Ukraine

Putins neuer Schachzug verblüfft nun alle Beobachter

Die russischen Streitkräfte bringen nach Erkenntnissen der ukrainischen Aufklärung Verstärkung für ihre Truppen an die Fronten im Osten und Süden.

Kremlchef Wladimir Putin hat von der russischen Rüstungsindustrie mehr Anstrengungen zur Unterstützung der Streitkräfte seines Landes gefordert.
Kremlchef Wladimir Putin hat von der russischen Rüstungsindustrie mehr Anstrengungen zur Unterstützung der Streitkräfte seines Landes gefordert.
via REUTERS

"Der Feind hat den Umfang des Bahntransports von Truppen, Technik und Munition in die Kampfgebiete erhöht", teilte der Generalstab in Kiew am Freitag mit. Als Kampfgebiete galten vor allen die Umgebung der Frontstadt Bachmut im Osten, ebenso wie die Ortschaften Awdijiwka, Kupjansk und Limansk in der Region Donbass. Verstärkungen auf russischer Seite seien auch im Süden des Landes erkannt worden, hieß es. Die neuen Einheiten in der Region Cherson würden aber nur eingesetzt, um die Verteidigungslinien auszubauen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Von der russischen Marine war in den letzten Monaten nur wenig zu sehen im Schwarzen Meer. Nun hat sich das Muster laut dem Portal "Naval News" deutlich geändert. Am Donnerstag seien zahlreiche U-Boote und Kriegsschiffe bei Sewastopol gesehen worden. Unter anderem Sentinel-2-Satellitenbilder der Europäischen Weltraumorganisation zeigen die erhöhte Aktivität. Als der Sentinel-2-Satellit um 10.47 Uhr Ortszeit vorbeiflog, befand sich eine Reihe von Schiffen außerhalb des Hafens. Darunter befand sich auch ein U-Boot, das sich offenbar auf dem Rückweg zur Basis befand. Vier solcher U-Boote der Kilo-Klasse sind derzeit im Schwarzen Meer stationiert. Sie werden zum Abschuss von Kalibr-Marschflugkörpern gegen die Ukraine eingesetzt.

Das U-Boot werde von einem Schnellboot und einem Helikopter eskortiert. Diese sollen vor maritimen Drohnen schützen. Die Ukraine hat bereits Ende Oktober Schiffe mit diesen Drohnen angegriffen. Bei dem Angriff wurden nach Moskauer Angaben neun fliegende Drohnen eingesetzt und sieben Schwimmdrohnen – unbemannte ferngesteuerte Boote. Sie seien alle abgeschossen worden. Den offiziellen Angaben nach wurden das Minenräumboot "Iwan Golubez" und einige Hafenanlagen beschädigt. Videoaufnahmen, die angeblich den Angriff zeigen, legen aber nahe, dass noch mehr Schiffe getroffen worden sein könnten.

Mehrere Szenarien denkbar

"Ein derartiges Ausmaß an Aktivitäten hat es seit Wochen nicht mehr gegeben", schreibt "Naval News". Schiffe und U-Boote kämen und gingen zwar immer noch, aber die Häufigkeit habe zugenommen. Es ist unklar, warum die russische Marine ihre Aktivitäten im Schwarzen Meer plötzlich verstärkt hat. Möglich sei einerseits eine politische Reaktion von Wladimir Putin auf die Behauptung, die Marine habe sich in die Sicherheit ihrer Stützpunkte zurückgezogen. Andererseits könne es auch eine militärische Reaktion Russlands auf den Besuch vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in Washington sein.

"Bei einem der Schiffe, die auf dem Weg nach Norden beobachtet wurden, scheint es sich um ein Reparaturschiff zu handeln." Diese Hilfsschiffe könnten für die Unterstützung von Kampfeinsätzen wichtig sein, so "Naval News". Ein Schiff, das Sewastopol verlasse und sich in den relativen Schutz eines Flusses im Norden der Krim begebe, könne ein erster Hinweis auf anstehende größere Operationen sein.

Zehn Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges mit Zehntausenden Toten und immensem Leiden für die Zivilbevölkerung hat der Kreml trotz schwerer Rückschläge von Fortschritten bei der "Entmilitarisierung" der Ukraine gesprochen. "Man kann feststellen, dass es hier ein wesentliches Vorankommen auf dem Weg der Entmilitarisierung gibt", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Russland bombardiert seit Oktober allerdings vor allem zivile Infrastruktur und Millionen Ukrainer sind deshalb dem Winter ohne Heizung, Strom und Wasser ausgesetzt.

"Er hat den Krieg Krieg genannt"

Ein Oppositionspolitiker aus St. Petersburg hat indes Russlands Präsident Wladimir Putin wegen Diskreditierung der Armee angezeigt – weil er das Wort "Krieg" für Russlands Invasion in die Ukraine benutzt hat. "Er hat den Krieg Krieg genannt", twitterte der lokale Abgeordnete Nikita Juferew. Zur gleichen Zeit seien bereits Tausende Menschen im Land eben dafür verurteilt worden. Offiziell wird in Russland der Krieg gegen die Ukraine nur "militärische Spezialoperation" genannt.

Putin hatte am Donnerstag während einer improvisierten Pressekonferenz erklärt: "Unser Ziel ist es nicht, das Schwungrad des militärischen Konflikts weiter zu drehen, sondern den Krieg zu beenden". Hier weiterlesen >>

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    Wladimir Putin ist am 19. Dezember 2022 zum ersten Mal in drei Jahren <a target="_blank" data-li-document-ref="100244995" href="https://www.heute.at/g/moegliche-einsaetze-neue-nuklear-ansage-von-putin-100244995">persönlich nach Weißrussland gereist</a>.
    Wladimir Putin ist am 19. Dezember 2022 zum ersten Mal in drei Jahren persönlich nach Weißrussland gereist.
    Sputnik via REUTERS