Politik

Militär-Experte im ORF: "Neutralität der Wehrlosigkeit"

Für die einen ist die unsere Neutralität eine heilige Kuh, für andere ein Mythos. Militär-Experte Franz-Stefan Gady will Österreich wehrhafter machen.

Roman Palman
Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
Screenshot ORF

Der russische Überfall auf die Ukraine hat eine Zeitenwende in Europa eingeleitet. Diese ist nun auch in Österreich angekommen, das Bundesheer wird jetzt mit zusätzlichen Geldmitteln massiv aufgerüstet. Nach zehn Jahren soll die Alpenrepublik auch eine neue Sicherheitsstrategie bekommen, denn im alten Papier wird Russland nicht als Bedrohung, sondern als Partner gesehen. Auch die Neutralität steht auf dem Prüfstand – sie soll zwar wesentlicher Bestandteil bleiben, aber weiterentwickelt werden.

Dazu waren Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos zu Gast in der ZIB2 mit Martin Thür am Donnerstag.

Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
Screenshot ORF

"Neutralität der Wehrlosigkeit"

Norbert Darabos hat in seiner Amtszeit noch an der alten Sicherheitsstrategie mitgearbeitet, die dann von der rot-schwarzen Regierung mit den Stimmen der FPÖ und des Teams Stronach beschlossen worden war. Er bezeichnet "viele Dinge" darin als "visionär",  die Eckpunkte seien aber nach wie vor gültig. Den Russland-Ansatz müsse man aber nun korrigieren: "Mit diesem Angriffskrieg Russlands ist dieses Papier neu zu bewerten." 

Für Franz-Stefan Gady braucht es jetzt eine umfassende Debatte "ohne Scheuklappen", die weiter geht als nur die Russland-Frage. "Die österreichische Neutralität ist eine Neutralität der Wehrlosigkeit und nicht eine Neutralität der Wehrhaftigkeit." Die Politik habe die Neutralität über Jahrzehnte als Vorwand genutzt, um das Bundesheer ausbluten zu lassen.

Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
Screenshot ORF

Gady sorgt mit kontroversen Ansichten zur Neutralität für Aufsehen: "Die Neutralität macht uns nicht sicherer. Langfristig, wie sie hier gelebt wird, macht uns die Neutralität unsicherer", sagt er mit Blick auf die Wehrfähigkeit des Bundesheeres. Dann setzt er nach: "Der größte Mythos ist die Fähigkeit der militärischen Landesverteidigung des Bundesheeres."

Österreich als "Trittbrettfahrer"

Darabos ist vorsichtig, was die Neutralität angeht. "Die Diskussion ist erlaubt, doch ich bin der Ansicht, dass die Neutraltät beibehalten werden muss." Der Ex-Verteidigungsminister beklagt, dass er damals zu wenige finanzielle Ressourcen zur Verfügung gehabt habe.

Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
Screenshot ORF

Die Neutralität habe Österreich, entgegen der hierzulande vorherschenden Meinung, nicht im Kalten Krieg vor Atomwaffen geschützt. Sowohl Pläne der NATO als auch des Warschauer Paktes hätten nicht von Nuklearschlägen auf Wien abgesehen, argumentiert Gady weiter.

1/7
Gehe zur Galerie
    Mit einem dramatischen Video will das Außenministerium zeigen, was die Folgen eines Atombomben-Abwurfs über Wien wären.
    Mit einem dramatischen Video will das Außenministerium zeigen, was die Folgen eines Atombomben-Abwurfs über Wien wären.
    Screenshot BMEIA

    Seine wichtigste Frage für die Zukunft der Neutralität: Was wird Österreich machen, wenn ein EU-Land konventionell-militärisch angegriffen wird? "Das Problem, und das sehen ich auch in der Ukraine, Waffenlieferungen sind nicht alles, aber ohne militärische Unterstützung ist alles nichts. Wenn man kein Land mehr hat, braucht man keine wirtschaftliche Hilfen." Österreich sei ein "Trittbrettfahrer" und erwarte, dass die NATO uns verteidige, sei aber nicht bereit in die andere Richtung einen Finger krumm zu machen.

    Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
    Militärexperte Franz-Stefan Gady und Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos in der ZIB2 mit Martin Thür am 6. April 2023.
    Screenshot ORF

    Wehrpflicht verlängern?

    Hinsichtlich der Frage Wehrpflicht sieht Darabos, selbst nicht mehr aktiver Politiker, auch im heutigen Parlament keine Mehrheit für eine Abschaffung und die Ausgestaltung des Bundesheeres als Berufsarmee. Für Gady müsste das gar nicht sein: "Wir müssen wieder darüber debattieren, ob wir nicht wieder zwei Monate hinten dran hängen, um die Ausbildung der Soldaten zu intensivieren." Die Anforderungen der modernen Kriegsführung würden ein längeres Training bedingen.

    1/50
    Gehe zur Galerie
      <strong>21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert</strong>. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. <a data-li-document-ref="120073491" href="https://www.heute.at/s/fuer-490-euro-voellig-ungeniessbares-schulessen-serviert-120073491">"Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.</a>
      21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. "Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.
      privat, iStock