Politik
Schwerer Vorwurf: "Zadic lässt Kinderehe gesetzlich zu"
Laut UNICEF ist eine Kinderehe eine Eheschließung, bei der zumindest ein Ehepartner unter 18 Jahre alt ist. In Österreich ist genau das erlaubt.
Wenn man an Kinderehen denkt, denkt man vermutlich auch an fern entlegene Länder, meist mit unterentwickeltem Rechtsstaat. Doch dass so etwas auch mitten in Österreich - wenn auch eingeschränkt - passiert, wissen wohl die wenigsten. Neos-Mandatar Yannick Shetty hat genau zu diesem Thema jetzt eine parlamentarische Anfrage an die zuständige Justizministerin Alma Zadic gestellt.
640 Millionen Frauen betroffen
Grundsätzlich ist eine Eheschließung in Österreich erst ab der Volljährigkeit, also mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, möglich. Ab diesem Zeitpunkt ist man "ehefähig". Doch das Ehegesetz sieht eine Ausnahme vor: Auf deren Antrag können bereits Personen ab 16 Jahren vor Gericht für ehefähig erklärt werden. Der künftige Ehegatte muss dann aber volljährig sein.
Genau das wird vom UN-Kinderhilfswerk UNICEF als Kinderehe eingestuft. Die Praxis betrifft vor allem weibliche Minderjährige: Schätzungsweise leben laut UNICEF derzeit weltweit circa 640 Millionen Mädchen und Frauen, die vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet wurden. UNICEF zufolge könnten die Folgen der Corona-Pandemie dazu führen, dass diese Zahlen noch weiter steigen.
Keine Zahlen bekannt
In Österreich hingegen sind keine genauen Zahlen zu Ehen von Minderjährigen bekannt. Das geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hervor. Das soll sich jetzt ändern: "Es ist in Aussicht genommen, eine Statistikkennung für durch Minderjährige geschlossene Ehen (Pflegschaftsverfahren) in der Verfahrensautomation Justiz einzuführen", schreibt die Ministerin in ihrer Anfragebeantwortung.
Wann genau das soweit ist, ist allerdings noch unklar. "Anpassungen an der Verfahrensautomation Justiz müssen auf Grundlage der budgetären, zeitlichen und personellen Rahmenbedingungen erfolgen und werden daher nach Bedarfserhebungen priorisiert", so das Ministerium.
Reform lässt auf sich warten
Bereits im Vorjahr kündigte Zadic eine Reform des Ehe- und Partnerschaftsrechts sowie eine Reform des Kindschaftsrechts an. Damals hieß es, man habe zwei Studien beauftragt, die Erkenntnisse für eine anschließende Reform bringen sollen.
Mit beiden Reformen ist man offensichtlich nicht sonderlich weit: Der vom Justizministerium ausgearbeitete Entwurf zur Reform des Kindschaftsrechts wäre "in politischer Abstimmung". Und: "Die Arbeiten an der Reform des Ehe- und Partnerschaftsrechts werden nach Abschluss der Kindschaftsrechtsreform in Angriff genommen." Beiden Reformen lassen also weiter auf sich warten.
Neos: "Gesetzeslücke schließen"
Neos-Abgeordneter Yannick Shetty, der die Anfrage gestellt hat, kann nicht verstehen, warum immer noch nichts in dieser Sache passiert ist. "Während Jugendliche keine wirksamen Verträge ohne Zustimmung ihrer Eltern abschließen können, sollen sie eine Ehe eingehen können? Insbesondere junge Frauen müssen vor möglichen Zwangsehen geschützt werden", so Shetty.
Die Ministerin wolle an der Praxis wohl gar nichts ändern, so der Vorwurf des Politikers. "Besonders skurril ist, dass Justizministerin Alma Zadic nicht einmal weiß, wieviele solcher Kinderehen geschlossen werden. Das Ministerium erhebt dazu erst gar keine Zahlen. Das ist fahrlässig und zeigt, dass die Ministerin kein Interesse daran hat, diese Gesetzeslücke zu schließen", sagt Shetty gegenüber "Heute". Er fordert die Ministerin auf, dem Parlament einen Gesetzesentwurf zu übermitteln, damit die "Gesetzeslücke" geschlossen werden kann.
Frage der Freiwilligkeit
Bei der Verhinderung von Kinderehen geht es vor allem darum, dass Kinder nicht dazu gezwungen oder gedrängt werden, eine Ehe einzugehen. Denn schließlich hat eine Eheschließung weitreichende rechtliche Folgen. "Wir finden, dass Minderjährige generell nicht heiraten sollten, weil das ein großer Einschnitt in ihrem Leben ist und sie die Folgen womöglich noch nicht ganz erfassen können", heißt es dazu auf der UNICEF-Website.
Neos-Mandatar Shetty bezweifelt, dass alle Ehen mit minderjähriger Beteiligung freiwillig abgeschlossen würden. "Man kann sich denken, wie freiwillig vieler dieser Eheschließungen erfolgen - daher ist es an der Zeit, die Gesetzeslücke für legale Kinderehen zu schließen", fordert Shetty abschließend erneut.