Letzte Debatte vor Wahl

"Null Wissen" – Asyl-Streit in ORF-Elefantenrunde

Am Sonntag wählt Österreich einen neuen Nationalrat. Am Donnerstag wollten die Spitzenkandidaten letzte Wähler überzeugen – dabei ging es hitzig her.

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    ORF-Elefantenrunde mit Karl Nehammer, Herbert Kickl, Andreas Babler, Werner Kogler und Beate Meinl-Reisinger.
    ORF-Elefantenrunde mit Karl Nehammer, Herbert Kickl, Andreas Babler, Werner Kogler und Beate Meinl-Reisinger.
    Sabine Hertel

    Nach dutzenden Einzel-Interviews, Radio-Gesprächen und Fernseh-Duellen kommt der TV-Wahlkampf am Donnerstag zu seinem absoluten Höhepunkt. Im ORF findet die große Elefantenrunde der Spitzenkandidaten zur Nationalratswahl statt.

    Drei Tage vor der Wahl und unmittelbar vor den offiziellen Wahlkampfabschlüssen wollen Karl Nehammer, Herbert Kickl, Andreas Babler, Werner Kogler und Beate Meinl-Reisinger noch einmal darlegen, warum man am Sonntag bei ihnen das Kreuzerl machen sollte. Susanne Schnabl und Alexandra Maritza Wachter führten durch die Diskussion.

    Sparkurs oder Steuerzuckerl?

    Es startete gleich mit einem der drängendsten Themen der nächsten Jahre: Die enormen Ausgaben der letzten Zeit müssen in den Griff bekommen werden. "Österreich muss sparen", sagte deswegen Karl Nehammer einleitend. Es brauche Wachstum und Effizienz, um das Budget zu stabilisieren und Investitionen nach Österreich zu holen. Für die Bevölkerung sollen Überstunden nicht besteuert werden; auch, damit sich länger arbeiten lohnt.

    Laut Herbert Kickl brauche es zuerst einen Kassensturz. Sky-Shield und die Ukraine-Unterstützung könne man sofort einsparen. Andreas Babler will einen Sparkurs hingegen mit Vermögens- und Erbschaftssteuern abwenden und die Profitsteuersenkung zurücknehmen. Diese Punkte der Programmfinanzierung seien logischerweise Koalitionsbedingung.

    Werner Kogler setzt naturgemäß auf einen grüneren Ansatz: Dieselprivileg abschaffen, Pendlerpauschale reformieren, generell bei umweltschädlichen Subventionen und Bauprojekten sparen. Statt Steuersenkungen zu versprechen, gehe es den Grünen um eine Umschichtung im System, beispielsweise hin zur Bezahlung in Branchen wie Pflege und Polizei.

    Einen ungewöhnlichen Ansatz wählte Beate Meinl-Reisinger, die sich einleitend für den bisher sehr anständigen Wahlkampf bedankte. Ihr Ass: Alle anderen Parteien haben bereits regiert und hätten Veränderungen bringen können, NEOS haben nun Energie und Zuversicht, tatsächlich Reformen auf den Weg zu bringen. Zentraler Punkt ist die Senkung der Lohnnebenkosten.

    Streit um Klimaschutz

    Anschließend diskutierten die Spitzenkandidaten über den Klimawandel, der aufgrund des dramatischen Hochwassers wieder an Bedeutung gewonnen hat. Der Kanzler bedankte sich bei allen Freiwilligen, die im Einsatz waren. "Der Klimawandel findet tatsächlich statt, allerdings ist Klima global und nicht national", betonte er. Österreich könne trotzdem seinen Beitrag leisten, etwa mit dem Export von erneuerbaren Energien. Dafür müsse das künftige Klimaministerium "objektiv und nicht dogmatisch" vorgehen, so seine Kritik an Ministerin Gewessler.

    Herbert Kickl hob Österreichs Anteil am weltweiten CO₂-Ausstoß (0,17 Prozent) hervor. Er forderte mehr Verhältnismäßigkeit, denn mit dem aktuellen Vorgehen beim Klimaschutz bestehe die Gefahr, mehr kaputtzumachen, als man gewinnen kann. Die FPÖ fordert, die Wende im Energiebereich über einen längeren Zeitraum zu erstrecken sowie auf neue Technologien zu setzen (Verbrenner inklusive).

    "Wir erleben Kipppunkte in Österreich, schauen wir auf die Gletscher, schauen wir auf die Hitzetage", erklärte Andreas Babler. Kickl und Nehammer hätten nach der Hochwasser-Katastrophe erkannt, dass es ein "Fehler" gewesen sei, von "Klimahysterie" gesprochen zu haben. "Wir müssen für Klimaschutzmaßnahmen Geld in die Hand nehmen", sagte der SP-Chef. In Richtung Meinl-Reisinger hagelte es Kritik: "Retro ist, zu glauben, dass der freie Markt alles regelt".

    Der NEOS-Konter kam prompt: "Wenn man inhaltlich nicht weiterkommt, versucht man es mit Polemik", sagte die pinke Parteichefin. Beim Klimaschutz hätten alle ihre Verantwortung, man müsse sich zu den vorgegebenen Zielen bekennen. Sie sieht darin allerdings eine Chance: Österreich sei ein hochinnovatives Land, "da kriegen wir was hin", so Meinl-Reisinger. Sie verwies z.B. auf das Klimaschutzgesetz in Wien, ein Vorhaben, das der Bund nicht geschafft hat.

    Werner Kogler kritisierte in dem Zusammenhang die Bundesländer, die Klimavorhaben blockieren würden – "das muss man bekämpfen", ärgerte er sich. In einer potenziellen grünen Regierungsbeteiligung will der Parteichef künftig auf Kompromisse setzen, etwa beim Thema Bauprojekte oder EU-Renaturierung.

    Asyl und Migration

    Beim Thema Asyl durfte Herbert Kickl den Anfang machen. Was er eigentlich möchte, ist, dass die EU "zur Besinnung kommt". Schon vor 2015 wurde ein falscher Kurs gewählt, der auf Kontrollverlust hinausläuft. Das mache sich in den allermeisten Lebenslagen negativ bemerkbar. "Wir reden von einem gigantischen Sicherheitsrisiko, weil wir uns die Islamisierung ins Land holen. Jetzt geht es darum: Wie schaffen wir die Trendumkehr?" Kickl beantwortete sich die Frage selbst mit der Antwort: eine Festung Europa. Es brauche keinen Migrationspakt, sondern einen Migrationsstopp.

    Der Kanzler-Konter: "Sie haben als Innenminister gar keine Maßnahme verlängert, der nach der Migrationskrise wichtig gewesen wäre." Kickl packe Reizworte in seine Aussagen rein, die plausibel klingen, aber Lösungen seien keine herauszuhören. "Was es braucht, ist ein tatsächlich robuster Außengrenzschutz"; so Nehammer. "Wir brauchen Asylverfahren in sicheren Drittstaaten und volle Sozialleistungen erst nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts." Dem gegenüberstehen sollen geordnete Wege in den Arbeitsmarkt.

    Andreas Babler hatte "gar keine Lust, da einzusteigen. Null Wissen, null Kompetenz", und das, obwohl beide mal Innenminister waren. Er will pragmatisch und unter Achtung der Menschenrechte die Asylantragszahlen reduzieren, indem man etwa darauf schaut, dass andere Länder ihre Ankömmlinge nicht durchwinken. Asylwerber hierzulande sollen möglichst schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden und Deutsch lernen.

    NEOS haben beim Thema Asyl und Integration "etwas umgedacht", gesteht Meinl-Reisinger. Man könne nicht mehr einfach zusehen, wenn etwa Kinder aus dem Kindergarten kommen und dann als außerordentliche Schüler geführt werden müssen, weil die dem Unterricht nicht folgen können. Dem pflichtet Werner Kogler bei und bringt ein zweites Pflicht-Jahr im Kindergarten ins Spiel. "Es müssen sich alle an die Regeln und das Gesetz halten, die herkommen."

    Verteidigung und Neutralität

    "Die Neutralität in dieser Form hat sich verändert", erklärte Meinl-Reisinger ihr Verständnis, gegen einen NATO-Beitritt ist sie aber trotzdem. Europa müsse sich souverän und autonom um die eigenen Angelegenheiten kümmern. Wegen Aggressoren wie Putin müsse man leider wieder wehrhaft sein – und das gehe nur als Europa.

    Für Kickl ist die Neutralität hingegen ein "Zukunftsmodell". Das Zusammenschließen zu Bündnissen führe dazu, dass regionale Konflikte zu einem Flächenbrand werden. Sowohl Nehammer als auch Babler bekennen sich ebenfalls zur Neutralität. Während Ersterer Sky Shield als notwendig verteidigt, sieht Babler hier noch offene Fragen bei den befürchteten Aktivitäten anderer Mitglieder in Österreich.

    Bei Werner Kogler gab es ein Umdenken. "Wir müssen unseren Luftraum schützen", auch die Terrorabwehr sei hier ein wichtiger Punkt. In der Frage der Parteiergreifung und des Eingreifens in den Ukraine-Krieg eskalierte es schließlich zwischen Kogler und Kickl etwas: "Wenn in Ihrem Vorgarten gemordet und vergewaltigt wird, bleiben Sie dann hinter der Hecke sitzen und rufen 'Ich bin neutral', Herr Kickl?"

    Die K-Frage

    Wer koaliert, wer wird Kanzler? Am nächsten liegen Nehammer und Kickl zusammen, wobei der amtierende Regierungs-Chef den FPÖ-Obmann immer noch ausschließt. Die Frage, was nach der Wahl passiert, sei jetzt aber noch zu früh gestellt. Mit ihm werde es jedenfalls keine Regierung mit Herbert Kickl geben – ein Versprechen, das er auch halten wird. Der Angesprochene ortet eine "Verschwörung gegen die eigene Bevölkerung", wenn nicht der Erste den Regierungsbildungsauftrag bekäme.

    Babler vermisst bei seinem einzig möglichen Koalitionspartner, der ÖVP, aktuell Haltung und wirft ihr vor, sich mitschuldig gemacht zu haben, als man die FPÖ in die Regierung holte. Meinl-Reisingers Koalitionswunsch beinhaltet natürlich die NEOS, denn die Alternativen wären Ibiza 2.0 oder Stillstand unter Schwarz-Rot. Die Koalitionsbedingungen von Werner Kogler: Leonore Gewessler wird Teil des Teams sein, keine Streichung von Klimaschutzmaßnahmen.

    Die Abschlussfrage: Welche eine Eigenschaft macht Sie aus, dieses Land zu regieren?

    • Kogler: Immer weiterkämpfen
    • Babler: Keine Abgehobenheit
    • Nehammer: Verantwortungsbewusstsein
    • Kickl: Demut
    • Meinl-Reisinger: Zuversicht
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      Andreas Babler (SPÖ), Fische: "Ein Saturn-Aspekt am Wahltag und in den Tagen danach, unterminiert die Position von Herrn Babler. Es gibt erhebliche Erschwernisse im Fortgang der Arbeit. Die Konstellationen gehen Richtung 'Beginn einer neuen Lebensperiode' mit einer beruflichen Veränderung in diesem Herbst."
      Andreas Babler (SPÖ), Fische: "Ein Saturn-Aspekt am Wahltag und in den Tagen danach, unterminiert die Position von Herrn Babler. Es gibt erhebliche Erschwernisse im Fortgang der Arbeit. Die Konstellationen gehen Richtung 'Beginn einer neuen Lebensperiode' mit einer beruflichen Veränderung in diesem Herbst."
      Helmut Graf
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        <strong>21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert</strong>. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. <a data-li-document-ref="120073491" href="https://www.heute.at/s/fuer-490-euro-voellig-ungeniessbares-schulessen-serviert-120073491">"Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.</a>
        21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. "Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.
        privat, iStock

        Auf den Punkt gebracht

        • In der ORF-Elefantenrunde zur Nationalratswahl diskutierten die Spitzenkandidaten über zentrale Themen wie Sparmaßnahmen, Klimaschutz und Asylpolitik
        • Während Karl Nehammer und Herbert Kickl auf strikte Spar- und Migrationsmaßnahmen setzten, plädierten Andreas Babler und Werner Kogler für sozialere und umweltfreundlichere Ansätze, und Beate Meinl-Reisinger betonte die Notwendigkeit von Reformen und Innovationen
        leo, nico
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