Ukraine

So erhält Familie von Kriegsherr Prigoschin Millionen

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin soll eine Viertelmilliarde Dollar Vermögen angehäuft haben. Doch auch seine engsten Angehörigen verdienen gutes Geld.

Jewgeni Prigoschin ist der Anführer der russischen Söldner-Gruppe Wagner.
Jewgeni Prigoschin ist der Anführer der russischen Söldner-Gruppe Wagner.
Jewgeni Prigoschin via telegra.ph

Als sich Violetta Prigoschina 2017 für einen Malkurs in St. Petersburg einschrieb, dachten ihre Klassenkollegen und -kolleginnen, sie sei nur eine weitere Großmutter, die sich ein neues Hobby suchte. Doch bereits ein Jahr später hatte die damals 77-jährige Dame in einem noblen Stadtviertel ihre eigene Galerie eröffnet. Dort hielt sie Hof für die vermögende Gesellschaft, organisierte Kunstpartys und stellte auch eigene Bilder aus. Das russische Fernsehen entdeckte die frischgebackene Kunstmalerin und zelebrierte ihre spät gefundene "Berufung", wie die "Financial Times" berichtet.

Das Geheimnis hinter dem Hype dürfte aber weniger das Talent der Spätberufenen sein, sondern ihr Sohn, der sich vom Schnellimbiss-Koch zum mächtigen Söldnerführer und Putins Vertrautem hochgearbeitet habe. Doch obwohl dieser international gehasst und geächtet wird, konnte sich seine Familie lange unter dem Radar der Öffentlichkeit halten. Bis wenige Tage vor der Invasion der Ukraine konnten sich die Familienmitglieder Prigoschins in der EU frei bewegen und luxuriöse Leben führen, wie die US-Zeitung berichtet. Dies, obwohl Prigoschin selbst seit 2016 mit Sanktionen belegt ist.

Töchter besitzen teure Springpferde

Doch im Gegensatz zu vielen anderen Angehörigen russischer Oligarchen gehen Beobachter davon aus, dass in Prigoschins Familie auch dessen Verwandte seit Jahren aktive Rollen in seinem Imperium spielen und Prigoschin dabei halfen, Geld zu verdienen. So auch seine ältere Tochter Polina Prigoschina, die in den letzten Jahren an Dutzenden Pferdesport-Anlässen teilnahm. Dies meist mit edlen und teuren Pferden, die aber alle unter den Namen von Trainern registriert sind und von denen sich die Identität deren Besitzer – ähnlich wie bei Jachten mancher Oligarchen – kaum eruieren lässt. Einige der Tiere sollen auch Polinas jüngerer Schwester Veronika Prigoschina gehören.

Als im Spätjahr 2019 Prigoschins Privatvermögen von Sanktionen erfasst wurde, fanden alle Pferde offiziell neue Besitzer in Russland. Die internationale Pferdesportbehörde FEI, die dies registrierte, gibt an, sie habe keine Möglichkeit und Autorität, die wahren Besitzverhältnisse zu überprüfen, heißt es im "Financial Times"-Bericht.

1/9
Gehe zur Galerie
    Wagner-Chef <a data-li-document-ref="100255572" href="https://www.heute.at/g/-100255572">Jewgeni Prigoschin</a> in einem Video, das ihn mit russischer Fahne auf dem Rathaus von Bachmut zeigen soll. Es wurde am 3. April 2023 veröffentlicht.
    Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in einem Video, das ihn mit russischer Fahne auf dem Rathaus von Bachmut zeigen soll. Es wurde am 3. April 2023 veröffentlicht.
    Concord Press Service/Handout via REUTERS

    Auch den Mann der Mutter an Bord geholt

    Fest steht, dass mehrere Familienmitglieder von Prigoschin – darunter auch dessen Frau Lyubov Valentinova Prigoschina und Sohn Pavel Prigoschin – diverse Funktionen in Prigoschins Geschäften wahrnehmen. So soll Polina seit 2019 Teilhaberin an einer russischen Firma namens Lakhta Plaza sein, die von den USA im März dieses Jahres auf die Sanktionsliste gesetzt wurde. Mittlerweile soll Pavel die Firma kontrollieren. Lakhta Plaza soll einen Wirtschaftsprüfer und eine Telefonnummer mit russischen Unternehmen gemeinsam haben, die schwere Industrieausrüstungen an Bergbau- und Abholzungsunternehmen in Afrika geliefert haben und Prigoschin zugerechnet werden.

    Selbst Violettas im vergangenen Jahr verstorbener Ehemann Samuel Fridmanovich Zharkoi hatte teils wichtige Funktionen in der Concord Group inne. Dies kam anhand von Papieren heraus, als sich die Firma Concord Catering wegen möglicher Beeinflussung der USA-Wahlen 2016 verantworten musste. Dass dem tatsächlich so war, gab Prigoschin im vergangenen November selbst zu.

    EU-Sanktionen gegen Mutter aufgehoben

    Auch seine Mutter Violetta war lange Zeit Mitbesitzerin von Concord Management und Consulting, einer weiteren Firma aus Prigoschins Firmen-Netzwerk Concord Group. Doch offenbar konnte sie EU-Richtern in Luxemburg glaubhaft weismachen, sie habe nur eine kurze und begrenzte Rolle im Geschäft gespielt und nur familiäre Verbindungen zu Jewgeni, sodass die Sanktionen gegen sie aufgehoben werden mussten. Überhaupt ist das Geflecht der mutmaßlichen Prigoschin-Firmen so undurchschaubar, dass westliche Staaten Mühe haben, sie mit Sanktionen zu belegen.

    "Rückblickend müssen wir sagen, dass wir all diese Individuen viel früher genau hätten anschauen müssen", sagt ein britischer Sanktionsexperte im Bericht. "Dazu hätte man auch die Familienmitglieder und Verbündeten erfassen und ins Visier nehmen müssen, die unweigerlich die Umgehung von Sanktionen erleichtert haben." Mittlerweile ist dies aber weitgehend durchschaut worden, die Familie kann unter anderem nicht mehr zu Springkonkurrenzen ins Ausland reisen.

    Ist nun die jüngere Tochter an der Reihe?

    Die Situation mit der Vernebelung der Geschäfte von Prigoschin dürfte sich allerdings nicht so rasch ändern. Die "Financial Times" berichtet, dass die im März 18 gewordene jüngere Tochter Veronika als Inhaberin einer Firma für Hotellerie eingetragen wurde. Sie ist die einzige aus der Familie, die noch nicht mit westlichen Sanktionen belegt ist.

    1/51
    Gehe zur Galerie
      <strong>22.11.2024: So will Neos-Chefin die Mindestsicherung neu aufsetzen.</strong> Beate Meinl-Reisinger spricht erstmals in "Heute" über Koalitionsverhandlungen, nötige Reformen – <a data-li-document-ref="120073911" href="https://www.heute.at/s/so-will-neos-chefin-die-mindestsicherung-neu-aufsetzen-120073911">und warum sie Entlastungen für notwendig erachtet.</a>
      22.11.2024: So will Neos-Chefin die Mindestsicherung neu aufsetzen. Beate Meinl-Reisinger spricht erstmals in "Heute" über Koalitionsverhandlungen, nötige Reformen – und warum sie Entlastungen für notwendig erachtet.
      Helmut Graf
      An der Unterhaltung teilnehmen