Ein 32-Jähriger, der in Deutschland wegen versuchten Totschlags bereits eine mehrjährige Haftstrafe absitzen hatte müssen, stand am Mittwoch in Wr. Neustadt vor Gericht – mit grünem Longshirt, schwarzer Weste, grauer Jogginghose und Sportschuhen nahm der Mann auf der Anklagebank Platz: "Ich möchte den Schaden wieder gutmachen. Es tut mir leid, es war nicht geplant, dass ich jemanden körperlich oder psychisch verletze."
Zeugen schilderten beim Prozess die dramatischen Szenen: Auf der Amokfahrt von Wien-Liesing nach Brunn am Gebirge war der Rumäne mit einem Lkw laut Staatsanwältin in fünf Kollisionen verwickelt.
Zwei Pkw-Insassinnen im Alter von 25 und 26 Jahren erzählten von Schmerzen nach einem Zusammenstoß, als der Lastwagen aus einem Firmengelände herauskam. Ohne anzuhalten, habe der Lkw-Chauffeur seinen Weg fortgesetzt, schilderten die Frauen. Die Vertreterin der Anklagebehörde sprach von einer "außergewöhnlich rücksichtslosen Fahrweise" des Beschuldigten. Viermal entstand Sachschaden, es gab aber auch Verletzte.
Der Mann soll laut Anklage Opfer zum Ausweichen genötigt haben – schließlich raste der Mann am 8. Juli 2024 am Ziel seiner Fahrt in Brunn am Gebirge mit Vollgas mehrmals gegen die dortige Pfingstkirche. Als die Polizei eintraf, stieg der Rumäne aus dem Lkw und ließ sich widerstandslos festnehmen.
Im Erdgeschoß des Gotteshauses hatten zum Tatzeitpunkt ein Pastor und ein Paar gerade ein Ehevorbereitungsgespräch geführt. Der 38-jährige Seelsorger berichtete von einem "außergewöhnlich lauten" Geräusch, daraufhin habe er den Notruf gewählt. Die drei Personen blieben ebenso wie der Haustechniker unverletzt. Die Pfingstkirche hat sich nicht als Privatbeteiligte an dem Verfahren angeschlossen. "Wir haben ihm vergeben und wünschen alles Gute", sagte der Zeuge. Inzwischen ist das Gebäude großteils wieder renoviert.
Gutachter Manfred Walzl beschrieb den Angeklagten als "extrem psychisch auffällig". Der 32-Jährige leide an einer Persönlichkeitsstörung, sei aber zurechnungsfähig. In dem Mann schlummere ein "Bombe", sagte der Sachverständige. "Wenn man bei ihm den falschen Knopf erwischt", komme es zu einer explosiven Entladung. "Es war de facto bereits der Ansatz einer Amokfahrt", meinte Walzl.
Vor diesem Vorfall soll der zuletzt in Wien wohnhafte Angeklagte am 22. Mai 2024 auf dem Parkplatz des Kirchengeländes mit den Worten "Gott wird euch bestrafen" eine Bibel zerrissen haben. "Ich habe Gott gehasst und mit Gott gestritten", sagte der 32-Jährige.
Am 25. Mai des Vorjahres soll er Angehörige der Pfingstkirche während eines Livestreams einer Konferenz der Glaubensgemeinschaft gefährlich bedroht haben, indem er öffentlich einsehbare Kommentare postete. Zu lesen war u.a. "Ihr werdet weinen, aber ich auch. Ihr habt mein Leben zerstört. Ich suche euch seit längerer Zeit." und "Ihr werdet es bereuen, auch nach zehn Jahren." Das sei "verrückt" und "Blödsinn" gewesen, meinte der Angeklagte.
Zu seiner wilden Fahrt meinte der Angeklagte: "Ich weiß, dass es nicht normal ist, was ich getan habe", verwies der Rumäne auf seine stressige Situation zum Tatzeitpunkt. "Ich wollte schnell zur Kirche und das Glas kaputtmachen. Es kann jedem mal passieren, dass er die Kontrolle verliert."
Von den Kirchenverantwortlichen habe er sich gekränkt gefühlt: "Ich bin ihnen schon länger online gefolgt, weil mir gut gefallen hat, was dort gemacht wird. Ich habe gedacht, ich verdiene es, dass sie mich aufnehmen." Auf ein entsprechendes Bewerbungsmail habe aber niemand reagiert.
Der Verteidiger beschrieb seinen Mandanten als "sehr religiösen Menschen, für den die Kirche der Mittelpunkt seines Lebens war". Dass der Beschuldigte nicht in der Pfingstkirche in Brunn am Gebirge aufgenommen worden sei, habe ihn gekränkt. Mittlerweile sei der Angeklagte aber "geläutert".
Das Urteil am Mittwochnachmittag: Sechs Jahre Haft und Einweisung ein forensisch-therapeutisches Zentrum (nicht rechtskräftig).