Coronavirus
"Null Argumente" für die Lockdown-Lockerungen
Die Coronazahlen werden wieder ansteigen und in manchen Bezirken sei es in Hinsicht auf die Mutation vielleicht "zu spät", so Österreich Top-Virologe.
Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist Experte für die südafrikanische Mutation des Coronavirus. Am Dienstagabend in der ORF-"ZiB 2" bei Moderator Armin Wolf bezeichnete er die Abschottung Tirols als "zu spät", aber als einen "richtigen Schritt". Man müsste jetzt noch nachschärfen und regionale Maßnahmen umsetzen, insgesamt hätte alles "deutlich schneller" entschieden werden sollen.
Grundsätzlich gebe es "Licht und Schatten", die Tiroler seien beim Contact Tracing gut aufgestellt und hätten dies unter Kontrolle, trotzdem würden einzelne Personen dem Netz entwischen, das engmaschiger werden müsste. "Die Frage, ob es nicht eh schon zu spät ist, muss man auch stellen dürfen", so Bergthaler zu einer möglichen regionalen Verschärfung der Maßnahmen für besonders von der südafrikanischen Mutation betroffene Bezirke.
"Epidemiologische Sackgassen"
Die "Südafrika"-Einzelfälle in Wien seien alle Reise-basiert und "wahrscheinlich epidemiologische Sackgassen", der Fall in einer Kaserne in der Steiermark sei wiederum ein gutes Beispiel, wie Contact Tracing richtig funktioniere, so Bergthaler. In der Kommunikation hätte Tirol den Schritt nach vorne wagen und transparent agieren sollen, sagt der Experte zu der Tiroler Vorgangsweise bei den Mutationen. Ob die Mutation insgesamt weit in Europa verbreitet sei oder ein Tiroler Problem, das lasse sich derzeit schwer sagen, weil viele Länder erst zu sequenzieren beginnen würden.
Wissenschaftlich gesehen wisse man tatsächlich nicht, warum gerade in Südafrika die mutierten Virusfälle zurückgehen würden, ein Faktor sei der Sommer dort. Mit einer erhöhten Infektiösität von 30 bis 70 Prozent müsse man aber damit rechnen, dass dort wo mutierte Fälle auftreten, auch die absoluten Corona-Zahlen steigen werden. Auch Bergthaler weist dabei darauf hin, dass der Impfstoff von Astrazenaca eine weitaus geringere Wirkung bei der südafrikanischen Variante zeige, weswegen ein sofortiges Reagieren beim Auftreten von Mutationen notwendig sei.
"Null Argumente"
Für Lockerungen des Locksdowns – wie mit der Geschäfts- und Dienstleistungs-Öffnung in dieser Woche in Österreich geschehen – gebe es "null Argumente" aus virologischer Sicht, so Bergthaler, man müsse aber "die virologische Brille" auch einmal absetzen und die Bevölkerung abholen, damit sie wieder bei Maßnahmen mitmache. Die Öffnungen des Lockdowns in Österreich sieht aber auch er kritisch, denn wie Kollegen geht auch er davon aus, dass die Coronazahlen in Österreich demnächst wieder massiv steigen werden.