund einer Diabeteserkrankung sowie ein Hang zum Kannibalismus. Wie berichtet, soll Alfred U. einen Leichenteil zu Gulasch verarbeitet haben, um später davon zu kosten. Dazu kam es vor der Verhaftung allerdings nicht mehr.
Viele Jahre im Maßnahmenvollzug hätten an all diesen psychischen Problemen nichts geändert, so Hofmann. Mehr noch: Der Killer sieht sich "als Helfender, als Verständnisvoller, dem Zärtlichkeit in der Beziehung zu Frauen sehr wichtig ist". Seine explosiv gewalttätigen Ausbrüche würde er mit Frustration in Beziehungen rechtfertigen.
Vorstrafen
Während sich Alfred U. selbst als "hilfsbereit, sozial verantwortlich und sehr mitmenschlich" erlebt, erzählt sein Strafregister eine ganz andere Geschichte. Über die Jahre sammelte er mehrere Vorstrafen, darunter wegen Freiheitsentziehung, Vergewaltigung und Totschlags.
Am 17. Oktober 2016 wurde Alfred U. schließlich aus dem Maßnahmenvollzug bedingt entlassen. Zwei Gutachter hatten dem damals 61-Jährigen aufgrund seines Alters und langer Alkoholabstinenz eine "vorsichtig günstige" Prognose bescheinigt – aber nicht ohne Bedingungen. Er erhielt eine zehnjährige Probezeit, musste nachweislich auf Alkohol verzichten und sich regelmäßigen Therapien unterziehen.
Das Leben nach der Haft
Zunächst lebte der Wiener in einer betreuten Wohneinrichtung und arbeitete 30 Stunden pro Woche in einem sozialökonomischen Betrieb. Ab Februar 2017 war Alfred U. infolge seiner Diabeteserkrankung arbeitslos, erhielt monatlich 863 Euro bedarfsorientierte Mindestsicherung.
Am 1. März 2018 übernahm er die Gemeindebau-Wohnung seiner verstorbenen Mutter in Wien-Brigittenau. Nur 28 Tage später sprach ihn Zsuzsanna S. am Wiener Westbahnhof an, die er schon Monate zuvor unter dem Namen "Beate" kennengelernt hatte. Er gab ihr seine letzten 50 Euro ("wollte ein bisschen Zärtlichkeit spüren") und nahm sie mit nach Hause. Es war das letzte Mal, dass die Frau lebend gesehen wurde.