Rechtsextreme Veranstaltung
Neonazis lassen Kinder bei Sonnenwendfeier marschieren
Aufnahmen aus Eschede (Niedersachsen) zeigen Neonazis bei den Sonnenwendfeiern. Auch Kinder nahmen an der Veranstaltung teil.
Samstag, 15. Juni, auf einem Feld am Rande eines Waldgebiets im niedersächsischen Eschede: In weißen Hemden – manche mit Sturmmasken in Schwarz-Rot-Gold und Fackeln in den Händen – marschieren rund 50 Personen auf.
Auf Fotos sind auch Kinder zu sehen. Die Teilnehmenden sind aus ganz Deutschland angereist – für die Sonnenwendfeier. Wie die deutsche "Tageszeitung" (TAZ) in einer Recherche schreibt, wurde das Treffen von den Jungen Nationalisten (JN), eine Parteijugendorganisation der ehemaligen NPD, heute "die Heimat", organisiert.
Ein Zaun mit Sichtschutz schirmt das Areal ab. Trotzdem sei es dem Medienkollektiv Recherche Nord mithilfe von Drohnen und einer Hebebühne gelungen, das Treffen zu dokumentieren, wie die TAZ schreibt.
"Die Aufnahmen belegen, wie die JN bereits Kinder und Heranwachsende über Rituale in nationalsozialistischer Tradition indoktrinieren: Minderjährige marschieren mit in Reih und Glied und stehen neben den anderen mit Fackeln im Kreis, als drei der Männer ein Lagerfeuer entzünden", schreibt die TAZ.
Auf den Bildern ist zu sehen, wie ein großes Holzkreuz in Form einer sogenannten Algiz-Rune verbrannt wird. Im Nationalsozialismus stand das Symbol für die SS-Organisation Lebensborn, die auf der Grundlage einer rassistischen Ideologie die Zahl der "arischen" Kinder erhöhen wollte.
Bekannte Personen waren anwesend
Laut der TAZ beim Treffen auch anwesend: Manfred Börm. In der Rechts-Szene ein gut bekanntes Gesicht: Er war früher im Bundesvorstand der Nationaldemokratische Partei Deutschlands NPD.
In den 1970er-Jahren nahm er an Aktivitäten der rechtsterroristischen Neonazigruppe Wehrsportgruppe Werwolf um den Neonazi-Anführer Michael Kühnen teil und war an einem Überfall auf den Nato-Truppenübungsplatz in Bergen-Hohn beteiligt. Im sogenannten Bückeburger Prozess wurde Börm 1979 zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Deshalb "feiern" Nazis die Sonnenwende
Anlässlich der Winter- und Sommersonnenwende werden traditionell sogenannte Sonnwendfeiern gefeiert. Diese Tradition hatte ursprünglich keinen extremistischen Hintergrund. Ab 1933 wurden Sonnenwendfeiern dann aber vor allem durch die Hitlerjugend und andere NS-Organisationen am längsten Tag des Jahres begangen.
Die Nationalsozialisten wollten damit christliche Traditionen durch Rituale im Sinne der völkischen Blut-und-Boden-Ideologie ersetzen. "Blut und Boden" war ein Schlagwort der nationalsozialistischen Ideologie, das sich auf die Bauern bezog. Der Rückgriff auf germanische Mythologie diente als rassistischer Ausdruck der vermeintlichen Überlegenheit der "arischen Rasse".
Das sind die Jungen Nationalisten (JN)
Die JN agiere heute als Elite- und Nachwuchsschmiede im vorpolitischen Raum und nehme Einfluss auf die gesamte rechtsextreme Szene bis hin zum Nachwuchs der AfD, schreibt die TAZ. Nachdem die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) 2009 wegen der nationalsozialistischen Indoktrination von Kindern verboten wurde, diente die JN als Auffangbecken. Den JN gehe es wie der HDJ um die Herausbildung einer neuen nationalsozialistischen Elite, sagt Lotta Kampmann von "Recherche Nord" gegenüber der Zeitung.
Auch die ideologische Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche im Rahmen angeblich "unpolitischer Freizeitangebote" gehöre zum Programm, heißt es weiter. "Die Veranstaltungen dienen dazu, angeblich authentisches nationales Kulturgut und nationalsozialistische Grundwerte zu vermitteln." Der Heimathof in Eschede diene als Rückzugsort der Neonaziszene für Rechtsrockkonzerte, Sonnenwendfeiern und Erntefeste. Vor ihrem Verbot hielt die HDJ hier ein Pfingstlager ab.
Eine Anfrage der TAZ an das niedersächsische Innenministerium wurde nicht beantwortet. Das Netzwerk "Südheide gegen Rechtsextremismus" ruft für Samstag zu einer Demonstration gegen die Aktivitäten der JN und der NPD in Eschede auf.