Niederösterreich

Prozess um Missbrauch in Heim – zehn Jahre Haft drohen

Vier Pflegern wird vorgeworfen, Bewohner in einem Heim in NÖ gequält und missbraucht zu haben. Das Quartett bestreitet die Vorwürfe.

Erich Wessely
Prozess um Missbrauch in Heim: Vier Pfleger vor Gericht
Prozess um Missbrauch in Heim: Vier Pfleger vor Gericht
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Ein mehrtägiger Prozess um Vorfälle in einem Pflegeheim in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) hat am Mittwoch am Landesgericht St. Pölten begonnen. Den vier Angeklagten - drei Frauen und einem Mann - wird vorgeworfen, Bewohner körperlich misshandelt, gequält, missbraucht, beschimpft und bespuckt zu haben (es gilt die Unschuldsvermutung). Weiters sollen zusätzliche Medikamente verabreicht worden sein, um Patienten ruhigzustellen. Das Quartett bekannte sich zu Beginn der Schöffenverhandlung nicht schuldig.

Vorwürfe: Quälen, sexueller Missbrauch

Die Anklagepunkte betreffen Quälen und Vernachlässigen wehrloser Personen, fortgesetzte Gewaltausübung und sexuellen Missbrauch von wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Personen. Die Anschuldigungen drehen sich um "massive Misshandlungen an Opfern, die eigentlich in Obhut der Angeklagten standen, um die sie sich eigentlich kümmern mussten", sagte die Staatsanwältin im Eröffnungsvortrag. Als schwerwiegendsten Vorwurf nannte sie die Verabreichung von Schlafmitteln und starken Psychopharmaka, um Bewohner ruhigzustellen und ruhige Dienste zu haben.

Austausch in WhatsApp-Gruppe

Die Beschuldigten - drei Frauen im Alter von 33 bis 45 Jahren und ein 36-jähriger Mann - sollen im Tatzeitraum März 2020 bis März 2021 in einer WhatsApp-Gruppe über ihre berufliche Tätigkeit geschrieben und auch Fotos versendet haben. Laut den Nachrichten ging es den Pflegehelfern darum, unliebsame Bewohner mit zusätzlichen Medikamenten "ins Koma zu versetzen". So hieß es etwa laut Anklage, dass Betroffene "gleich niedergespritzt werden". Eine 45-Jährige soll auf einen Bewohner eingeschlagen haben, ihm Parfum in den offenen Mund gesprüht und schließlich für mehrere Sekunden einen Kopfpolster gegen sein Gesicht gedrückt haben. Aus den Chats ergebe sich das "Bild eines Berufsverständnisses, das einfach nur abscheulich ist", sagte die Staatsanwältin.

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    Prozess um Missbrauch in Heim: Die vier früheren Pflegehelfer eines Heimes im Bezirk Tulln vor Gericht in St. Pölten.
    Prozess um Missbrauch in Heim: Die vier früheren Pflegehelfer eines Heimes im Bezirk Tulln vor Gericht in St. Pölten.
    HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

    Weiters sei ein Sack voller Medikamente gefunden worden, die anderen Bewohnern vorenthalten oder nach dem Tod von Patienten nicht zurückgegeben worden sein sollen. Die 33-jährige Erstangeklagte sagte in ihrer Einvernahme, sie wisse nichts von diesem Vorrat.

    Kolleginnen beobachteten Vorfälle

    Zwei Kolleginnen hatten Vorfälle beobachtet und im März 2021 der Leitung des Senecura-Heims gemeldet. Die Dienstverhältnisse mit den vier Mitarbeitern wurden sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe beendet. Die stark pflegebedürftigen Opfer sind nicht aussagefähig. "Die Patienten sind überwiegend nicht in der Lage, sich eigenständig zu bewegen oder sich zu artikulieren", sagte die Vertreterin der Anklagebehörde. Bei den Folgen für die Opfer "tappen wir leider im Dunkeln". "Ab dem Zeitpunkt, wo die Angeklagten weg waren, ist es den Patienten wieder besser gegangen", hielt die Staatsanwältin fest.

    "Gleicht einem schriftlichen Geständnis"

    Die 33-Jährige soll sich via Handy mit ihrem Partner u.a. über die Medikamentenverabreichung unterhalten haben, was "einem schriftlichen Geständnis gleicht", meinte die Staatsanwältin. Im Tatzeitraum habe es coronabedingte Einschränkungen - etwa keine Besuche von Angehörigen und keine ärztliche Kontrollen - samt Lockdowns gegeben. Die Beschuldigten "konnten daher machen, was sie wollen", so die Vertreterin der Anklagebehörde. Als Grund für die Taten führte sie Arbeitsüberlastung an, "der Frust hat sich dann gegen bestimmte Patienten gerichtet".

    Verschiebung? "Das wollen wir nicht"

    "Es ist etwas schwer verdaulich, was hier vorgeworfen wird", sagte Rechtsanwalt Stefan Gloß. Medikamente seien etwa an randalierende Bewohner zur Beruhigung verabreicht worden. Der Verteidiger kritisierte, dass ihm und seinen Mandanten Akteneinsicht verwehrt worden sei. Die vorsitzende Richterin wies diesen Vorwurf zurück und bot eine Verschiebung des Prozesses und erneute Akteneinsicht an - "das wollen wir nicht", so der Rechtsanwalt.

    Bei einer Verurteilung drohen dem Quartett bis zu zehn Jahre Haft. Die Schöffenverhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt, weitere Termine sind für Februar und März geplant.

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