Fast pausenlos bebt die Erde. Immer wieder werden die Bewohner Santorins aufgeschreckt. Bisher wurden rund 14.000 Beben auf der pittoresken Kykladen-Insel verzeichnet. Mehr als 10.000 Bewohner und Touristen haben die Insel seit Beginn der Erdbebenserie vor drei Wochen bereits verlassen.
Seismologe Dimitris Papanikolaou rechnet damit, dass die Bebenserie "mit Sicherheit bis Ostern" andauern wird. "Was danach kommt, werden wir sehen", sagte der griechische Wissenschaftler dem Fernsehsender "Action24".
Das Schlimmste könnte noch kommen. Denn die Experten sind sich weitgehend einig, dass es sich bei den Erschütterungen um Vorbeben handelt und das eigentliche Hauptbeben noch bevorsteht.
Über die mögliche Stärke eines Hauptbebens gehen die Meinungen auseinander. Papanikolaou rechnet mit einem Beben der Magnitude 6 auf der Richterskala. Sein Kollege, der Seismologe Akis Tselentis, hält sogar ein Beben der Stärke 7 für möglich.
Das wäre ein großer Unterschied. Denn die Richterskala ist keine lineare, sondern eine logarithmische Skala. Sie misst die bei Erdbeben freigesetzte Energie. Ein Erdbeben der Stärke 7 hat 30-mal mehr Energie als eines der Stärke 6.
In Griechenland gibt es zwar strenge Bauvorschriften, die alle Gebäude widerstandsfähig gegen Erdbeben machen sollen. Aber illegales Bauen ist an der Tagesordnung. Bei Kontrollen stellten die Behörden fest, dass jedes fünfte Gebäude auf Santorin ohne Genehmigung errichtet wurde – oft direkt am Rand der Steilküsten. Selbst wenn die Statik stimmt: Der Untergrund, auf dem sie stehen, ist vielerorts instabil.
Denn Santorin besteht aus Vulkangestein. Ihre heutige Form mit der steil abfallenden Felsküste erhielt die Ferieninsel vor etwa 3.600 Jahren durch eine gewaltige Eruption. Zuletzt ereignete sich 1956 ein kleinerer Vulkanausbruch.
Seismologe Tselentis sieht eine enge Verbindung zwischen der Aktivität des Unterseevulkans Kolumbos und den derzeitigen Erdbeben. Er geht davon aus, dass Lava aus dem Erdinneren nach oben steige und Bruchstellen im Gestein bewege. Die Folge könnten katastrophal sein.
Der Experte kritisierte zudem behördliche Aussendungen, wonach die Erdbebenaktivität nachgelassen habe. "Behauptungen über die Abschwächung der seismischen Aktivität sind nicht zutreffend – eine Aussage, die aus politischen Kreisen und von Hotels verbreitet wurde", schrieb Tselentis auf Facebook.
Wie groß das Risiko einer Katastrophe auf Santorin ist, lässt sich schwer abschätzen. Der Kolumbos-Vulkan brach zuletzt im 17. Jahrhundert aus. Damals gab es 70 Tote. Sollte es tatsächlich zu einem erneuten Ausbruch kommen, wären die Folgen unabsehbar.