Wien
Nach Missbrauch an Schule soll Bildungsdirektor gehen
Ein Lehrer soll jahrelang Buben (9 – 14) missbraucht haben. Nach Bekanntwerden reagierten Verantwortliche nur zögerlich. Opferanwältin fordert: Rücktritt!
Seit 1999 soll ein Lehrer, Basketball-Trainer und Ferienlager-Betreuer seine Position missbraucht und seine sexuellen Neigungen mit 9- bis 14-jährigen Buben innerhalb seines beruflichen Umfelds ausgelebt haben. Dabei soll er unter anderem K.O.-Tropfen verwendet, die Buben heimlich fotografiert und kinderpornografisches Material angefertigt haben. Nach einer Hausdurchsuchung beging der Lehrer im Mai 2019 Selbstmord.
Mehr lesen: Lehrer fotografierte seine Opfer im Schlaf
Die Anwältin Herta Bauer vertritt die damals minderjährigen Opfer. Sie kritisiert nun die Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) und die Bildungsdirektion Wien: Die Untätigkeit dieser Stellen habe den Missbrauch ermöglicht. Sie wirft der Bildungsdirektion "dienstrechtliche Verfehlungen“ vor. Der Bildungsdirektor Heinrich Himmer müsse zurücktreten.
"Untätigkeit" der Bildungsdirektion ermöglichte jahrelangen Missbrauch
Die Opferanwältin nahm in einem Brief am 4. Oktober Kontakt zur Bildungsdirektion auf. Darin schrieb sie: Nicht nur habe der Sportlehrer "seine Straftaten gegen Kinder auch im schulischen Verantwortungsbereich begangen, sondern dass ihm dies durch das gesamte Umfeld der mit ihm in gegenständlicher Schule tätigen Lehrerschaft bzw. durch die Untätigkeit der Bildungsdirektion über einen derart langen Zeitraum gelang“, wie die APA meldet.
Mehr lesen: Lehrer soll Schüler beim Sport missbraucht haben
Dienstrechtliche Verfehlungen seien "auch innerhalb der Bildungsdirektion selbst erfolgt, da Beschwerden von Schülern bzw. Opfern nicht nachgegangen wurde und durch den Bildungsdirektor persönlich noch im Mai diesen Jahres die inhaltlich vollkommen tatsachenwidrige mediale Auskunft erfolgte, dass es zu den Missbrauchshandlungen nur außerhalb der Schule gekommen sei“, so Anwältin Herta Bauer.
Jahrelange Versäumnisse und unterlassene Ermittlungen
Die Opferanwältin wirft dem Bildungsdirektor Heinrich Himmer "jahrelange unterlassene behördeninterne Ermittlung“ vor, denn er habe es versäumt "staatliche Ermittlungsbehörden“ einzuschalten – auf dieser Grundlage fordert die Anwältin jetzt seinen Rücktritt. Wie sie in ihrem Brief weiter schrieb, sei außerdem eine Amtshaftungsklage gegen die Bildungsdirektion zu erwägen sowie eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft "im Hinblick auf Amtsmissbrauch einiger uns namentlich bekannter Personen innerhalb der Bildungsdirektion“.
KJA machte Deal mit Trainer nach zu engem Kontakt mit Schüler
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) der Stadt Wien bescheinigte der Anwältin am Dienstag "gravierende Versäumnisse und offenkundige Rechtsunkenntnis“. Hier stand vor allem die mögliche Mittäterschaft eines Freundes des Lehrers im Fokus. Dieser hatte bereits wegen eines Missbrauchsvorfalls den Schuldienst quittieren müssen – durfte nun aber wieder als Basketballtrainer zusammen mit dem beschuldigten Lehrer in sehr engem Kontakt mit jungen Männern arbeiten. Dabei kam er einem Burschen "unangemessen nah", wie der Kurier schreibt. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft wurde vom Verein im Herbst 2018 informiert. Die KJA vereinbarte, der Mann möge fortan nur noch ältere Kinder trainieren – dann werde es keine Anzeige geben. Doch der Mann hielt sich nicht daran, so der Kurier. Die Opferanwältin findet, die Sache hätte umgehend der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt werden müssen.
Umgang der KJA findet Anwältin schockierend und unhaltbar
Wie die KJA mit der Situation umgegangen ist, findet die Anwältin "schockierend und unhaltbar, weshalb wir Ihnen nur raten können, dienstrechtliche Konsequenzen in Hinblick auf das aktenkundige Vorgehen Ihrer Mitarbeiterinnen […] zu ziehen sowie eine Selbstanzeige (u.a. wegen möglichem Amtsmissbrauch) zu erwägen“.
Anwältin Herta Bauer forderte nun KJA und Bildungsdirektion auf, ihre Dokumentationen im Hinblick auf den Sportlehrer und dessen mögliche Mittäter bis kommenden Donnerstag der Staatsanwaltschaft Wien vorzulegen.
Himmer steht für lückenlose Aufklärung ohne falsche Rücksichtnahme
Gegenüber "Heute" sagt Heinrich Himmer: "Ich stehe für eine lückenlose Aufklärung dieses Falls. Das gehört strengstens untersucht und umfassend aufgearbeitet. Hier darf es keinerlei falsche Rücksichtnahme geben, das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig.“ Die neuesten Erkenntnisse hätten alle, die sich täglich für das Wohl und die Entwicklung der Kinder dieser Stadt einsetzen, tief betroffen gemacht, so Himmer.
Man arbeite als Bildungsdirektion eng mit allen beteiligten Stellen zusammen, um zu einer vollständigen Aufklärung beizutragen. Man habe keine Akteneinsicht, könne aber ausschließen, "dass Eltern oder Behörden seitens der Bildungsdirektion wissentlich falsch informiert wurden". Mit einer neu eingerichteten Kommission will man "Vorschläge entwickeln, die dazu geeignet sind, derartige Vorkommnisse in Zukunft wirksam zu verhindern."