Selbstverteidigung im Grätzl
Schluss mit Angst! Wiener Frauen kämpfen um ihren Platz
Frauen fühlen sich im Alltag oft unsicher. Bei Gratis-Workshops in den Wiener Grätzlzentren lernen sie Mut, Selbstbewusstsein und Selbstverteidigung.
Egal ob im Alltag, am Arbeitsplatz oder innerhalb des Familien- und Freundeskreises – immer mehr Frauen erfahren Situationen, in denen sie sich unsicher fühlen. "In Öffis und auf öffentlichen Plätzen fühle ich mich oft unwohl. Jemand stellt die Tasche nicht vom Platz oder setzt sich breitbeinig vor mich hin und wenn man etwas sagt, bekommt man flapsige Antworten oder sogar Drohungen", erzählt Uta-Ruth Gach (57).
Sie ist eine von vielen Gemeindebau-Bewohnerinnen, die in ihrem Alltag etwas ändern möchten. Das Ziel aller: Selbstbewusster werden, an ihrem Auftreten arbeiten, im Ernstfall gewappnet sein und Selbstverteidigungstechniken beherrschen. Gelernt wird das im Selbstbehauptungs-Workshop in den Grätzlzentren, einem kostenlosen Angebot des Nachbarschaftsservice Wohnpartner.
"Frauen wird gesagt, sie sollen leise sein"
"Frauen und Mädchen bekommen traditionell eingeprägt, leise zu sein und wenig Platz einzunehmen. Besonders der Einsatz der Stimme bereitet vielen Frauen Probleme", erzählt Sonja Vostatek vom Verein "drehungen", die den Workshop leitet.
Frauen im Grätzl lernen Selbstbehauptung
Die Selbstbehauptungs-Workshops fanden heuer bereits zum zweiten Mal statt, unter anderem im Reumannhof im 5. Bezirk. Dabei lernen die Teilnehmerinnen in zwei Einheiten, wie sie mit gezielten Bewegungen ihren Körper einsetzen können, um sich zu behaupten und zu schützen.
"Ignorieren, solange es geht"
Los geht es mit ein paar Haltungsübungen. Anschließend lernen die Kursteilnehmerinnen, wie sie sich aus Griffen befreien können und wie sie ihre Stimme laut einsetzen, um Täter abzuschrecken.
Für Nuriye Ülgen ist das alles nicht neu; sie war bereits bei einem Workshop dabei. "Ich habe gelernt, wie man den Täter umgehen kann und wie ich mich selbstbewusst hinstelle und stark wirke", erzählt die 54-Jährige. Sie wohnt seit 29 Jahren im Reumannhof. Unsichere Situationen, z.B. mit Betrunkenen am Abend, hat sie schon öfters erlebt: "Wenn mir eine Situation gefährlich erscheint, wechsle ich die Straßenseite, damit ich keinen Blickkontakt habe. Am besten ignoriert man die Person, solange es eben geht."
"Stopp" sagen und Raum einnehmen
"Woran wir im Kurs sehr viel arbeiten ist, eine gewisse Grundhaltung im Alltag einzunehmen. Wenn man sich unsicher fühlt, sollte man fest auf beiden Beinen stehen. Das und auch wie wir uns den Raum selber nehmen, haben wir im Alltag verlernt", so die Kursleiterin Vostatek.
"Frauen in Österreich sind in manchen Bereichen leider noch immer benachteiligt und wir versuchen mit unseren Angeboten, Frauen vor den Vorhang zu holen, zu stärken und zu würdigen", erklärt Isabella Wohinz, Leiterin der Wohnpartner-Stabsabteilung für fachliche Expertise die Idee hinter dem Workshop. Auf Basis der Ergebnisse der großen Frauenbefragung "Wien, wie sie will" sowie konkreten Ideen von den Bewohnerinnen entwickelt der Nachbarschaftsservice verschiedene Angebote und Formate für Frauen, darunter auch Aus- und Weiterbildungsangebote, Impftermine, Frauencafés und Ausflüge.
Die nächsten Selbstbehauptungs-Workshops:
Termine für Frauen ab 16 Jahren:
- 17. September im Grätzl-Zentrum Kaisermühlen (Schüttaustraße 1-39/3/R01, 1220 Wien)
- 26. November und 3. Dezember im Grätzl-Zentrum Floridsdorf (Ruthnergasse 56-60)
Termine für Mädchen (11 bis 16 Jahre):
- 23. und 30. Oktober im Grätzl-Zentrum Wienerberg (Neilreichgasse 113/38/R1, 1100 Wien).
Alle weiteren Termine sind online einsehbar.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Im Rahmen eines kostenlosen Selbstbehauptungs-Workshops lernen Frauen im Gemeindebau, selbstbewusster aufzutreten, Selbstverteidigungstechniken zu beherrschen und sich im Ernstfall zu schützen
- Die Workshops, die aufgrund der traditionellen Erziehung von Frauen und Mädchen notwendig sind, konzentrieren sich auf die Stärkung der Stimme und des Körperbewusstseins
- Durch gezielte Bewegungen und das Einnehmen von Raum sollen die Teilnehmerinnen lernen, sich in unsicheren Situationen zu behaupten und zu schützen