Schreckliche Kriegjahre

Tausende Mieter aus Gemeindebau in Wien vertrieben

Eine Studie von Wiener Wohnen und dem DÖW beleuchtet, wie Tausende jüdische Mieter systematisch aus den Wiener Gemeindebauten vertrieben wurden.
Wien Heute
06.04.2025, 15:06

Zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs legt Wiener Wohnen gemeinsam mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) die Ergebnisse einer tiefgreifenden historischen Studie vor. Sie zeigt schonungslos, wie systematisch Jüdinnen und Juden sowie politisch Verfolgte aus den Wiener Gemeindebauten verdrängt wurden.

"Mit Beschluss vom 14. Juni 1938 wurden Tausende jüdische Mieterinnen und Mieter systematisch aus ihren Gemeindewohnungen vertrieben", erklärt Karin Ramser, Direktorin von Wiener Wohnen. Diese Zwangsmaßnahmen waren nicht Randerscheinung, sondern Kern der nationalsozialistischen Wohnungspolitik in Wien. Ziel: "arischer" Wohnraum und eine stadtplanerische "Neugestaltung" Wiens.

Die Ergebnisse im Detail

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 3.598 jüdische Gemeindebaubewohner konnten identifiziert werden. 1.090 von ihnen wurden im Zuge der Shoah ermordet. 2.508 überlebten – durch Flucht, im Untergrund oder nach KZ-Haft. 401 Personen wurden wegen widerständigem Verhalten verfolgt, 175 von ihnen getötet.

Das Wiener Wohnungsamt (MA 21) spielte dabei eine zentrale Rolle als administrative Vollstreckerin von Kündigungen, Delogierungen und Enteignungen. Ende 1938 verwaltete sie 71.430 Wohnungen – ein großer Teil davon Gemeindebauten, die seit 1918 errichtet worden waren. Da das Mieterschutzgesetz von 1922 keinen Schutz für Gemeindebauwohnungen bot, reichte eine 14-tägige Kündigungsfrist – Gerichte wiesen Einsprüche fast ausnahmslos ab.

Wiener Wohnen beleuchtet dunkle Zeit

"Der 'Anschluss' Österreichs hatte auf das Leben im Gemeindebau massive Auswirkungen", sagt Projektleiterin Claudia Kuretsidis-Haider. Jüdische Geschäfte, Lokale und Arztpraxen wurden "arisiert", Hausmeister entlassen. NS-Parteileute und Hitler-Jugend zogen ein.

Auch das Personal des Wohnungsamts wurde untersucht: Nur wenige Beschäftigte wurden 1938 aufgrund ihrer politischen Gesinnung oder "rassischen" Kriterien entfernt. Die meisten arbeiteten nahtlos unter dem neuen Regime weiter. "Dass Wiener Wohnen diese dunkle Zeit ausleuchtet, ist ein starkes Zeichen gegen Vergessen und Gleichgültigkeit", betont Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Katrin Gaál (SPÖ).

Vermittlungsprojekte und Rundgänge

Die Ergebnisse der Studie werden Ende 2025 in einem Sammelband im Böhlau-Verlag veröffentlicht. Darüber hinaus gibt es einige Vermittlungsprojekte. Kulturpublizistin Evelyn Steinthaler leitet Rundgänge in zehn Bezirken (1., 2., 5., 8. und 7., 10., 11., 16., 19., 20., und 22. Bezirk). Diese führen zu Gemeindebauten wie etwa dem Reumannhof (5. Bezirk), dem Hueberhof (10. Bezirk) oder der Wohnhausanlage Sandleiten (16. Bezirk).

Zudem wird es Workshops für Schulklassen, mit Fokus auf Schicksale vertriebener Jugendlicher, geben. Community-Ausstellung "Auch das waren wir" in mehreren Gemeindebauten beleuchten die Studienergebnisse und setzen auf aktive Beteiligung der Bewohner. Am 25. September gibt es einen Themenabend im Rabenhof-Theater.

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