Österreich
Mari hat Angst vor Zwangsheirat – dann ist sie weg
Sie erleben Missbrauch oder sollen zwangsverheiratet werden: Eine Direktorin berichtet, dass Jugendlichen wie Mari einfach nicht geholfen wird.
Direktorin Petra Bauer (54) vom "Zentrum Inklusiver Schulen" in Wien-Hernals hat oft den Verdacht, dass Kinder zu Hause körperlich und/oder sexuell missbraucht werden. Die Schüler kommen mit Brandwunden oder blauen Flecken in die Schule, zeigen starke Verhaltensauffälligkeiten.
Die Schulleiterin verschließt nicht die Augen, sondern erstattet immer wieder Gefährdungsmeldungen bei der Kinder- und Jugendhilfe (MA 11), berichtete das "Profil" in einer ausführlichen Reportage. Doch den Kindern wird gar nicht oder zu spät geholfen, so die Erfahrungen von Bauer. Auch im Fall von Mari (Name geändert), die große Angst vor einer Zwangsheirat hatte.
Mari kam ins Krisenzentrum
Bauer hatte bereits mehrfach die MA 11 alarmiert, da sie sich große Sorgen um die Jugendliche machte – ohne Erfolg. Zu Weihnachten vor drei Jahren eskalierte dann die Situation: Das Mädchen sollte zwangsverheiratet werden, daraufhin organisierte das Jugendamt endlich die Unterbringung in einem Krisenzentrum.
Doch die Gefahr war damit nicht vorüber: Maris Vater wartete im Auto vor der Schule, die Jugendliche bekam Panik. Die Direktorin informierte die Betreuer im Krisenzentrum, doch niemand hatte Zeit, sie abzuholen. "Ich stelle sie sicher nicht allein vor die Tür", antwortete Bauer laut "Profil" und rief die Polizei.
„"Das ist einer der Fälle, die uns nicht schlafen lassen" - Schul-Direktorin Petra Bauer“
Die Beamten befragten Mari, sie erzählte, dass sie zu Hause getreten und eingesperrt werde. Nachdem das Jugendamt von der Aussage des Mädchens erfahren hatte, musste sie die Schule wechseln – ohne Möglichkeit, sich vorher noch von ihren Schulkollegen zu verabschieden.
Bauer soll zudem von der Bildungsdirektion jeder weitere Kontakt zu Mari untersagt worden sein. Auch die Betreuerin vom Verein "Orient Express" (bietet kostenlose Beratung für türkisch- und arabischsprachige Frauen mit Migrationshintergrund an, Anm.), die Mari unterstützte, durfte nicht mehr zu dem Mädchen. "Das ist einer der Fälle, die uns nicht schlafen lassen", meinte die Schulleiterin zum "Profil". Manchmal habe sie das Gefühl, "in etwas hineinzugeraten, das zu groß für uns ist". Sie ühle sich im Stich gelassen und "am System gescheitert".
MA 11 geht jeder Anzeige nach
Laut Ingrid Pöschmann, Sprecherin der MA 11, hat Wien österreichweit die strengsten Standards: "Wir reden mit allen Beteiligten. Es gibt Hausbesuche, Erhebungen an Schulen und Kindergärten, fachliche Gesprächsrunden. So tasten wir uns heran", so Pöschmann zum "Profil". Zu Einzelfällen darf die MA-11-Sprecherin keine Auskunft geben, es bleibe aber keine Anzeige liegen, versichert sie.