Pop als kulturelles Heilmittel

"Weltoffen" – jetzt helfen die Beatles gegen Putin

Tröstliche Antworten auf brennende Fragen in einer für viele grässlichen Zeit: Venedigs Kunst-Biennale zeigt sich heuer politisch wie nie.

Tobias Prietzel
"Weltoffen" – jetzt helfen die Beatles gegen Putin
Künstlerin Jermolaewa (li.) und Kuratorin Spindler mit Telefonzellen aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen. Die sechs Kabinen wurden zum Österreich-Pavillon nach Venedig geschafft.
Land OÖ/Peter Mayr

Pop als Heilmittel gegen den allgegenwärtigen Schrecken: Im Österreich-Pavillon des Festivals steht ein Plattenspieler. Auf dem dreht sich nicht Vinyl, sondern Röntgenfolien. Denn: Im Russland von einst war verboten, was Spaß macht – dazu gehörten freilich auch moderne westliche Sounds. Die Folge: illegale musikalische Schmuggelware, die abgepaust wurde.

Dass es die Raubkopien jetzt an den Lido geschafft haben, ist selbst für die Künstlerin, die sie zusammengetragen hat, ein Wunder: "Dass ich sie überhaupt gefunden und hergebracht habe ... Es sind absolute Unikate", sagt Anna Jermolaewa, die das Gebäude heuer bespielen darf.

Ein besonderes Hörerlebnis am Lido: Hier drehen sich Röntgenfolien am Plattenteller.
Ein besonderes Hörerlebnis am Lido: Hier drehen sich Röntgenfolien am Plattenteller.
"Heute"

Nun dudeln sie fröhlich vor sich hin und lassen die globale Bedrohung für einen willkommenen Augenblick vergessen. Die Installation ist eine von fünf, die die einst aus der Sowjetunion geflohene 54-jährige Russin in Venedig zeigt. Was sie alle besitzen: eine einzigartige Ästhetik und vordergründige Verspieltheit, dazu eine unnachahmliche Dringlichkeit, die lange nachwirkt.

Im Gespräch blitzen Jermolaewas Charme und Witz augenblicklich durch – etwa als "Heute" die Playlist kommentiert: "'Back in the U.S.S.R.' von den Beatles, das passt ja wie die Faust aufs Aug' …" "Das stimmt, das hab ich mir auch gedacht", sagt die Künstlerin mit breitem Grinsen. Ihre Haltung und ihr Schmäh machen sie aus und zu dem, was sie heute ist: wehrhafte Aktivistin und u.a. geschätzte Lehrende an der Kunstuniversität Linz.

Telefonzellen per Boot zum Pavillon

Mutmacher und Ohrfeige

Angesichts der global allgegenwärtigen Tragik ist die Schau, kuratiert von der Innviertlerin Gabriele Spindler, ein erfrischender Mutmacher. Sie legt die Hand tröstend auf gebeutelte Seelen und verpasst gleichzeitig den Allmachtsfantasien des Moskauer Diktators eine schallende Ohrfeige. Der Bund finanziert mit 550.000 Euro, das Land Oberösterreich schießt 100.000 Euro zu. Zu sehen von 20. April bis 24. November; Infos: labiennale.org.

Machte sich ein Bild vor Ort: OÖ-Kulturreferent LH Thomas Stelzer (ÖVP).
Machte sich ein Bild vor Ort: OÖ-Kulturreferent LH Thomas Stelzer (ÖVP).
Land OÖ/Peter Mayr

Fortsetzung folgt

Im kommenden Jahr hat Oberösterreich in Venedig den nächsten großen Auftritt. Sabine Pollak – sie leitet an der Kunstuni die Abteilung raum&designstrategien – gestaltet mit Kollegen den Österreich-Auftritt auf der Architektur-Biennale. Mit der "Agency for Better Living" wollen sie Antworten auf weltweit drängende Fragen zum Thema Wohnen geben.

Die umfassende Präsenz der Kunstuni zaubert Rektorin Brigitte Hütter ein Lächeln ins Gesicht: "All diese schönen Erfolge zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, in einem weltoffenen Umfeld leben, arbeiten und experimentieren zu können." Für die Hochschul-Chefin steht fest: Die international geprägte Atmosphäre, Lehre und Forschung in Linz würden auch für Studierende aus rund 60 Nationen tagtäglich ein optimales Umfeld bieten.

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    Denise Auer, IStock (Symbolbild, Fotomontage)

    Auf den Punkt gebracht

    • Die Kunstbiennale in Venedig zeigt politische Ausstellungen, darunter einen österreichischen Pavillon mit einer Installation, die illegale Musikraubkopien aus der Sowjetunion präsentiert, um die globale Bedrohung vorübergehend zu vergessen
    • Kuratiert von Gabriele Spindler, bietet die Ausstellung sowohl Trost als auch eine kritische Botschaft gegen den russischen Präsidenten Putin
    • Die Ausstellung wird von Österreich finanziert und ist bis November zu sehen, während die Kunstuni Linz für internationale Präsenz sorgt und im kommenden Jahr den österreichischen Beitrag zur Architektur-Biennale gestaltet
    tob
    Akt.