Niederösterreich
Pflegedrama: "Schlugen auf Silikonbrüste von Opfer"
Verhandlungstag Nummer 3 gestern in St. Pölten im Prozess gegen vier Ex-Pfleger des Clementinums. Zeugen berichten generell von einem düsteren Bild.
Dritter Prozesstag gegen ein Altenpfleger-Quartett am gestrigen Mittwoch am Landesgericht Sankt Pölten. Dabei waren Zeugen und eine Hauptbelastungszeugin am Wort - und die skizzierten ein generell schlimmes Bild von der Altenpflege.
Zunächst trat die damalige Geschäftsführerin in den Zeugenstand. Sie konnte allerdings von keinen Auffälligkeiten berichten, warf aber ein: "Ich habe viel mit Organisation zu tun gehabt. Es gab keine ärztlichen Visiten und ein rauer Ton im Haus war mir nicht bekannt." Die Ex-Chefin weiter: "Als ich den Chatverlauf aber gelesen habe, dachte ich, ich sei in einer Parallelwelt."
"Mutter wurde kaum gewaschen"
Dann waren drei Töchter einer Bewohnerin im Zeugenstand, eine davon ist selbst Krankenschwester. Generell waren die drei Töchter mit der Pflege überhaupt nicht zufrieden: "Als unsere Mutter eine Augenentzündung hatte, bekam sie zwar Tropfen verschrieben, diese wurden aber selten bis nie verabreicht. Unsere Mutter war schwer dement und musste immer nur im Bett liegen. Selten durfte sie im Sessel sitzen. Die Erklärungen dafür waren oft seltsam: Mal war es zu heiß, zu schwül, zu kalt." Das Trio bemängelte zudem die mangelnde Körperhygiene. "Sie wurde nicht oft genug gewaschen. Wir mussten oft selbst Hand anlegen. Und augenscheinlich war: Mutter war oft nackt."
"Hoid die Pappn"
Eine Tochter berichtete über den rauen Ton im Kirchstettner Heim: Ein Pfleger (Anm.: allerdings keiner der vier Angeklagten) hätte zu einem Bewohner schroff gesagt: "Hoid die Pappen!"
"Schlimmste, das ich je gesehen habe"
Dann trat eine Belastungszeugin, eine Pflegekraft, die den Fall ins Rollen gebracht hatte, in den Zeugenstand: "Es ging auf dieser Station brutal ab. Die vier Angeklagten zogen die Bewohner an den Haaren, einer Bewohnerin schlugen sie gerne auf die Silikonbrüste." Die Pflegerin weiter: "Die vier Angeklagten waren das schlimmste, das ich jemals in der Pflege erlebt habe."
Penis verbogen?
Der einzige männliche Angeklagte, der sich selbst in der WhatsApp-Gruppe "Master of Death" nannte, soll den anderen Angeklagten empfohlen haben: "Schlagt die Alten in die Weichteile, da gibts kaum blaue Flecken." Weiters berichtete die Belastungszeugin: "Sie sprayten Haarspray in die Münder der Bewohner. Ein Patient machte immer ins Bett. Daraufhin verbogen sie ihm den Penis und sagten, dass er jetzt nichts mehr anbrunzen würde." Sie selbst habe aber niemals derartige Vorfälle dokumentiert - aus Angst angeblich.
Weiters sollen die vier Angeklagten öfters verkündet haben: "Mir geht die Hockn am Oasch." Generell durfte man beim Prozess den Eindruck gewinnen, unabhängig ob Angeklagter oder Zeugen, dass das Niveau im Haus eher bescheiden war.
Abführmittel für ungeliebten Nachtdienst
Dann berichtete die Zeugin von mutmaßlich perfiden Attacken auf den Nachdienst (Anm.: wenn dieser ungeliebt war): "Dann bekamen einige Bewohner Abführmittel, damit der Nachtdienst ja viel zu tun hatte. Ich selbst bekam auch mal ein Abführmittel in ein Getränk, machte mir auf der Heimfahrt in die Hose. Dann erzählte ich meiner Chefin von den Schweinereien."
Wie berichtet sollen vier Pfleger bis 2016 im Pflegeheim Clementinum in Kirchstetten (St. Pölten-Land) alte und demente Menschen erniedrigt, geschlagen und gedemütigt haben. Sogar Mordvorwürfe standen kurz im Raum, lösten sich aber schnell in Luft auf.
Unter strengen Auflagen und teils unter Ausschluss der Öffentlichkeit ging der Prozessauftakt am 16. September 2020 gegen die vier Pfleger am Landesgericht St. Pölten über die Bühne. Die Staatsanwaltschaft listete dabei die mutmaßlichen Gräueltaten zum Entsetzen der Zuhörer auf: Das Quartett (ein Mann 30, drei Frauen 34, 52, 55) soll unter anderem demente Senioren geschlagen, heiss oder kalt geduscht, mit Franzbranntwein die Genitalien eingerieben, mit Gewalt gefüttert, die Bewohner zur Belustigung geschminkt und fotografiert sowie sexuell missbraucht (Anm.: z.b. Hoden oder Penis verdreht) haben - mehr dazu hier.
Angeklagte bestreiten vieles
Die Anklage stützt sich auf Zeugenaussagen und vor allem auf die interne WhatsApp-Gruppe. Darin sollen die Angeklagten über die Bewohner gelästert haben und Gewalt verherrlicht haben. Ein Angeklagter nannte sich selbst "Master of Death". Das Beschuldigten-Quartett selbst bestritt die Vorwürfe stets, gab nur die WhatsApp-Gruppe zu: "Das war eine Art Psycho-Hygiene", so der 30-jährige Angeklagte.
Heute geht es mit dem vierten Prozesstag weiter - für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.