Treffen im Oval Office

Selenski: "Bei den Folter-Fotos kippte die Stimmung"

Drei Wochen nach seinem Treffen mit Donald Trump gab Wolodimir Selenski dem "Time"-Magazin ein Interview. Darin erklärt er, wie Putin tickt.
20 Minuten
26.03.2025, 11:02

Das Treffen am 28. Februar im Weißen Haus lief nicht wie von Selenski erhofft: Am Ende lief das Gespräch mit Donald Trump, in dem es um die Unterstützung der Ukraine durch die USA ging, völlig aus dem Ruder. Trump warf Selenski vor, keine Dankbarkeit zu zeigen, und warf ihm gar vor, "mit dem Dritten Weltkrieg zu spielen".

Nun besuchte ein Reporter des "Time"-Magazins den ukrainischen Präsidenten an seinem Regierungssitz in der Ukraine und interviewte ihn zur Situation seines Landes, der Hilfe aus dem Ausland – und zum peinlichen Treffen mit Trump und dessen Vize JD Vance.

"Das ist harter Stoff"

Vor dem Treffen mit dem US-Präsidenten, in welchem Selenski sich Unterstützung für sein Land sichern wollte, hatte Selenski schon alles genau geplant. Ziel des Meetings war es auch, die feindselige Haltung Trumps gegenüber der Ukraine zu durchbrechen und den Einfluss russischer Propaganda auf das Weiße Haus zu zerstreuen. Deshalb habe er eine Reihe von Geschenken mitgebracht, so Selenski.

So hatte er den goldglänzenden WM-Gürtel des Schwergewichtboxers Oleksandr Usyk im Gepäck, den er Trump vor laufenden Kameras überreichen wollte. Doch statt Trump zunächst diesen zu geben, griff er zu einem Ordner mit aufwühlenden Fotografien, die komplett abgemagerte und gefolterte ukrainische Soldaten nach ihrer Zeit in russischer Kriegsgefangenschaft zeigten. "Das ist harter Stoff", soll Trump beim Durchblättern gesagt haben.

Selenski wollte an Trumps Empathie appellieren

Selenskis Ziel war es gewesen, an Trump als empathischen Menschen zu appellieren: "Er hat eine Familie, geliebte Menschen, Kinder. Er muss die Dinge fühlen, die jeder Mensch fühlt", so Selenski. Doch statt Mitleid zu wecken, lösten die Bilder bei Trump etwas ganz anderes aus: Der US-Präsident nahm seine Deckung hoch und reagierte, "als ob er für das Leiden dieser Soldaten verantwortlich gemacht würde."

Der Rest des Treffens ist Geschichte: Trump und Vance kanzelten Selenski vor den Augen der Weltöffentlichkeit übel ab, in der Folge stoppten die USA ihre Unterstützung für die Ukraine weitgehend.

"Die USA wollen in der Mitte stehen"

Im ausführlichen Gespräch mit "Time"-Reporter Simon Shuster erklärte Selenski, die russische Seite habe Entscheidungsträger im Weißen Haus im Vorfeld dahingehend beeinflusst, dass diese glaubten, die Ukraine wolle den Krieg nicht beenden und müsse dazu gezwungen werden. "Natürlich war das Desinformation", so Selenski. Und zur Haltung der USA: "Ich glaube nicht, dass die Amerikaner einen Hehl daraus gemacht haben, dass sie Vermittler sein wollen und nicht auf einer der beiden Seiten stehen. Wir haben ihnen gesagt: Na gut, wenn ihr nicht auf unserer Seite steht, dann bleibt wenigstens in der Mitte."

Im Gespräch erklärte Selenski auch, wie Putin seiner Absicht nach tickt. "Wir wollen mit ihm die Sprache der Diplomatie sprechen, aber er hat diese Sprache nie gelernt. Er spricht eine andere Sprache. Nicht, weil er mit der Diplomatie nicht vertraut wäre. Er versteht sie als ein Instrument. Aber er ist gegen den Dialog. Er ist kein Mann des Dialogs. Er ist ein Mann des Ultimatums." Wenn die USA zu härteren Maßnahmen wie Sanktionen greifen würde, würde Putin wohl auch stärker reagieren, glaubt Selenski.

"USA müssen Putin Zeit wegnehmen"

Als Trump wieder an die Macht kam, sei der Rhythmus seiner Entscheidungen und Reaktionen sehr schnell gewesen. Das habe den Kreml verunsichert: "Trumps Schritte sind für sie sehr unerwartet. Und für sie ist alles Unerwartete beunruhigend." Nun wünsche er sich, dass die USA Putin mit Sanktionen "Zeit wegnehmen", denn diese spiele für ihn. "Der Krieg wird für ihn zu einer Belastung, wenn seine Wirtschaft die größten Verluste erleidet. Im Moment hat er noch Zeit. Aber das hängt wahrscheinlich von der Stärke der Sanktionen ab."

Die Russen würden einen Waffenstillstand gemäß seiner Erfahrung vermutlich brechen, so der ukrainische Präsident. "Deshalb muss das Zeitfenster zwischen dem Waffenstillstand und dem Abschluss eines Abkommens zur Beendigung des Krieges sehr kurz sein. Ein Monat, zwei, drei, und das war's. Danach wird es eine Frage der Moral innerhalb des Militärs sein." Einen "gefrorenen Konflikt" könne sich sein Land nicht leisten. Deshalb sei eine Einigung zum Frieden notwendig: "Wenn sich der Prozess in die Länge zieht, wird das Ganze auseinanderfallen. Und wir wissen nicht, wie das enden wird."

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