Politik
Russen-Botschafter ausweisen? "Das behalte ich mir vor"
Die russische Botschaft verstörte mit einem Posting zu den Gräueltaten von Butscha. In "Heute" spricht VP-Außenminister Schallenberg Klartext.
Russlands Botschafter in Österreich, Dmitrij Ljubinskij, sorgte am Wochenende mehrfach für Entsetzen. Erst sagte er dem Nachrichtenmagazin "profil", die Ukrainer hätten Krankenhäuser selbst gesprengt. Einen Tag später verbreitete der Diplomat auf Twitter, dass Bilder getöteter Zivilisten in Butscha "eine Inszenierung des Kiewer Regimes" seien. Im Backstage-Talk (in voller Länge am Artikelanfang) bei "Heute" äußert sich nun Außenminister Alexander Schallenberg (VP).
"Eine Verhöhnung der Opfer"
Zu dem vor Unwahrheiten strotzenden "profil"-Interview sagt er kopfschüttelnd: "Ich kenne viele der handelnden Personen auf russischer Seite. Das sind an sich Profis. Dass die sich hinstellen und so etwas ohne mit der Wimper zu zucken international verbreiten, lässt einem den kalten Schauer über den Rücken hinuntergehen."
Den Botschafts-Tweet klassifiziert Schallenberg als "eine Verhöhnung der Opfer". Der Diplomat weiter: "Das zeigt auch, dass sie gar keine andere Argumentationslinie haben als den Versuch, das alles in Bausch und Bogen vom Tisch zu wischen. Das wird ihnen nicht gelingen. Die Verbrechen werden ans Tageslicht kommen und die dafür Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen werden."
Zu einer möglichen Ausweisung des Botschafters aus Österreich sagt Schallenberg: "Ich schließe nichts aus, ganz klar. Das ist eine Möglichkeit, die ich als Außenminister habe und das behalte ich mir vor."
Schallenberg habe Botschafter Ljubinskij jedenfalls bereits einbestellt.
Video: Schallenberg zum Botschafter
"Nachbarregionen unterstützen"
Ob er in der Ukraine mit Frieden oder weiterer Eskalation rechne? "Leider Gottes haben wir seit dem 24. Februar gelernt, dass wir mit dem Schlimmsten rechnen müssen", sagt Schallenberg betrübt, fügt aber an: "Das Ziel unserer Arbeit ist, dass die Waffen rasch schweigen und wir die Nachbarregionen unterstützen und stabilisieren." Dass Putin auf internationaler Bühne rehabilitiert werden könnte, "sehe ich nicht", betont der Minister: "Wir haben hier massivste Verletzungen des humanitären Völkerrechts und erdrückende Anzeichen für Kriegsverbrechen, daher sehe ich nicht, wie wir zur Tagesordnung übergehen könnten."
"Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen"
Es dürfe "niemand über dem Völkerrecht stehen", betont er. Und: "Ich fordere, dass die Kriegsverbrechen, für die es erdrückende Anzeichen gibt, untersucht werden. Wir dürfen keine Gelegenheit auslassen, dass hier die Fakten auf den Tisch kommen. Wenn Kriegsverbrechen begangen wurden, dann müssen die auch geahndet und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden."
Für Wladimir Putin findet er drastische Worte: "Putin hat das Völkerrecht mit Füßen getreten und aus dem Fenster geschmissen. Er kann jetzt nicht mehr Teil des internationalen Konsenses sein. Den hat er ganz klar negiert und sich auf die falsche Seite gestellt."
"Weitere Sanktionen"
Schallenberg kündigt "ein weiteres Sanktionspaket" an, "wo weitere Personen und Unternehmen unter Sanktionen gestellt werden. Die Richterskala ist da nach oben hin offen". Ziel? "Was wir machen, ist brutale Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen, um die Militär-Maschinerie nicht weiter zu finanzieren und den Russen das Gefühl zu geben, dass da etwas ganz falsch läuft in ihrem Staat."
"Werden uns solidarisch zeigen"
Dass Österreich deshalb kein neutraler Staat mehr sei, stellt Schallenberg entschieden in Abrede, räumt aber ein: "Wir haben mit dem EU-Beitritt sicher eine Neudefinition vorgenommen, die Neutralität im Kern ist aber unberührt." Heißt? "Dass wir uns keinem Militärbündnis anschließen und keine fremden Stützpunkte in Österreich haben. Eigene militärische Einsätze werden immer eine österreichische Entscheidung sein. Im Rahmen der Europäischen Union werden wir uns aber solidarisch zeigen, das ist auch verfassungsrechtlich verankert."
„"Ich habe mir nie gewünscht, Bundeskanzler zu werden."“
Und wie blickt Schallenberg auf seine kurze Amtszeit als Bundeskanzler zurück? "Auf jeden Fall mit Demut. Ich habe es nie erwartet oder mir gewünscht, Bundeskanzler zu werden, aber in der Politik muss man manchmal in einem Team einstehen." Erfolge? "Es ist uns gelungen, das Regierungsschiff vom Kentern abzuhalten. Das haben die Österreicherinnen und Österreicher erwartet."
Sobotka "absolut" tragbar
Zwei innenpolitische Fragen beantwortet er kurz und knapp. Hält die Koalition bis 2024? "Ja." Und: Ist sein VP-Kollege als Nationalratspräsident und Vorsitzender des U-Ausschusses noch tragbar? Schallenberg: "Absolut."