Austrian Fashion Awards
"Neue Wege zum Erfolg" – die Modewelt im Wandel
Die Austrian Fashion Association fördert seit zehn Jahren unermüdlich heimische Modelabels. Ein Interview mit Gründerin Camille Boyer.
Seit zehn Jahren steht die Austrian Fashion Association hinter jungen Modetalenten aus Österreich und lädt als Partnerin der Stadt Wien und des Bundes zu den Austrian Fashion Awards. Die jährliche Preisverleihung wurde in der vergangenen Dekade einer der bedeutendsten Veranstaltung für aufstrebende Modedesignerinnen und Modedesigner in Österreich.
Modegrößen, wie Arthur Arbesser, Christoph Rumpf, Florentina Leitner, Wendy Jim oder Jana Wieland führen nicht zuletzt aufgrund der ihnen zugesprochenen Förderungen inzwischen relevante Modeunternehmen.
Bestehend aus dem outstanding artist award für experimentelles Modedesign des BMKÖS und dem Modepreis der Stadt Wien zählen die offiziellen österreichischen Modepreise mit einer Gesamtdotation von insgesamt bis zu EUR 20.000,- zu den und höchstdotierten Design-Auszeichnungen in Österreich.
Das sind Österreichs herausragende Mode-Talente
Komplexität Mode
"Heute" traf Camille Boyer, Co-Gründerin und Leiterin der Austrian Fashion Association, zum Interview über Mode in Österreich, deren Wirkungsbrandbreite und die Herausforderung junge Talente zu fördern.
Seit mittlerweile zehn Jahren holt die AFA außergewöhnliche Modetalente aus Österreich in Rampenlicht. Welches Ziel wird dabei verfolgt?
Camille Boyer: Österreich hat eine lebendige und kreative Modeszene, doch vielen Designerinnen und Designern fehlen die Mittel und die Sichtbarkeit, um sich national und international zu behaupten. Wir verstehen Mode auch als Kulturgut und setzen uns für eine künstlerische, experimentelle und verantwortungsvolle Modedesignpraxis ein. Mit maßgeschneiderten Professionalisierungsprogrammen sowie umfangreichen finanziellen Förderungen unterstützen wir dabei, eine künstlerische und diskursive Praxis zu entwickeln, um nachhaltig auf hohem Niveau bestehen zu können. Unser Ziel ist es, eine lebendige und vielfältige Modeszene zu fördern, die nicht nur Designerinnen und Designer in den Mittelpunkt stellt, sondern das gesamte Ökosystem der Mode berücksichtigt: Das reicht von Fotografen und Stylisten bis hin zu Künstlern und Performern.
„Unser Ziel ist es, eine lebendige und vielfältige Modeszene zu fördern.“
Hat sich die österreichische Modewelt über die Zeit verändert?
Die österreichische Modewelt hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Österreichische Designer und Labels haben zunehmend internationale Anerkennung gefunden und sich auf globalen Märkten etabliert. Es gibt einen wachsenden Fokus auf nachhaltige und ethische Modeproduktion – ohne dabei den künstlerischen Part zu vernachlässigen – was die Branche grundlegend verändert hat. Für junge Modedesigner ist es heute ganz selbstverständlich, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung von Anfang an mitzudenken. Ein weiterer Aspekt ist die Rückbesinnung auf traditionelle Handwerkskunst, die mithilfe zeitgenössischer Mode in die Gegenwart und Zukunft transportiert wird.
Inwiefern hatte hier die Pandemie einen Einfluss?
Die Modewelt befindet sich in einem stetigen Wandel, der sich in den letzten Jahren noch beschleunigt hat. Als wir unsere Arbeit begannen, dominierte ein einziges Geschäftsmodell – der internationale B2B-Handel. Doch Pandemie, globale Krisen und technologische Entwicklungen haben eine Vielzahl neuer, relevanter Modelle hervorgebracht. Diese Vielfalt bereichert die Branche und eröffnet Designern neue Wege zum Erfolg. Parallel dazu hat sich das Berufsbild Modedesigner in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Die Rolle umfasst heute ein wesentlich breiteres Spektrum an Aufgaben und Definitionen. Die rasante Entwicklung der digitalen Sphäre – von der gezielten Nutzung sozialer Medien über Augmented und Virtual Reality bis hin zum Einsatz künstlicher Intelligenz – hat das kreative Schaffen revolutioniert. Designer müssen heute nicht nur Mode kreieren, sondern auch digitale Künstler, Markenstrategen und Innovatoren an der Schnittstelle zwischen Technologie und Kreativität sein.
Wo fängt damit Mode an und - noch viel wichtiger - wo hört sie auf?
Mode beginnt und endet an vielen verschiedenen Punkten gleichzeitig, was ihre faszinierende Komplexität ausmacht. Sie ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, unserer Werte und unserer Träume, die sich ständig weiterentwickeln und neu definieren. Die Grenzen der Mode werden kontinuierlich herausgefordert und neu gezogen, was sie zu einem so dynamischen und faszinierenden Feld macht.
Wie viel Einfluss hat Mode heute noch?
Mode ist zu einem facettenreichen Phänomen geworden, das sich in viele andere kreative Bereiche und Praktiken verzweigt. Ihr Einfluss erstreckt sich auf Kunst, Design, Musik, Gastronomie, während sie gleichzeitig von diesen Disziplinen inspiriert und transformiert wird. Darüber hinaus besitzt Mode eine außerordentliche, oft unterschätzte Kraft: politische Macht. Denken wir an die Rolle des Schleiers in den iranischen Protestbewegungen, die ikonische Bedeutung der palästinensischen Kufiya oder die identitätsstiftende Wirkung der ukrainischen Wyschywanka. Kleidungsstücke können zu Symbolen des Widerstands, der Solidarität und des kulturellen Stolzes werden. Sie vermögen es, komplexe politische Botschaften nonverbal zu kommunizieren und Menschen über Grenzen hinweg zu vereinen.
„Mode ist ein Spiegel unserer Zeit und zugleich ein Werkzeug, um Veränderungen anzustoßen und sichtbar zu machen.“
In diesem Sinne verstehen wir Mode als eine universelle Sprache, die nicht nur ästhetische Trends setzt, sondern auch gesellschaftliche Diskurse prägt und mitunter sogar Revolutionen begleiten kann. Sie ist ein Spiegel unserer Zeit und zugleich ein Werkzeug, um Veränderungen anzustoßen und sichtbar zu machen.
Gibt es nach zehn Jahren überhaupt noch neue Talente zu entdecken?
Absolut, es gibt ständig neue Mode-Talente zu entdecken. Allerdings liegt die Herausforderung liegt oft nicht so sehr darin, neue Talente zu finden, sondern sie zu fördern, zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich in einer wettbewerbsintensiven Branche zu etablieren. Die Modewelt ist ständig auf der Suche nach dem Neuen und Aufregenden, was bedeutet, dass es immer Raum für frische Talente geben wird, die die Branche mit ihren einzigartigen Visionen und Innovationen bereichern.
Wie heben sich die österreichischen Modeschöpfenden von der internationalen Szene ab?
Die Modedesigner, die wir fördern, arbeiten auf internationalem Niveau und haben oft auch Erfahrung in anderen Ländern gesammelt. Mode ist eine internationale Sprache und ein globales Business, weshalb es schwierig ist, zeitgenössisches Modedesign geografisch zu verorten. Trotzdem findet man bei einigen Labels Merkmale, die vielleicht Österreich-spezifisch erscheinen. Das kann zum Beispiel ein Fokus auf handwerkliche Tradition wie bei Schuhdesigner Matthias Winkler sein oder die Weiterentwicklung traditioneller Kleidungsstücke, wie man bei Olivia Lottersberger oder Florentina Leitner beobachten kann, um nur einige wenige zu nennen. Sie bieten eine interessante Mischung aus Tradition und Innovation, lokaler Verwurzelung und globaler Perspektive, die sie von der breiten internationalen Szene abhebt.
Wie hat sich die Mode entwickelt? Zuletzt schien es sich nur noch um Wiederholungen zu handeln - oder ist das falsch?
Zwar kehren viele Trends aus vergangenen Jahrzehnten wieder, es gibt dennoch bedeutende Neuerungen und Veänderungen. Neue Materialien und Produktionstechniken haben die Möglichkeiten in Design und Funktionalität erweitert, ein wachsender Fokus auf umweltfreundliche und ethische Produktion hat die Branche grundlegend verändert. Mode greift zwar Elemente aus der Vergangenheit auf, setzt diese aber in einen neuen Kontext und verbindet sie mit zeitgenössischen Innovationen und Werten. Die wahre Entwicklung liegt oft in den Nuancen: wie Stile kombiniert werden, welche Materialien verwendet werden und welche Werte hinter den Kreationen stehen. Mode ist heute mehr denn je ein Spiegel unserer sich schnell verändernden Gesellschaft und Technologie.
Noch immer heißt es, dass man Österreich verlassen muss, um erfolgreich zu sein - insbesondere in der Mode. Sehen Sie das genauso?
Diese Frage lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Durch Globalisierung und Digitalisierung hat sich die Situation in den letzten Jahren durchaus verändert, aber es gibt nach wie vor Herausforderungen für österreichische Modedesigner. Der österreichische Markt ist relativ klein, was Vor- und Nachteile hat. Modemetropolen bieten oft mehr Vernetzungsmöglichkeiten und Sichtbarkeit, dafür haben wir hier eine engere Vernetzung und hervorragende Ausbildungsstätten und Fördermöglichkeiten. Labels wie Published By, Petar Petrov, Mühlbauer oder Wendy Jim beweisen, dass man auch von Österreich aus sehr erfolgreich international agieren kann, wenn man seine eigene spezifische Nische gefunden hat.
Auf den Punkt gebracht
- Die Austrian Fashion Association (AFA) fördert seit zehn Jahren österreichische Modetalente und verleiht jährlich die Austrian Fashion Awards, um die heimische Modeszene zu unterstützen
- Gründerin Camille Boyer betont die Bedeutung von Nachhaltigkeit, traditioneller Handwerkskunst und die Herausforderungen der Pandemie, die neue Geschäftsmodelle und eine breitere Aufgabenpalette für Designer hervorgebracht haben