Österreich

PVA entzog Schwerkrankem Pension, er siegte vor Gericht

Weil Alessandro F. (55) nicht zu einer Untersuchung erschien, strich ihm die PVA die Berufsunfähigkeitspension. Er klagte, der OGH gab ihm nun Recht.

Christine Ziechert
Harald F. (Bild) klagte im Namen seines psychisch kranken Ehemannes Alessandro F.
Harald F. (Bild) klagte im Namen seines psychisch kranken Ehemannes Alessandro F.
Denise Auer, zVg

Seit 19 Jahren ist Alessandro F. in psychiatrischer Behandlung. Der 55-Jährige, der mit seinem Ehemann Harald F. (58) in Wien-Landstraße lebt, leidet unter schwersten Depressionen, Panikattacken, Tourette-Syndrom, Waschzwang und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), teilweise aufgrund traumatischer Erlebnisse in seiner Jugend.

"Alessandro verlässt sein Bett nur mehr ganz selten", erzählte Harald F., der ihn rund um die Uhr betreut, bei einem "Heute"-Besuch im Jahr 2019. Weil der Wiener nicht mehr arbeitsfähig war, gewährte ihm die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Anfang 2017 eine Berufsunfähigkeitspension, ab Juni 2018 zudem auch Pflegegeld der Stufe 3. 

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    Screenshot Facebook/Markus Reperich; Google Street View
    "In einem anonymen Schreiben an die PVA wurden Alessandro Simulation und Sozialbetrug vorgeworfen" - Harald F.

    Doch ein anonymes Schreiben an die PVA im November 2018 änderte alles: "Darin wurden ihm Simulation und Sozialbetrug vorgeworfen. Alessandro wurde daher im Jänner, Februar und Mai 2019 mit unbegründeten Nachuntersuchungen gequält", klagte Harald F. damals.

    Zur Überprüfung der Berufsunfähigkeit wurde Alessandro F. am 7. Jänner 2019 zur ersten, am 25. Februar zur Feststellung des Pflegegeldes dann zur zweiten Nachuntersuchung geladen. Alessandro F. schleppte sich zu den Begutachtungen, die von zwei unterschiedlichen Psychiatern durchgeführt wurden.

    PVA-Chefarzt bestätigte Berufsunfähigkeit auf Dauer

    Das Ergebnis: Die Berufsunfähigkeit sei weiter gegeben, eine Kontrolle in zwölf Monaten wurde empfohlen. Der PVA-Chefarzt hielt zudem fest, dass die Berufsunfähigkeit auf Dauer bestehe, eine Besserung des Gesundheitszustandes ausgeschlossen und berufliche Rehab-Maßnahmen nicht zweckmäßig und zumutbar seien. Hinsichtlich des Pflegegeldes wurde der damals 51-Jährige – trotz diverser ärztlicher Privat-Befunde über die Verschlechterung seines psychischen Zustandes – auf Stufe 1 herabgesetzt.

    Doch die PVA ließ nicht locker, setzte für 20. Mai wieder eine Nachuntersuchung mit einem Orthopäden und einem Internisten an, "da es sich um einen komplexen, medizinischen Sachverhalt handelt und noch Untersuchungen in anderen Fachbereichen notwendig sind", hieß es. Aus Krankheitsgründen wurde der Termin von Alessandro F. abgesagt, ein Ersatztermin wurde von ihm nicht wahrgenommen.

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      privat

      Erst- und Zweitinstanz wiesen Klage ab

      Ab August 2019 stellte die PVA daher die Zahlung der Berufsunfähigkeitspension, ab September das Pflegegeld ein. Die Begründung: "Eine Wiederbegutachtung mangels Mitwirkung des Klägers sei nicht möglich gewesen. Es müsse daher angenommen werden, dass eine wesentliche Besserung im Zustandsbild des Klägers eingetreten sei und kein Pflegebedarf mehr bestehe."

      Alessandro F. reichte daher Klage ein – und blitzte vorerst damit ab. Sowohl das Arbeits- und Sozialgericht als auch das Oberlandesgericht Wien wiesen die Klage bzw. die Revision ab. Die Causa ging an den Obersten Gerichtshof (OGH) und dieser gab nun Alessandro F. Recht: Die Berufsunfähigkeitspension ist ab 1. August 2019 zu gewähren.

      "Für den Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension war die für den 20. Mai 2019 angeordnete Nachuntersuchung, die nur der Verifizierung zusätzlicher Diagnosen gedient hätte, nicht erforderlich" - OGH

      Bis die Höhe des von der PVA nachzuzahlenden Pensions-Betrages festgelegt wird, erhält der 55-Jährige nun monatlich 500 Euro Berufsunfähigkeitspension. Die Begründung des OGH: "Für den Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension war die für den 20. Mai 2019 angeordnete Nachuntersuchung, die nur der Verifizierung zusätzlicher Diagnosen gedient hätte, nicht erforderlich."

      Alessandro F. sei mit 1. Jänner 2017 eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension zuerkannt worden, die Nachuntersuchung am 7. Jänner 2019 hätte das Weiterbestehen bestätigt. "Daher kann auf den Umstand, dass der Kläger sich diesen Untersuchungen nicht unterzog, kein Leistungsentzug gegründet werden", so der OGH.

      PVA muss Verfahrenskosten tragen

      Zusätzlich wurde dem Wiener eine Pflegegeld-Nachzahlung (von September 2019 bis Dezember 2020) in Höhe von insgesamt 2.550 Euro zugesprochen. Die Klage, dass Alessandro F. Pflegestufe 3 gewährt wird, wurde abgewiesen. Weiters muss die PVA die Kosten des Verfahrens und der Berufung in der Gesamthöhe von 11.562 Euro übernehmen. "Dieses OGH-Urteil ist nicht nur höchst erfreulich, sondern auch richtungsweisend für andere Betroffene. Damit können Alessandro und ich wieder an einen Rechtsstaat Österreich glauben", freut sich Harald F.