Österreich
Polizei sprengt riesigen Cyber-Betrügerring
Tausende Opfer in ganz Europa wurden jedes Jahr um rund 100 Millionen Euro gebracht. Einer der Haupttäter konnte jetzt – dank Hilfe aus Österreich – geschnappt werden.
Seit September 2017 laufen die Ermittlungen der Polizei gegen einen internationalen Verbrecher-Ring bereits. Über Online-Plattformen mit manipulierter Software sollen tausende Anleger in ganz Europa abgezockt worden sein. Die Betrüger sollen so rund 100 Millionen Euro pro Jahr veruntreut und durch ein kompliziertes Firmennetzwerk auf Offshore-Konten geschleust haben.
Wie das Bundeskriminalamt am Dienstag mitteilt konnte vor wenigen Wochen einer der Hauptverdächtigen in Bulgarien festgenommen werden. Es soll sich laut "Kurier" um einen Israeli handeln, der in Insider-Kreisen den Spitznamen "Wolf von Sofia" tragen soll.
Angeworben wurden die Opfer hauptsächlich über soziale Netzwerke, Anrufe aus eigenen Call-Centern oder Massenmails. Gelockt wurde mit geringem Risiko und inkludierten Versicherungen, die ab gewissen Summen vor Kapitalverlust schützen sollten. Nachdem der Kunde die ersten Einzahlungen getätigt hatte, zogen die Betrüger das Netz zu. Anfänglich wuchs das virtuelle Depot durch mehrere gewonnene Transaktionen rasant an.
Binäre oder digitale Optionen sind hochriskante Termingeschäfte, die Merkmale einer Wette enthalten. Anleger spekulieren auf einen fallenden oder steigenden Kurs. Tritt der vom Anleger prognostizierte Fall ein, so gewinnt er und erhält einen vorher festgelegten Betrag, typischerweise weniger als das Doppelte des eingesetzten Kapitals. Tritt der vom Anleger prognostizierte Fall nicht ein, so verfällt die Option als wertlos und der Anleger verliert sein gesamtes eingesetztes Kapital.
Wer sich den vermeintlichen Gewinn auszahlen lassen wollte, hatte keine Chance: Die Call-Center-Mitarbeiter waren angewiesen, den Kunden eine Auszahlung der Rendite auszureden, beziehungsweise nach inszeniertem Totalverlust, diese zu neuerlichen Einzahlungen zu verleiten, um den erlittenen Verlust wieder auszugleichen.
Ohne dem Wissen der geprellten Kunden, war das einbezahlte Geld zu dem Zeitpunkt längst in einem, aus Tarn- und Scheinfirmen bestehenden, aufwändig konstruierten Geldwäscherei-Netzwerk verschwunden. "Ein Landwirt aus Oberösterreich hat so 400.000 Euro verloren", wird ein Ermittler zitiert.
Wie hochmodern die Betrüger ausgestattet waren, zeigt sich daran, dass die Plattformen mit einer Software betrieben wurden, die Firmen im Besitz der Verbrecher entwickelt und auch an andere Kriminelle weiterverkauft hatten. Diese ermöglichte nicht nur die komplette Kundenverwaltung, sondern konnte auch die Kurse der einzelnen Transaktionen zum Nachteil der Opfer beeinflussen.
Durch die unzähligen Tarn- und Scheinfirmen in Bulgarien und Tschechien hatten die Verdächtigen eine konzernähnliche Struktur geschaffen, in der Aufgaben wie Marketing, Call-Center-Betrieb, Softwareentwicklung und Geldwäscherei unabhängig voneinander unter einer Führung arbeitsteilig erledigt wurden.
Nachdem das Landeskriminalamt Niederösterreich die ursprüngliche Spur zu der Tätergruppe aufgenommen hatte, kam es nach einem Abgleich mit dem Bundeskriminalamts zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem deutschen Landespolizeipräsidium Saarland und der Gründung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe. Auch die österreichischen Verbindungsbeamten in Bulgarien und Tschechien leisteten einen wesentlichen Beitrag.
In Abstimmung mit Deutschland wurde ein erstes Einschreiten gegen einen Teil der Gruppierung, dem der Betrieb der Trading Plattformen XTraderFX, Optionstars, OptionstarsGlobal, Goldenmarkets, SafeMarkets, Cryptopoint sowie einigen weiteren zugerechnet wird, geplant.
Am 28. Jänner erfolgte der Zugriff. Bis 1. Februar 2019 wurden in der bulgarischen Hauptstadt Sofia einige Terabyte Daten, Geschäftsunterlagen und ein sechsstelliger Geldbetrag sichergestellt. Insgesamt wurden 21 Firmensitze sowie vier Privatadressen von Verdächtigen durchsucht. Außerdem wurden insgesamt 14 Konten sichergestellt und der "Wolf von Sofia" festgenommen. Der verdächtige Israeli befindet sich aktuell in Auslieferungshaft in Bulgarien.
Auch Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ist ob des Erfolgs voller Lob und gratulierte am Montag nicht nur den österreichischen Ermittlern, sondern auch ihren Kollegen aus Bulgarien, Deutschland und Tschechien. Abgeschlossen ist der Fall aber noch lange nicht: "Die Ermittlungen könnten noch Jahre dauern", erklärt der Leiter des Landeskriminalamtes NÖ, Omar Haijawi-Pirchner.
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(rcp)