Kremlchef Wladimir Putin hat vorgeschlagen, die von Russland angegriffene Ukraine unter Verwaltung der Vereinten Nationen zu stellen und dort Neuwahlen abzuhalten. "So eine Praxis gibt es und im Prinzip kann man natürlich die Möglichkeit einer zeitweisen UN-Verwaltung mit den USA, den europäischen Staaten und – versteht sich – auch mit unseren Partnern und Freunden erörtern", sagte Putin in der nordrussischen Stadt Murmansk. Wahlen in Kriegszeiten sind in der Ukraine gesetzlich verboten.
Ziel seines Vorschlags seien demokratische Wahlen, bei denen eine handlungsfähige Regierung an die Macht komme, sagte Putin im Gespräch mit Matrosen des russischen Atom-U-Boots "Archangelsk". "Mit dieser beginnen wir dann Verhandlungen über einen Friedensvertrag, unterzeichnen legitime Dokumente, die weltweit anerkannt werden und sicher und stabil sind." Allerdings wird in der Ukraine befürchtet, dass Moskau Wahlen im – teils russisch besetzten – Nachbarland manipulieren und eine kremltreue Marionetten-Regierung an die Macht bringen könnte.
Die Forderung nach einer Fremdverwaltung für die Ukraine folgt bekannten Argumentationsmustern des Kremls. Moskau behauptet, dass die Ukraine ein gescheiterter Staat sei, in dem nationalsozialistische Gruppen die Macht ergriffen hätten – und dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski seit Ablauf seiner regulären Amtszeit im vergangenen Jahr kein Mandat mehr habe.
Ukrainische Juristen verweisen hingegen darauf, dass die Verlängerung der Vollmachten durch das Kriegsrecht gedeckt ist. Im Ausland wird Selenski ebenfalls weiterhin als Präsident anerkannt – zumal faire Neuwahlen wegen der Besetzung großer Gebiete durch Russland praktisch unmöglich wären.
Als Minimalkompromiss hatten sich Moskau und Kiew zuletzt unter Vermittlung der USA darauf verständigt, die Energieversorgung des Gegners nicht mehr anzugreifen. Doch Russland hält sich nach Angaben der ukrainischen Führung nicht an die Abmachung. Das russische Militär habe die Stadt Cherson mit Artillerie beschossen und dabei auch ein Energieobjekt beschädigt, sagte Selenski bei einer Pressekonferenz in Paris, wo er an einem Treffen europäischer Unterstützer der Ukraine teilnahm. "Ich denke, es sollte eine Reaktion der USA geben." Statt Worten brauche es nun Taten, forderte er.
Umgekehrt hatte zuvor auch Russland der Ukraine vorgeworfen, die Abmachung nicht einzuhalten. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, das russische Militär greife keine Energieanlagen mehr an, die ukrainische Armee hingegen schon. Als sich Russland über feindliche Attacken beschwerte, waren die technischen Details der Abmachung allerdings noch nicht bekannt.