Ski-Revolution
ÖSV-Boss fordert Tempobremse bei Speed-Rennen
Die Verletztenliste im Ski-Weltcup ist lang und voller Stars. ÖSV-Boss Christian Scherer macht sich Sorgen und will Veränderungen im Skisport.
Der Verletzungsteufel lässt keinen kalt im Ski-Zirkus. "Wir stellen uns die Frage, ob es für Kinder noch gut ist, den Skisport auszuüben?", sagt ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer ganz offen bei einem Hintergrundgespräch in Wien.
Im ÖSV fällt mit Marco Schwarz der heimische Superstar mit einer schweren Knieverletzung für diese Saison aus. Mit Aleksander Aamodt Kilde, Alexis Pinturault oder Corinne Suter erwischte es in diesem Winter mehrere Stars. Zuletzt gab es bei den Damen-Rennen in Cortina mehr als ein Dutzend, zum Teil schwere Stürze.
Im heimischen Skiverband wird jeder einzelne Sturz analysiert. "War es ein Fahrfehler? War das Material Schuld? Warum die Häufigkeit der Stürze? Wir stellen uns diese Fragen – und wollen sie mit Experten beantworten", sagt Scherer.
"Klar ist, die Verletzungen schaden dem Skisport und seinem Image. Wir wissen auch, dass die Österreicher den Skisport lieben. Darum gehen wir die brennenden Zukunftsfragen an. Dazu zählt die Leistbarkeit und die Nachhaltigkeit des Skifahrens. Wir wollen keine Imagepolitur, sondern Lösungen um den Skisport zukunftsfit machen."
Speed-Bremse bei Rennen
Im ÖSV wird laut über Regeländerungen nachgedacht. "Wir müssen die Geschwindigkeiten in den Speedbewerben reduzieren", sagt Scherer. "Es gibt aber mehrere Ansätze: Das Tempo regulieren, andere Anzüge, eine schnittfeste Ski-Unterwäsche, die Ski-Präparierung."
Beim FIS-Kongress am 5. und 6. Februar will man diese Punkte vorbringen. Auch ÖSV-Vize Patrick Ortlieb soll bei FIS-Präsident Johan Eliasch vorsprechen. Scherer hatte vor Weihnachten und in Kitzbühel ein Treffen mit dem FIS-Präsidenten. Das Verhältnis bleibt schwierig. "Ich verspüre jetzt nicht das Bedürfnis, dass ich ihn anrufe."
Weniger Junge, die Profi werden wollen
Auch beim Thema Nachwuchs hat der ÖSV Sorgen. Scherer hält nichts vom Gerede, dass die junge Generation nichts mehr leisten will. "Es hat in jeder Generation welche gegeben, die mehr hackeln und andere, die den bequemen Weg gehen." Die Zahl der Starter bei Kinderrennen sei leicht rückläufig. "Der große Unterschied: Es gibt aber ganz klar weniger Junge, die täglich alles rausholen und tatsächlich Profi werden wollen."
Laut Scherer lässt sich das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, gibt es am Weg nach oben zwei neue Barrieren. "Erstens das Zeitmanagement der Familie und zweitens die Kostensituation. Das merkt man zum Beispiel auch bei weiterführenden Schulen wie Stams. Wir sind als ÖSV gezwungen, da Lösungen zu finden."
„Wir wünschen uns ÖSV-Läufer mit Migrationshintergrund“
"Wir wünschen uns ÖSV-Läufer mit Migrationshintergrund", denkt Scherer auch an neue Zielgruppen. "Es wäre gut, wenn viele Neo-Österreicher die Liebe zum Skisport entdecken."
Mit Slaven Dujakovic, Vize-Staatsmeister in der Abfahrt 2016, nannte Scherer ein Beispiel dafür. Seine Eltern stammen aus Bosnien-Herzegowina. Der Salzburger wollte als erster Österreicher mit Migrationshintergrund im Weltcup starten, beendete 2019 seine Karriere und sparte dann nicht mit Kritik am ÖSV. "Leider wurde ich im österreichischen Skisport nicht ganz akzeptiert. Der österreichische Skiverband hatte mir nie das Gefühl gegeben, dass sie mich im Skisport brauchen. Von den obersten Herren wurde es mir nie leicht gemacht. Ich brauche kein Mitleid oder Sonstiges. Es ist nur die Wahrheit, die ich nicht verstecken möchte."
Der ÖSV widersprach dem, Kaderrichtlinien seien meist deutlich nicht erbracht worden.
Klima-Taskforce mit "Rebell" Schütter
Der Debatte um den Klimawandel will der ÖSV mit einer Taskforce begegnen, die unter Einbindung von Wissenschaftlern bis zum Sommer ein Papier ausarbeiten soll. ÖSV-Abfahrer Julian Schütter, der als "Klima-Rebell" im Weltcup auftritt, soll dabei eine Rolle spielen. "Es hat vernünftige und plausible Ansichten", sagt Scherer.
In einem Punkt sieht Scherer das Klimaschutz- und Verkehrsministerium von Leonore Gewessler bereits jetzt gefordert. "Wir brauchen einen Ansprechpartner im Ministerium, um den Besuch von Ski-Events mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu koordinieren." Die Zersplitterung in neun Verkehrsverbände erschwere die bundesländerübergreifende Kooperation beim öffentlichen Verkehr massiv. "Das ist ein Canossagang für uns."