Österreich
"Hört endlich auf mit eurer Raucher-Romantik!"
Je näher der 1. November rückt, desto panischer werden die Reaktionen auf das Rauchverbot. Unser Autor erklärt, warum er die Argumente der Gegner nicht mehr hören kann.
Am 1. November ist Tag X. In zwei Wochen tritt das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie in Kraft. Das Ende eines jahrelangen politischen Schlingerkurses – beschlossen, abgeschafft, nochmal beschlossen. Die fast 900.000 Unterzeichner des Nichtraucher-Volksbegehrens jubilieren, indes proben wütende Raucher auf Facebook den Aufstand, Wirte kündigen ihre Schließung an und bringen Verfassungsklagen ein (vergeblich). Kollege Clemens Oistric – genau wie ich strikter Nichtraucher – hat sogar eine Brandrede gegen das Rauchverbot verfasst. Ich teile seine Meinung nicht.
Jahrzehntelanger Stillstand
Fakt ist: Österreich gehört zu den Aschenbechern Europas. Laut Zahlen der OECD rauchten hierzulande im Jahr 2014 24,3 % aller Personen über 15 Jahren täglich. Mehr gequalmt wird lediglich in Ungarn (25,8 %) und Griechenland (27,3 %). Das Schlimmste: Die Zahlen sind seit Jahrzehnten nicht rückläufig. In Österreich wurde 1972 (22,9 %) sogar weniger geraucht als heutzutage. Andere Länder, etwa Dänemark, die Niederlande oder das Vereinigte Königreich, konnten ihre Raucherquote von teilweise mehr als 60 % deutlich unter 20 % drücken.
Den längst überfälligen Schritt zu einem Rauchverbot in der Gastronomie mit schwindligen Argumenten wie der Romantisierung des genüsslichen Zuges an der Zigarette, dem Beisammensein nach Feierabend oder wirtschaftlichen Ängsten der Wirte zu torpedieren, ist schlicht kurzsichtig oder verantwortungslos. Vielleicht sogar beides. Keine vermeintliche Gemütlichkeit ist es wert, den vermeidbaren Tod von 14.000 Menschen im Jahr hinzunehmen.
Selbst bei dem anderen gesellschaftlich akzeptierten Suchtmittel, dem Alkohol, würde niemand ernsthaft auf die Idee kommen, eine schwere Abhängigkeit als österreichische Gemütlichkeit zu verteidigen. Aber, werden viele einwenden, es wissen doch ohnehin alle, dass Rauchen ungesund ist. Es hat jeder die Wahl, ob er sich diesem Risiko aussetzt. Nun liegt es eben in der Natur einer Sucht, dass das Gehirn mehr nach der Befriedigung der Abhängigkeit als nach wohl überlegten Argumenten schreit.
Das Dilemma der Nichtraucher
Und doch sitzen auch Nichtraucher zusammen mit Rauchern im Qualm. Kollege Oistric fasst das gut zusammen: "Setze ich mich mit meinen Raucher-Freunden in einen Raucher-Bereich (und wasche danach Gewand und Haare) oder setze ich mich als einziger Nichtraucher in meine Nichtraucher-Wohnung?" Ich kann das gut nachvollziehen. Als Nichtraucher komme auch ich laufend in Situationen, in denen ich entweder Rauch ertrage oder als Alternative auf Maturatreffen, Partys oder Abende im Pub verzichten "darf" – vor allem im Winter. Da könnte man nun sagen "Pech gehabt". Das wäre aber ganz schön intolerant, nicht wahr?
Selbst wenn man von diesem Dilemma als Nichtraucher nicht betroffen ist – etwa wenn der Freundeskreis ebenfalls nicht zum Glimmstängel greift – ist das mit den rauchfreien Bereichen in der Gastronomie nicht so einfach. Die Trennung funktioniert schlicht und ergreifend nicht flächendeckend. Türen bleiben gerne mal offen, wenn es sie denn überhaupt gibt. In manchen Betrieben gilt auch schon mal eine Bar in der Mitte eines offenen Raumes als Abgrenzung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereich. Auch eigene Räume ohne Service – zum Schutz der Arbeitnehmer – würde an diesem lockeren Rechtsverständnis mutmaßlich wenig ändern.
Ausnahmen für Shisha-Bars und Nachtgastronomen fordert nun ausgerechnet die Wirtschaftskammer, die sich einst für die halbgare Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen stark machte. Dass sich irgendwann – natürlich erst Jahre später – doch das Rauchverbot durchsetzen würde, hätte man vielleicht erahnen können. Der Rest Europas war da längst auf dem Weg zur rauchfreien Gastronomie. Auch wenn sie wirtschaftlich für Shisha-Lokale natürlich eine Katastrophe und Disco-Betreiber mindestens ein Ärgernis ist, wäre eine Aufweichung der Regelung ein schlechtes Signal.
Symbolkraft
Beim Rauchverbot geht es – obgleich wichtig – nicht nur um den Schutz von Nichtrauchern und Angestellten. Das wäre zu kurzfristig gedacht. Trotz eines Werbeverbotes sind Zigaretten in unserer Gesellschaft noch immer viel zu akzeptiert. Sie sind keine "kleinen Laster", sondern gefährliche Suchtmittel, die auch für das Umfeld schädlich sind. Dieses Verhalten darf im Jahr 2019 weder als schick noch cool gelten, damit die nächsten Generationen gar nicht erst damit anfangen. Das rettet Leben und schont die Ausgaben für das Gesundheitssystem.
Weltuntergangsfantasien sind unangebracht. Früher durfte man in Flugzeugen, Schulen und Einkaufszentren rauchen. Heute ist das unvorstellbar. Die Gastronomie wird das verkraften.