Folgen der Rezession
"Noch nie beim AMS" – Familienbetrieb jetzt pleite
Nach fast 90 Jahren muss Traditionsunternehmen TOBBY Insolvenz anmelden. Für die Betroffenen bricht damit eine ungewisse Zukunft an.
Es ist einer der ersten Tage im neuen Jahr. Michael Supperer wirkt gefasst, seine Stimme ist ruhig: "Was kann ich dazu sagen? Wir machen das in dritter Generation. Da fällt es nicht leicht, aufzuhören, niemandem von uns." Vielleicht am wenigsten seiner Frau, Christina Supperer, die mit dem Familienbetrieb aufwuchs und seit 22 Jahren die Geschäfte führt.
Traurige Weihnachten
Vor Weihnachten habe man den Mitarbeitern noch gesagt, dass alle ihr Geld bekommen. "Uns allen tut es sehr leid, mir und allen Mitarbeitern. Wir alle haben das gerne und lange Jahre gemacht", sagt Supperer, der die Tochter des vormaligen Geschäftsführers von TOBBY heiratete und ebenfalls lange Jahre im Betrieb mitgearbeitet hat. Die Großeltern von Geschäftsführerin Christina Supperer hatten das Unternehmen 1936 in Wien gegründet. Zusätzlich wurde ab 2002 auch im niederösterreichischen Horn produziert.
Nun musste Anfang Jänner am Handelsgericht Wien ein Konkursverfahren eröffnet werden – nach fast 90 Jahren, in denen die TOBBY Band- und Flechtwarengesellschaft m.b.H. hochwertige Schuhbänder, Gürtel und Hosenträger hergestellt und weltweit vertrieben hat.
Hoffnung, dass nach Covid alles besser wird
"Wir hatten die Hoffnung, dass nach der Pandemie alles besser wird." Diese Hoffnung wurde herb enttäuscht als, in Folge des russischen Angriffskrieges, auch noch die Energiepreise hochschnellten. Bald darauf musste auch ein langjähriger Rohgarn-Lieferant Insolvenz anmelden. Und der Ersatzlieferant konnte nicht die gewohnte Qualität liefern. Stück für Stück sei der Umsatz eingebrochen.
Schock: 17-facher Strompreis
Eines Tages, im Herbst 2022, öffnet Supperer einen Brief von der EVN. Das Energieunternehmen erklärt darin, dass sich der Arbeitspreis für Strom von ursprünglich 4,9 Cent auf 88 Cent erhöhen würde. Bei einem Verbrauch von 50.000 kWh pro war das für den Familienbetrieb wie ein wirtschaftliches "Todesurteil", sagt Supperer.
Er beschließt, den Stromvertrag mit Ablauf der Frist zu kündigen. Was Supperer nicht wusste: Die EVN behielt sich das Recht vor, jederzeit selbst zu kündigen. Und genau das tat sie auch – fristlos, als Reaktion auf die Bitte, bei Fristablauf des Vertrages diesen zu beenden.
„Die Energiekonzerne haben sich eine goldene Nase verdient“
"Wir hatten Angst, plötzlich ohne Strom dazustehen", sagt Supperer. Alles wäre stillgestanden. Das sei so wie gleich den Betrieb zuzusperren. Die EVN habe sich einfach die letzten zwei Monate günstigen Strom vor Vertragsende sparen wollen. "Eine Frechheit", findet Supperer: "Die Energiekosten bringen uns um, während die Energiekonzerne Rekordgewinne machen."
Die TOBBY GmbH konnte schließlich noch ihren Energielieferanten wechseln und auch die EVN lenkte nach Verhandlungen ein. Der Zynismus in Supperers Stimme ist aber nicht überhörbar: "So wurde es dann halt nur ein 7-facher Strompreis." Das waren keine guten Aussichten. Auch insgesamt habe man im Familienunternehmen keine Hoffnung auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage gehabt: "Genauso gut könnten wir Lotto spielen."
Billigware wurde Standard
Mittlerweile sei China die Werkbank der Welt geworden. Man habe lange versucht, dagegenzuhalten. "Onlinegiganten haben alles übernommen und liefern frei Haus", erzählt Supperer.
Er rechnet vor, wie alleine die Gebühren für eine einzige Postsendung den Preis seiner Schuhbänder übersteigt: "Billig schlägt dabei Qualität." Wegwerfware gäbe es zum selben Preis in der Großpackung, das sei die traurige Wahrheit. Ein Schuhband, das hält, kaufe man nur einmal.
Noch nie beim AMS gewesen
Nun läuft das Insolvenzverfahren, die Frist zur Forderungsanmeldung endet am 19. Februar 2025. Von der Insolvenz sind 23 Gläubiger und 7 Mitarbeiter betroffen, mit Forderungen in Höhe von etwa 50.000 Euro, schrieb zuletzt der Alpenländische Kreditorenverband.
Was das aber für die einzelnen Menschen bedeutet, ist schwer zu ermessen. Die Stimmung unter den Mitarbeitern sei nicht gut. Sie stehen vor einer ungewissen Zukunft.
„Wir haben für unseren Betrieb gelebt“
"Niemand von uns, weder unsere Angestellten noch wir selbst, war jemals beim AMS", sagt Supperer. "Uns wird vermutlich nichts mehr helfen, aber vielleicht kommt es irgendwann zu einem Gedankenruck in der Gesellschaft."
Derzeit im Fokus der Userinnen und User von Heute.at im Ressort "Österreich" ist die aktuell meistgelesene Story "". Ist dir etwas aufgefallen oder hast du einen Input für uns, dann schreib uns ein Mail.
Auf den Punkt gebracht
- Nach fast 90 Jahren musste das Traditionsunternehmen TOBBY Insolvenz anmelden. Die Gründe für die Pleite sind vielfältig: steigende Energiepreise, der Konkurs eines langjährigen Rohgarn-Lieferanten und der zunehmende Druck durch Billigware aus China.
- Die Familie Supperer, die das Unternehmen in dritter Generation führte, ist tief betroffen, ebenso wie die 7 Mitarbeiter, die nun vor einer ungewissen Zukunft stehen.