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Oligarchen erkaufen sich Notausgang nach Israel
Der russische Oligarch Leonid Newslin hat 2003 Russland verlassen und lebt in Israel. Warum dieses Land ein Plan B für Oligarchen sein kann.
Leonid Newslin war in den 80er Jahren Software-Entwickler im russischen Ministerium für Geologie, gründete dann eine der ersten russischen Privatbanken bevor er 1996 Vizepräsident des Ölkonzerns Yukos wurde. Anfang der 2000er-Jahre zählt er laut "Forbes"-Magazine zu den 100 reichsten Menschen der Welt. Als Putin an die Macht kommt, werden Topmanager verhaftet. Das ist der Zeitpunkt als sich der Geschäftsmann mit jüdischen Wurzeln nach Israel absetzt und seither dort lebt. Vor Kurzem hat er auf seine russische Staatsbürgerschaft verzichtet, ist jetzt israelischer Staatbürger und arbeitet im unabhängigen Journalismus.
"Keine mittlere oder große Firma kann frei von Putins Einfluss handeln"
"Momentan finde ich es beschämend, Russe zu sein", erzählt Newslin im Gespräch mit dem "Spiegel". Er könne diesen Krieg nicht gutheißen und unterstütze den ukrainischen Widerstand. "Putins Russland ist nicht mehr meines", so der 62-Jährige. Wäre er nach der Machtergreifung Putins 2003 nicht nach Israel gegangen, säße er heute noch im Gefängnis – wie der frühere Yukos-Manager Alexej Pituschgin. In seiner Abwesenheit war Newslin angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Würde er nach Russland zurückkehren, würde die Strafe vollstreckt werden.
Putins Russland ist ein "faschistischer Mafiastaat", sagt Leonid Newslin. Sobald Unternehmen in Russland eine bestimmte Größe überschreiten, könnten sie ohne Putins Zustimmung nicht weitermachen, sagt Newslin. "Es gibt keine einzige mittlere oder große Firma, die völlig frei von staatlichem Einfluss handeln kann. Wer Geschäfte machen will, muss einen Teil aus seiner Schatztruhe abgeben."
Sanktionen gegen russische Geschäftsleute
Aber nicht nur Newslin hat die israelische Staatsbürgerschaft. Auch Oligarchen wie Roman Abramowitsch, Michail Fridman oder Wiktor Abramowitsch sind israelische Staatsbürger, obwohl sie sich – laut Newslin – lange nicht für das Land interessierten. Um sich jedoch das Wohlwollen jüdischer Organisationen in Israel, aber auch weltweit, zu sichern, investierten besagte Herren Geld an religiöse Institutionen. Quasi als Notausgang, falls das "System Putin" doch kollabieren sollte. Für Newslin werden sie jedoch "nie Israelis sein."
Tatsächlich wäre es Newslin lieber, Israel würde russische Geschäftsleute mit jüdischen Wurzeln sanktionieren. Vor allem jene, die ihr Geld unter Putins Regime gemacht haben. "Man sollte ihre Möglichkeiten einschränken, an dieses Geld heranzukommen." Das besonders vor dem Hintergrund, dass Israel sich bis dato den westlichen Sanktionen gegen Russland (noch) nicht abgeschlossen haben.