Salzburg
"Nie damit gerechnet" – Ort von Mure voll getroffen
Die Ortschaft Rettenbach in Mittersill wurde von einer Mure voll getroffen. Doch es gibt auch gute Nachrichten, die den Betroffenen Mut machen.
Verkehrtechnisch äußerst praktisch gelegen ist Mittersill im Salzburger Pinzgau. Die Stadt liegt am Knotenpunkt mehrerer Hauptverkehrsadern. Die Pass-Thun-Straße nach Kitzbühel wurde in der Nacht auf Freitag von einem heftigen Unwetter schwer getroffen. Sie wurde an mehreren Stellen durch Muren verlegt, war nicht passierbar. Die Verbindung konnte mittlerweile in Zusammenarbeit der Straßenmeisterei Pinzgau und der Einsatzkräfte wieder hergestellt werden.
Unwetter verwüstet Mittersill: "Kann man sich nicht vorstellen" >>
Mittersill ist vielen bereits wegen anderen Vorkommnissen bekannt. Die Zugstrecke wurde ab hier im weiteren Verlauf schon 2005 nach einem Hochwasser unbefahrbar und musste fünf Jahre lang mühsam wieder aufgebaut werden. 2021 kam es abermals zu schweren Unwetterschäden, wobei der Bahnhof Krimml etwa ein Meter tief von einer Geröll-Lawine verschüttet wurde. Seitdem kann die Pinzgauer Lokalbahn auf diesem großen Teilstück nicht mehr fahren.
Familie entging Katastrophe haarscharf
Am schwersten vom aktuellen Unwetter betroffen ist der Mittersiller Ortsteil Rettenbach. Dort mussten noch in der Nacht vier Personen mittels Drehleiter durch die Feuerwehr aus dem Haus gerettet werden, die Familie hatte sich ins oberste Stockwerk vor den Wassermassen gerettet. Die Eltern und ihre Kinder kamen bei Verwandten unter und dürfen vorerst nicht in das Haus zurück. Weitere 25 bis 30 Personen mussten in den Häusern ausharren, da der Zugang nicht möglich war.
Das Unwetter hat außerdem die Trinkwasserversorgung zerstört. Die Straßen in den Ortsteil bleiben für den allgemeinen Verkehr gesperrt.
Gebhard Neumayr ist Leiter der Wildbach- und Lawinenverbauung Pinzgau und hat die Region per Hubschrauber erkundet. "Die Menschen im Ortsteil Rettenbach hatten riesiges Glück, dass nicht mehr passiert ist. Der Graben hat ein riesiges Einzugsgebiet und ist komplett unverbaut", so Neumayr.
"Damit hätte nie jemand gerechnet"
Was sich nun zeigt, ist eine Welle der Solidarität und Unterstützung bei den betroffenen Familien. Unzählige Freiwillige, Bekannte, Nachbarn oder auch völlig Fremde helfen, wo sie nur können: Straßen frei räumen, Keller abpumpen und zerstörten Hausrat wegbringen. Dort, wo zum Beispiel einst die Wiese vor dem Haus der Familie Bachmayer war, liegen jetzt Tonnen an Schotter. Diese Mure hat in der Nacht auch Autos und alles andere, was sich ihr in den Weg gestellt hat, überrollt und zerstört.
"Dass der Bach neben unserem Haus nicht zu unterschätzen ist, haben wir gewusst. Aber, dass es so schlimm kommen kann, damit hätte nie jemand gerechnet", schildert Ferdinand Bachmayer. Sein Haus wurde von der Schottermure und den Wassermassen direkt getroffen, hat den Keller angefüllt und viel Hab und Gut seiner Familie, auch der Tochter, zerstört. "Ich bin momentan einfach nur so unendlich dankbar, dass die Feuerwehr noch in der Nacht so schnell da war und dass, die Gemeinde und alle Mittersiller so anpacken – ohne, dass man überhaupt darum bitten muss", fügt Bachmayer hinzu.
Für den Bürgermeister von Mittersill, Wolfgang Viertler, ist angesichts der vielen Freiwilligen "Stolz" der falsche Ausdruck: "Es ist viel mehr so etwas wie Genugtuung und ein Ausgleich zum Schaden. Mittersill hat leider eine Tradition, was Katastropheneinsätze betrifft. Im Einsatz ist das ein Vorteil, weil man geübt ist. Wenn man es aber ertragen muss, ist es einfach nur schlimm. Daher schweißt uns diese Erfahrung wieder einmal zusammen und man hilft sich gegenseitig". Eine der Helferinnen ist Cornelia Berger: "Wenn Nachbarn Hilfe brauchen, dann heißt es zusammen halten."
Keine Entwarnung
Für ein Objekt in Rettenbach besteht derzeit Betretungsverbot, die Bewohner wurden gestern daraus evakuiert. "Jetzt steht das Aufräumen und das Herstellen der Infrastruktur im Vordergrund: Straße, Strom, Trinkwasser", so Katastrophenschutzreferent Manfred Höger. "Es wird sicherlich einige Tage dauern bis das wiederhergestellt ist und bis zum Beispiel der Bach oder die Felder auch aufgeräumt sind." Für die betroffenen Menschen vor Ort steht auch das Kriseninterventions-Team des Roten Kreuzes bereit.
Die Meteorologen von GeoSphere Austria können für heute noch keine umfängliche Entwarnung geben. "Es sind auch heute am Freitag wieder lokale Gewitter möglich, stabiler wird es aus heutiger Sicht erst ab Samstag", so Meteorologin Liliane Hofer.