Reinhold Lopatka im ORF
ÖVP-Spitzenkandidat wettert gegen "Führerpartei" FPÖ
EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka schließt eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl aus, unter ihm sei die FPÖ zu einer "Führerpartei" geworden.
Nach SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder am Montag lud der ORF am Dienstagabend den ÖVP-Spitzenkandidaten zur EU-Wahl, Reinhold Lopatka, ins "ZIB2"-Studio zu Moderator Armin Wolf. Dass die ÖVP einen neuen Spitzenkandidaten benötigte, war nicht verwunderlich, schließlich rechnete der "alte", Othmar Karas, knallhart mit der eigenen Partei ab, bevor er bekannt gab, nicht mehr für die EU-Wahl als Spitzenkandidat anzutreten. "Trotzdem war es für mich überraschend, als mich Bundesparteiobmann Karl Nehammer angerufen und gefragt hat, ob ich im Team kandidieren will", sagt Lopatka bei seiner ersten Pressekonferenz nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur.
Zahlreiche Absagen von ÖVP-Politikern habe es gegeben, bevor er gefragt worden sei – sei er da nicht eine "Notlösung"? "Es geht um die beste Wahl, es braucht jemanden, der die Erfahrung hat, der ein europaweites Netzwerk hat. Ich bringe das mit", so Lopatka. Er werde "für die Interessen Österreichs kämpfen", "gerne und aus Überzeugung". Kurz zeigte sich Lopatka verärgert, als Moderator Wolf ihn mehrmals arauf ansprach, warum vor ihm so viele andere ÖVP-Kandidaten gefragt wurden und ob diese abgesagt hätten, weil sie das historisch schlechteste Ergebnis bei einer EU-Wahl befürchtet hätten. "Herr Wolf, ich glaube, das interessiert unsere Zuseherinnen und Zuseher wenig", so Lopatka, er wolle vielmehr eine Fraktion schaffen, die alle Bürgerschichten und Berufsgruppen vertrete.
ÖVP für Krisen nicht verantwortlich, FPÖ wird zu "Führerpartei"
Sein Vorgänger Karas hatte noch kritisiert, Österreich sei in der EU "vom Motor zum Bremser" geworden. "Ist das alles falsch, was er sagt?", fragte Wolf nach. Österreich sei nicht Bremser, sondern Vorreiter gewesen, so Lopatka. Die EU habe völlig den Kurs gewechselt, was die illegale Migration betreffe – ÖVP-Forderungen nach einem besseren Außengrenzschutz seien jahrelang nicht umgesetzt worden, nun sei es aber passiert. "Wenn das System umgestellt wird, wird die Belastung für uns zurückgehen", weil die Migranten besser verteilt würden, so Lopatka zu den neuen EU-Plänen. Die ÖVP sei zwar bisher gegen Verteilquoten gewesen, "wenn das neue System funktioniert", wolle man aber umdenken.
Die Österreicher wiederum seien "übermäßig krisenbelastet" worden, so Lopatka, deswegen seien sie so EU-kritisch. Österreich habe "enorm" von der EU profitiert, "aber die Defizite haben in den letzten Jahren überwogen", so Lopatka. "Nicht wir sind hier verantwortlich", für die großen Krisen "kann man uns nicht verantwortlich machen", verteidigte sich Lopatka, nachdem ihm Wolf vorrechnte, dass es ja die ÖVP sei, die in den meisten EU-Gremien zahlenmäßig am größten vertreten und deshalb ja eigentlich für die schlechte Stimmung verantwortlich sei. Einen Frontalangriff ritt Lopatka schließlich
Dann ein Angriff auf die FPÖ: "Wir unterscheiden uns fundamental von der FPÖ", so Lopatka, ohne die EU löse man keine großen Klima- oder Wirtschaftsfragen als kleine Exportwirtschaft. Damit es keinen Wohlstandsverlust gebe, "brauchen wir eine starke Europäische Union". Die FPÖ dagegen werde zunehmend zu einer "Führerpartei" und Herbert Kickl spreche menschenverachtend von anderen Menschen.
Lopatka verteidigt die EU, will aber "Defizite" offen benennen
Die FPÖ könne zudem "nichts auf Europaebene umsetzen", attestierte Lopatka, die FPÖ sehe die EU "als Feindbild" und sei "der verlängerte Arm Putins". Deswegen könne die "Kickl-FPÖ" auch kein Partner der ÖVP sein, so Lopatka. Weil er glaube, dass Kickl nicht zur Seite treten werde, sehe der deswegen auch keine Koalitionsmöglichkeit mit der FPÖ – unter Herbert Kickl, wie der ÖVP-Mann betonte. Und wann werde nun in Österreich gewählt? "Jedes Wort, das ich zu dem Thema sage, verlängert die Diskussion um ein Gerücht", so Lopatka. Er konzentriere sich auf die EU-Wahl. Sein Ziel: Die ÖVP zur stärksten Kraft in der EU machen und die aktuelle Mandatszahl halten.
Es habe ihn nicht unvorbereitet getroffen, Europa sei ihm immer seit seinen Studententagen in den 80ern ein wichtiges Thema gewesen, mit dem er sich auf Reisen am Balkan oder in Polen näher beschäftigte, hatte Lopatka wiederum bei seiner Pressekonferenz erklärt. Nun steht am 9. Juni wieder eine "Richtungsentscheidung" an. Der Beitritt vor fast 30 Jahren habe Österreich "gut getan". Die Wirtschaftsleistung wurde seitdem verdoppelt, die Exporte verdreifacht, die Investitionen im Ausland verzehnfacht. Diesen Wohlstand gelte es, politisch abzusichern. "Ich sehe aber natürlich auch die Defizite der Europäischen Union. Und es gibt Defizite."
Die EU sieht Lopatka als ein "christdemokratisches Projekt"
Die EU müsse weniger, aber effizienter machen. Große Angelegenheiten wie Klimawandel und KI sind dort "gut aufgehoben". Lopatka will gegen Überregulierung kämpfen, sieht ein Defizit etwa bei illegaler Zuwanderung und Außengrenzschutz. Österreich habe hier bereits einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet und eine Trendumkehr eingeläutet. Es sei eine "Fehleinschätzung" gewesen, "dass wir das schaffen können", spielt er auf Angela Merkel an. Seine eigene, größte Fehleinschätzung war, dass er zu gutgläubig war, was unsere Nachbarn betrifft. So einen Krieg wie in der Ukraine habe er nicht mehr für möglich gehalten.
Die EU sieht er als "christdemokratisches Projekt", dessen Lebensmodell geschützt gehört. Sparsames Haushalten sei ihm ein weiterer wichtiger Punkt, damit die europäische Union zu keiner "Schuldenunion" wird. "Mir persönlich sehr weh getan" hat der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU. "Es gibt hier keinen Gewinner." Lopatka schließt mit einem Wahlaufruf an die Europäische Volkspartei. In 12 der 27 Mitgliedsstaaten stellt man den Regierungschef, für die Durchsetzung der Interessen sei das wichtig. Er werde für die Interessen Österreichs kämpfen und kann dabei bereits Verbündete aufweisen.