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Snowden-Krimi: Morales saß 13 Std. in Wien fest
Der Fall um den Ex-Spion Edward Snowden ist um eine Facette reicher: Mittwochnacht musste die Maschine des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in Wien landen, weil Frankreich, Portugal, Italien und Spanien Überflugrechte für das aus Moskau kommende Flugzeug verweigerten. Grund waren "unbegründete Verdächtigungen", dass sich der von den USA gesuchte Ex-Geheimdienstler Edward Snowden an Bord befinde. Bolivien zeigte sich schwer verstimmt. Bundespräsident Heinz Fischer vermittelte.
Der Fall um den Ex-Spion Edward Snowden ist um eine Facette reicher: Mittwochnacht musste die Maschine des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in Wien landen, weil Frankreich, Portugal, Italien und Spanien Überflugrechte für das aus Moskau kommende Flugzeug verweigerten. Grund waren "unbegründete Verdächtigungen", dass sich der von den USA gesuchte Ex-Geheimdienstler Edward Snowden an Bord befinde. Bolivien zeigte sich schwer verstimmt. Bundespräsident Heinz Fischer vermittelte. Lesen Sie unten das Protokoll einer Groteske.
Der Präsident des südamerikanischen Anden-Staates hatte an einer Konferenz in Moskau teilgenommen und befand sich auf dem Rückflug nach Bolivien, als plötzlich ein Flugverbot aus Frankreich und Portugal kommt. Morales Maschine muss in Wien landen. Grund: Man vermutet, dass Snowden sich in der Maschine befinde. Ursprünglich hätte der Jet französischen Luftraum überfliegen und eine Zwischenlandung in Lissabon einlegen wollen.
Lesen Sie unten stehend das Audio-Protokoll zwischen der bolivischen Maschine und dem Flughafen Wien!
Nach der Landung in Schwechat überschlagen sich kurz vor 1 Uhr Früh Berichte, dass der "Whistleblower" tatsächlich an Bord der bolivianischen Maschine sei. Nur 20 Minuten später, um 1.05 Uhr, bestätigt dann Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP): Edward Snowden befindet sich "nicht in Wien".
Inzwischen laufen im Hintergrund hektische Gespräche beim südamerikanischen Staatenbund UNASUR: Man wolle eine Protestnote gegen das Flugverbot der Morales-Maschine einlegen. Auch Venezuelas Regierung kritisiert Frankreich und Portugal und spricht von einer "Verletzung der Immunität, die jedem Staatschef zusteht".
Grenzbeamte untersuchten den Jet
Um 8.30 Uhr . Der bolivianische Verteidigungsminister Ruben Saavedra bezeichnet es als "absolute Lüge" und "Komplott" der USA, dass Snowden an Bord seiner Maschine gewesen sein soll.
Inzwischen wird das Flugzeug von österreichischen Grenzbeamten - mit Morales Genehmigung - durchsucht. Kein Snowden! Nur sechs Kabinettsmitarbeiter des bolivianischen Präsidenten sind da.
Interview mit Journalisten
Morales sitzt am Vormittag immer noch im VIP-Ankunftsbereich des Flughafens fest, umringt von Journalisten aus aller Welt. Der seit 2006 amtierende Präsident ist erzürnt und erklärt, er habe so etwas "bisher noch nicht erlebt". Der bolivianische Verteidigungsminister Ruben Saavedra spricht von einer "Geiselhaft".
Skurril: Morales berichtet zudem, dass ihm der spanische Botschafter in Wien vorgeschlagen habe, "einen Kaffee" mit ihm in der Präsidentenmaschine zu trinken. Diesem Vorschlag habe er nicht zustimmen können, da dies eine Verletzung des Völkerrechts bedeuten würde. "Ich bin ja kein Krimineller".
Heinz Fischer eilt zum Airport
Schließlich rast Bundespräsident Heinz Fischer am Vormittag zum Wiener Flughafen, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen. Dann teilt er mit, dass die "Voraussetzungen für die Weiterreise" für Morales gegeben seien. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Airport erklärt Fischer, er habe sich persönlich vergewissern wollen, dass alle Abläufe im Zusammenhang mit dem Aufenthalt Morales' in Wien völlig korrekt gewesen seien.
13 Stunden Aufenthalt
Kurz danach, um 10.30 Uhr, nach 12 Stunden Aufenthalt, endlich grünes Licht aus Spanien: Die Präsidentenmaschine darf Wien verlassen. Der Zwischenstopp, den die spanische Regierung genehmigte, soll auf der Kanaren-Insel Gran Canaria zum Auftanken des Flugzeug erfolgen. Erst um 11.30 Uhr hebt die Maschine mit Morales - und ohne Snowden - an Bord Richtung Südamerika ab. Morales bedankt sich zuvor noch für die Solidarität in Österreich. Fischer nennt Morales einen "guten Freund".
Lesen Sie weiter: Das ist der ehemalige Koka-Bauer MoralesWenn Südamerika nicht mehr wie früher ausschließlich als Hinterzimmer der USA wahrgenommen wird, dann liegt dies nicht zuletzt an Männern wie dem bolivianischen Koka-Bauern Evo Morales.
Seit 2006 ist er Präsident Boliviens und maßgeblich an der öffentlichen Emanzipation des Kontinents von den Vereinigten Staaten beteiligt. Den USA wirft er immer wieder imperialistische Bestrebungen vor, bis Anfang März oft im Verbund mit dem mittlerweile an Krebs verstorbenen Amtskollegen in Venezuela, Hugo Chavez. Morales hielt es im März - wieder einmal in Wien übrigens - für durchaus möglich, dass Chavez ermordet worden sein könnte, und forderte eine Untersuchung.
Morales wurde 2005 zum ersten Präsidenten Boliviens gewählt, der indigener Abstammung ist. Im Jänner 2006 trat er sein Amt an und legte sich mit den meisten traditionell einflussreichen Gruppen seines Landes an. So verstaatlichte er die Erdöl- und Erdgasindustrie, verteilte Land an arme Bauern und setzte eine neue Verfassung durch. Bisher jedenfalls konnte sich der 53-Jährige auf eine solide Wählerbasis der Bauern, der Armen und der Indios verlassen.
Ob das 2014 bei den nächsten Präsidentenwahlen auch noch so sein wird, bleibt offen: Umfragen signalisierten zuletzt sinkende Werte für ihn. Dass er noch einmal kandidieren darf, dafür sorgten eine verkürzte erste Amtsperiode und eine Verfassungsänderung, durch die die zweite Amtszeit de facto zur ersten wurde.
Kämpfer für Indios
Morales präsentierte sich immer als Kämpfer für die seit langem benachteiligte und ausgegrenzte Indio-Mehrheit und die Kleinbauern seines bitterarmen Landes. Ihre Frustrationen angesichts neoliberaler Experimente, die die Schere zwischen Arm und Reich nur noch weiter öffneten, fing er geschickt mit einem nationalistischen und bei Bedarf auch immer noch antiamerikanischen Diskurs auf. Den US-Botschafter ließ er ausweisen und die Beziehungen zu den USA haben sich auch unter Präsident Barack Obama nicht grundlegend verbessert.
Mit Kubas Präsidenten Raul Castro und bis zu dessen Tod mit Chavez pflegte er enge Beziehungen und empfing auch den international umstrittenen iranischen Noch-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad in La Paz, dem Sitz der Regierung.
Der Mann mit dem verschmitzten Lächeln und dem buschigen schwarzen Haar kommt von unten und weiß, wovon er redet, wenn er sich über die Armut äußert. Der frühere Minenarbeiter hat sich in schlechteren Zeiten schon als Eisverkäufer, Bäcker, Steinträger und Trompeter durchgeschlagen, bevor er seine Arbeit als Minenarbeiter durch die Privatisierung verlor und Koka-Bauer wurde.
Nicht zuletzt die Entkriminalisierung der Koka-Pflanze - Motto: "Coca si! Cocaina no!" - hat Morales immer wieder nach Wien geführt. Hier ist der Sitz des UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). Das erste Mal kam er in den 90er-Jahren als Anführer der Koka-Bauern Boliviens, wurde aber nicht in das UNO-Gebäude vorgelassen.
"Mit dem bolivianischden Volk verheiratet"
Das hat sich mittlerweile geändert, als Staatschef sprach er bei diversen Konferenzen in der Bundeshauptstadt. Auch mit Bundespräsident Heinz Fischer traf er wiederholt zusammen, gegen Hans Krankl und eine österreichische Legenden-Auswahl kickte er im Vorjahr. Wegen des Todes von Chavez wurde die Revanche-Partie heuer im März abgesagt.
Der zweite von drei Söhnen einer armen Arbeiterfamilie konnte nicht einmal seine Hauptschule beenden. "Ich lese keine Bücher, ich lese das bolivianische Volk", bekundete er einmal. Morales hat zwei Kinder, ist aber nicht verheiratet: "Ich bin mit dem bolivianischen Volk verheiratet."