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Maßnahmen scharf im Osten – das brisante Protokoll
Nach stundenlangem Verhandeln und Streit bis zuletzt, trat der Gesundheitsminister mit den Landes-Chefs an, um Osterruhe zu verkünden. Das Protokoll.
Ein solches Tauziehen um neue Corona-Maßnahmen gab es selten: Erst wurden sich das Gesundheitsministerium und die Länder Ostösterreichs am Montag beim Corona-Gipfel nicht über neue Maßnahmen einig, dann wurde bei einem neuen Ost-Gipfel am Dienstagabend bis Mittwochfrüh mit den Länder-Chefs von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland weiterverhandelt. Ergebnis? Offen! Denn vorerst wurde Geheimhaltung über die Maßnahmen vereinbart.
Geheim-Plan wurde vorab "geleakt"
Damit war das Ringen allerdings nicht zu Ende, denn noch während man die geheimen Maßnahmen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz um 18 Uhr ankündigen wollte, landeten sie plötzlich schon in der Öffentlichkeit. Und hinter den Kulissen war plötzlich die Rede davon, dass der komplette Plan der "Osterruhe", die eher einem neuen harten Lockdown gleicht, wieder gekippt werden könnte. Wann es ein Polit-Statement geben sollte, war stundenlang nicht zu erfragen. Jetzt ist es soweit.
Landeshauptleute am Weg nach Wien
Nach "Heute"-Informationen sind die betroffenen Landes-Chefs aus Niederösterreich und dem Burgenland um 17 Uhr Richtung Wien aufgebrochen, dort treffen sie sich kurz vor 18 Uhr mit dem Wiener Bürgermeister im Kanzleramt. Dort soll es gegen 19.00 Uhr ein Presse-Statement mit Gesundheitsminister Rudi Anschober geben. Kanzler Sebastian Kurz werde dabei nicht auftreten, hieß es von einem Insider.
Nachverhandlungen bis zuletzt
Von "ausgemachter Sache" konnte aber auch Minuten vor der Pressekonferenz noch keine Rede sein, denn es wurde in Wien noch "nachverhandelt". Worum genau? Schulen und Kirchen dürften noch für Diskussionsstoff gesorgt haben. Bei den Schulen drang durch, dass es nun doch keine längeren Osterferien geben solle, vom 5. bis 9. April sei Distance Learning eingebucht worden. Genaueres klärt nun die Pressekonferenz, die mit Verspätung beginnt. Gewartet wird seit 19 Uhr, um 19.28 Uhr ging es los.
Besorgniserregende Intensiv-Prognose
Den Auftakt machte Gesundheitsminister Anschober: Fast alle europäischen Länder seien mitten in der dritten Welle, 19 Länder, darunter auch Österreich. Es sei eine lineare, aber stark und konstant steigende Entwicklung. Sorgen bereiten dabei vor allem die Zahlen in den Intensivstationen. Man müsse alle Ressourcen nützen, um harte Triagen zu vermeiden, so der Gesundheitsminister. Niemand habe etwas falsch gemacht, aber in Ostösterreich habe man die angespannteste Situation in den Spitälern und die größte Ausbreitung der britischen Corona-Mutation, so Anschober. Die Prognose für die kommenden zwei Wochen zeige noch einmal eine "deutliche Steigerung" in Wien bei der Belegung der Intensivstationen: 162 belegte Betten sei der Höchststand im Jahr 2020 gewesen, jetzt sei man bei 165 und die Zahl werde in den kommenden zwei Wochen auf 260 steigen.
Drei Maßnahmen als "Wellenbrecher"
Anschober sei "froh darüber, dass über das Wochenende ein Umdenken stattgefunden hat", man habe die Öffnungsschritte "auch wenn wir sie uns alle gewünscht haben", abgesagt. Es wäre das völlig falsche Signal an die Bevölkerung gewesen. Nun wolle man einen "Wellenbrecher" schaffen: Kontakte zu Ostern verringern, die Testungen massiv ausbauen, mehr FFP2-Maske tragen. "Ich wär auch gern bald in einem Schanigarten gesessen, aber das geht jetzt einfach nicht", so Anschober. Die Maßnahmen: Dienstleister müssen schließen, Handel muss schließen, wo es eng und gedrängt ist, kommt eine FFP2-Pflicht im Freien und generell überall in Innenräumen, wo mehr als eine Person sich aufhält.
"Könnte leicht auch in anderen Bundesländern so kommen"
"Ich sag's ganz ehrlich und offen, in Wirklichkeit können wir viele Maßnahmen verankern, entscheiden tun wir es aber selber", so Anschober dazu, dass alle mithelfen müssten, die Situation auf den Intensivstationen zu entspannen. Weitere Maßnahmen, die von Gründonnerstag (1. April) bis inklusive 6. April gelten werden: Mehr Kontrollen von Pendlern aus Risikogebieten mit zwei Tests pro Woche, strengere Grenzkontrollen, Testungen in Betrieben einmal wöchentlich und sonst Home Office, Distance Learning in Schulen nach den Osterferien und noch mehr Tests für Schüler. Härtester Schritt: Komplette Ausgangsbeschränkung rund um die Uhr mit den wenigen bekannten Ausnahmen. Ab dem 7. April soll es dann Zutritts-Testungen zum Handel geben.
Ludwig hält Ausweitung für möglich
Wiens Bürgermeister und Landeshauptmann Michael Ludwig mahnte eindringlich, die getroffenen Maßnahmen ernst zu nehmen: "Wenn wir nicht zeitnah Ergebnisse sehen, werden wir über dieses Paket hinausgehen müssen." Innerhalb von sechs Wochen habe sich die Corona-Situation in Wien schlagartig geändert, was generell im Osten der Fall sei. Ludwig gab Anschober recht, auch er säße "jetzt lieber im Schanigarten". Und: "Wir haben bisher geglaubt, die Schule ist weniger betroffen. Das sehen wir mittlerweile anders", so Ludwig. Die Ansteckungsgefahr sei groß, weswegen man nicht alle gleichzeitig zurück in die Schule bringen solle. Rund zehn Woche müsse man durchhalten, dann sei ein großer Teil der Bürger geimpft, so der Wiener Bürgermeister.
Mikl-Leitner sieht "Ausnahmesituation"
Johanna Mikl-Leitner verteidigte die getroffenen Maßnahmen als "richtig und wichtig". Experten hätten am Dienstag im Rahmen des Ost-Gipfels über die angespannte Situation in den Spitälern informiert. "Ich habe mich immer dafür ausgesprochen, dass der Handel offen bleibt", so Mikl-Leitner, um Arbeitsplätze zu sichern und weil es keine Clusterbildungen im Handel gebe. Doch es gebe "unterschiedliche Expertenmeinungen". Man habe sich "bewusst gegen einen zweiwöchigen Lockdown" und für eine "viertägige Ruhephase, eine kurze Cooldown-Phase" entschieden. Außerdem: Der Test für Pendler wird künftig nur 72 Stunden gültig sein.
Doskozil: "Das will niemand verantworten"
"Niemand will verantworten, dass für einen Patienten, der ein Intensivbett braucht, kein Intensivbett zur Verfügung steht", sagte der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil zu den verordneten Maßnahmen. Doskozil bedankte sich für eine "ganz neue Diskussionskultur" zwischen den Bundesländern und dem Bund sowie den Experten. Es brauche jetzt Geschlossenheit aller Parteien und eine Botschaft für die Bevölkerung, dass man hinter den Maßnahmen stehe und dass sie wirken würden. "Ich glaube, der Zeitpunkt ist schon spät genug, wir müssen jetzt zusammenstehen", so Doskozil. "Wir müssen der Bevölkerung eine Perspektive geben". Die Trendwende gelinge nur, wenn die Bevölkerung mitmache – und die wirke nur mit, wenn man das Ziel klar formuliere und Eigen-Engagement fördere. Bundeskanzler Sebastian Kurz solle eine Inzidenzzahl als Kennzahl nennen, bei der es Öffnungsschritte gebe, forderte Doskozil.