Politik
Doskozil an SPÖ-Spitze? "Mitglieder sollen entscheiden"
Alt-Landeshauptmann Hans Niessl spricht sich für eine Mitgliederbefragung über den SPÖ-Spitzenkandidaten aus. Hans Peter Doskozil traut er den Job zu.
Knalleffekt in der seit Jahren schwelende Debatte um den SPÖ-Spitzenkandidaten für die nächste Nationalratswahl. Im Talk bei "Heute Backstage" (in voller Länge am Artikelende) spricht sich Alt-Landeshauptmann Hans Niessl (70) offen für eine Mitgliederbefragung aus. Der ehemalige Burgenland-Chef sagt: "Ich bin der Meinung, dass man sich das Beispiel aus Deutschland anschauen und es so wie SPD und CDU machen sollte: Da hat man den jeweiligen Spitzenkandidaten durch die Parteimitglieder bestimmt. Der Weg sollte auch in Österreich gegangen werden. Nämlich die Mitglieder zu befragen, wer Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat sein sollte. Ein erfolgreicher, zeitgemäßer und sehr demokratischer Weg."
Video: Niessl kann sich Doskozil an SP-Spitze vorstellen
"Umfragen auf Landesebene positiv"
Das Potenzial der SPÖ sieht Niessl "durch die aktuelle politische Situation" bei "über 30 Prozent". Die Herausforderung sei nun, "dieses Potenzial in entsprechender Form abzurufen". Schaffbar? "Wenn ich mir die Umfragen in einzelnen Bundesländern – etwa Wien, Burgenland oder Kärnten – ansehe, so sind sie hervorragend."
Conclusio: "Auf Landesebene sind die Umfragen sehr, sehr positiv, auf Bundesebene stagnieren sie. Hier muss man sich entsprechende Strategien überlegen."
Die drängendsten Fragen für Hans Niessl zur Zeit: "Wie steht man zur Neutralität? Da muss man klar Position beziehen. Oder: Wie geht man mit der Sicherheit in Österreich in Zukunft um? Das kann kein Thema sein, das man ignoriert. Es wird notwendig sein, das Budget für das Bundesheer aufzustocken. Wie geht man mit der Inflation um? Wie geht man damit um, dass den Menschen immer weniger Geld in der Tasche bleibt? Da muss man glaubwürdige Antworten geben und Konzepte vorlegen."
"Doskozil hat sehr große Fähigkeiten"
Ob er dies der aktuellen Vorsitzenden, Pamela Rendi-Wagner, zutraut? Niessl weicht elegant aus: "Ich traue der Sozialdemokratie immer sehr viel zu. In den Bundesländern wird sehr gute Arbeit geleistet." Und Hans Peter Doskozil? "Die Mitglieder sollten entscheiden."
Nachsatz: "Ich traue Hans Peter Doskozil in der SPÖ natürlich zu, dass er nicht nur ein sehr guter Landeshauptmann fürs Burgenland ist."
"Denn", so Niessl, "er war ja auch in der Bundespolitik tätig und ist ein sehr erfolgreicher Verteidigungsminister gewesen. Aber er hat gesagt, er will im Burgenland bleiben. Dass er sehr große Fähigkeiten in der Politik hat, ist unumstritten." Wichtiger als die personelle Debatte erachtet der langjährige Landeshauptmann die inhaltliche Debatte: "Die SPÖ darf sich nicht drücken."
"SPÖ muss Antworten finden"
Die wichtigen Themen seien immer von der Sozialdemokratie zu behandeln, betont er. "Die SPÖ muss auf die Fragen, die die Menschen beschäftigen, Antworten finden – ganz gleich zu welchen Fragen. Eine Partei, die den Führungsanspruch stellt und sich zu wichtigen Themen nicht deklarieren will, wird auch nicht im Wählerverhalten entsprechend honoriert werden."
Die von ihm angesprochene Neutralität hält er für "zeitgemäß": "Wir sollten militärisch neutral bleiben." Völkerrechtsverletzungen und Kriege seien aber selbstverständlich zu verurteilen. "Die Werte sind in entsprechender Form zu verteidigen und humanitäre Hilfe ist in großem Ausmaß zu gewähren."
"Selbstverständlich" Kriegsflüchtlinge aufnehmen
Niessl, der 2015 als erster Sozialdemokrat auf Landesebene den rot-blauen Tabubruch wagte, spricht sich aber für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus: "Das ist eine Selbstverständlichkeit, schließlich ist Nachbarschaftshilfe eine gute Tradition in Österreich – und wenn ich das so sagen darf – auch im Burgenland. Jenen, die flüchten, ist entsprechende Betreuung in Österreich zu ermöglichen."
Der türkis-grünen Regierung traut Niessl nicht mehr allzu viel zu und rechnet mit Neuwahlen nach Corona- und Ukraine-Krise. Er sagt: "Ich habe den Eindruck, dass auch das Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern nicht mehr gegeben ist. Österreich bräuchte eine stabile Regierung. Es hat jedoch schon 13 Wechsel von Regierungsmitgliedern gegeben."