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Nichts für Landratten: Sea of Thieves im Test
Ab sofort stechen Xbox- und PC-Gamer mit Sea of Thieves in See. Das Piraten-Abenteuer punktet mit viel Freiheit, bietet aber zu wenig Inhalt.
Wenn man in Sea of Thieves, dem neuen Piraten-Simulator des britischen Kultentwicklers Rare, den Anker eines Schiffes einholt, knarzt es ordentlich in den Eingeweiden der Schaluppe oder Galeone. Man kann förmlich zuhören, wie der schwere Anker an einer geschmiedeten Kette vom Meeresgrund nach oben befördert wird.
Gleiches gilt auch für das Kettenrasseln, wenn der eiserne Anker in die Tiefe schnellt, um das Schiff an Ort und Stelle zu halten. Geht man danach aber auf Tauchgang muss man feststellen, dass weder der Anker noch die Kette unter Wasser existieren. Das Schiff wird wie von Zauberhand auf der Stelle gehalten. Diese Episode steht stellvertretend für das ganze Spiel. Sea of Thieves ist an Deck toll gestaltet und poliert, doch unter dem Meeresspiegel fehlt noch jede Menge Inhalt.
Das freie Piratenleben
Wenn Sea of Thieves eines versteht, dann ist es die Freiheit, die mit dem Piratenleben kommen sollte. Dementsprechend hält der Open-World-Online-Titel auch nichts von Tutorials, sondern lässt Spieler ganz einfach auf die weite See mit zahlreichen Inselparadiesen und gespenstischen Forts los. Obwohl man durchaus alleine in See stechen kann, ist es nicht empfehlenswert. Sea of Thieves macht am meisten Spaß in einer festen Crew, mit der man auch via Voice-Chat oder vorgefertigten Chat-Eingaben kommuniziert.
Kommunikation ist wichtig, denn zumindest die großen Galeonen können alleine mehr schlecht als recht über die ungestüme See manövriert werden. Ein Mitglied der idealerweise vierköpfigen Mannschaft steht am Steuerrad, andere justieren die Segel, halten im Vogelnest Ausschau und geben Kommandos zum Kurs vom Kartenraum unter Deck. Kracht das Schiff gegen ein Riff oder gerät es unter Beschuss, müssen außerdem Löcher in der Schiffswand repariert und Wasser ausgeschöpft werden. Keine dieser Mechaniken wird vom Spiel erklärt. Stattdessen muss man sich gegenseitig instruieren und die Besonderheiten des Segelns gemeinsam erlernen.
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Ungestümes Wasser, traumhafter Himmel
In Sea of Thieves blickt man sehr oft auf das Meer und den Himmel. Zum Glück sind beide atemberaubend umgesetzt. Entwickler Rare nutzt in beiden Bereichen dynamische Simulationen mit Geometrie statt Textur-Tricksereien. Der Wellengang ist wohl einzigartig in der Geschichte der Videospiele. Nicht nur sind die Wellen unter den Spielern online synchronisiert, das Licht bricht sich realistisch im Wasser und sorgt für spektakuläre Bilder. Die Wolken ändern sich stetig und ballen sich zu gewaltigen Gewitterformationen zusammen oder ziehen vereinzelt über den blauen Himmel.
Auch die vielen Inseln sind liebevoll per Hand gestaltet. Grotten, zurückgelassene Gegenstände anderer Seefahrer und eine üppige Pflanzenwelt verzücken das Piratenherz. Abgesehen vom optischen Spektakel bei verschiedenen Licht- und Wetterverhältnissen bieten die Inseln im Grunde aber nicht viel – abgesehen von einer Handvoll prozedural generierter Missionsziele. Und diese sind die größte Schwäche des Titels.
Ein gutes Fundament
Sea of Thieves bietet im Grunde drei verschiedene Missionstypen: einen vergrabenen Schatz ausgraben, ein Tier (Huhn, Schlange oder Schwein) einfangen und eine Mannschaft Geisterpiraten töten, um den Schädel des Kapitäns zu sammeln. So ergibt sich immer derselbe Ablauf: Bei Außenposten Aufträge von Vertretern der drei Fraktionen (Gold Hoarders, Order of Souls und Merchant Alliance) annehmen, zum Ziel schippern, die Aufgabe erledigen und zurückkehren, um die Beute zu verkaufen. Mit dem gewonnen Gold können kosmetische Gegenstände gekauft werden, um den eigenen Piraten aufzumöbeln.
Nach wenigen Stunden hat man im Wesentlichen alles gesehen, was Sea of Thieves bietet. Natürlich werden die Aufträge mit der Zeit komplexer und auch die Kämpfe gegen andere Spieler sorgen für Abwechslung, doch in Stunde 20 tut man noch immer dasselbe wie in der ersten. Da helfen auch weitere Spielelemente wie Angriffe von Riesenkraken oder Flaschenpost-Aufträge nicht wirklich. Das Spiel setzt viel Spaß mit Freunden voraus, um den eklatanten Mangel an Inhalten nicht zu bemerken.
Fazit: Luft nach oben
Mit Sea of Thieves hat Rare ein wunderbares Fundament geschaffen, auf das in Zukunft aber noch ordentlich aufgebaut werden muss. Andere Spieler und drei verschiedene Skelette als einzige humanoide Gegner sind einfach zu wenig. Auch die Missionen sind zu monoton, um den ermüdenden Weg zu Vertrauenslevel 50 bei allen drei Fraktionen motivierend zu gestalten. Diese Mankos können aber problemlos durch Inhaltsupdates ausgebügelt werden. Denn: Bei aller Kritik macht das gemeinsame Segeln über die bildschönen Wellen schon jetzt jede Menge Spaß.