Wintersport

Lindsey Vonn zu "Heute": "Ich werde immer Angst haben"

Lindsey Vonn ist die beste Skifahrerin aller Zeiten. Im "Heute"-Interview spricht sie über Depressionen, Hirscher und ihr Mateschitz-Erlebnis. 

Martin Huber
Ski-Ikone Lindey Vonn: "Hirscher lebte unter dem Mikroskop, er hatte es schwerer als ich."
Ski-Ikone Lindey Vonn: "Hirscher lebte unter dem Mikroskop, er hatte es schwerer als ich."
EPA

"Heute": Sie sind Weltmeisterin, Olympiasiegerin und mit 82 Weltcupsiegen die erfolgreichste Skifahrerin der Geschichte. Wie geht es Ihnen, wenn Sie in der Früh aufstehen? Was schmerzt an Ihrem Körper? 

Lindey Vonn: "Alles tut weh! Vor allem meine Knie und mein Rücken. Ich habe einen hohen Preis für meinen Erfolg auf der Piste bezahlt, aber ich bereue es nicht. Ich hatte im vergangenen Frühjahr eine weitere Knieoperation und es hat ziemlich geholfen, aber im Moment brauche ich einen vollständigen Knieersatz."

Können Sie heute Sport treiben?

"Ja. Ich liebe es, neue Sportarten auszuprobieren. Als ich an Wettkämpfen teilgenommen habe, habe ich nie eine andere Sportart ausprobiert, weil ich mich nicht verletzen wollte. Jetzt kann ich tun, was ich will, und das ist so aufregend. Ich habe Kitesurfen, Wakesurfen, Mountainbiken und Polo ausprobiert. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, was ich als nächstes ausprobieren kann."

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    Die Verletzten-Liste des Ski-Winters 2022/23
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    Sie schreiben in Ihrer neuen Biographie, sich am wohlsten bei 130 km/h in einer Abfahrt gefühlt zu haben. Woher holen Sie sich heute den Adrenalin-Kick?

    "Es gibt wirklich nichts Besseres als Skifahren mit 130 km/h und ich habe akzeptiert, dass ich nicht mehr den gleichen Nervenkitzel erleben kann wie früher beim Skifahren. Ich bin immer noch aufgeregt, wenn ich Ski fahre und an einem Pulverschneetag durch die Bäume fahre, um es aufregender zu machen, aber es ist nichts wie Cortina oder Lake Louise.“

    Sie schreiben, sie wetten heute auf Unternehmen, investieren Geld. Ist das ein Wettkampfersatz?

    "Das Investieren und Arbeiten in Venture Capital ist eine neue Herausforderung für mich. Es ist nicht wie Skifahren, aber es gibt ein ähnliches Element aus Vorbereitung, Risiko und ein wenig Adrenalin. Ich genieße immer eine Herausforderung."

    "Ich habe Wege entdeckt, auf mich selbst aufzupassen."

    Skifahren war für Sie eine Flucht, um Schwierigkeiten in anderen Bereichen des Lebens zu umgehen. Dunkle Löcher und Depressionen haben Sie begleitet. Kämpfen Sie auch heute dagegen?

    "Das Leben ist eine Reise, und ich lerne und wachse immer. Die Dinge waren nicht einfach. Im vergangenen Jahr habe ich meine Mutter, meine Großmutter und meinen Hund verloren. Manchmal ist es schwer, das Positive zu sehen, aber ich habe Wege entdeckt, auf mich selbst aufzupassen, die für mich funktionieren. Ich versuche immer, mich an die Lebenseinstellung meiner Mutter zu erinnern: ,Heute ist wieder ein großartiger Tag!‘ Das hilft mir immer dann, wenn ich es am meisten brauche."

    Lindsey Vonn und ihre im Vorjahr verstorbene Mutter Linda: "Manchmal ist es schwer, das Positive zu sehen."
    Lindsey Vonn und ihre im Vorjahr verstorbene Mutter Linda: "Manchmal ist es schwer, das Positive zu sehen."
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    Was raten Sie Menschen, die sich in einem dunklen Loch gefangen füllen?

    "Versuchen Sie, Dinge zu finden, die Ihnen Spaß machen, sei es ein Spaziergang, Treffen mit Freunden, ein Film, Sport oder Tagebuch. Versuchen Sie, sich jeden Tag Zeit für sich selbst zu nehmen, das hilft, die Balance zu halten. Für mich sind meine Hunde das Beste, wenn ich mich sehr niedergeschlagen fühle. Sie sind die beste emotionale Unterstützung."

    Sie legten sich als Skifahrerin einen Hund zu, um nicht allein zu sein und weniger zu grübeln. 

    "Meine Hunde sind meine Welt. Sie bedeuten mir alles und waren die besten Begleiter, die ich mir je hätte wünschen können. Es gibt nichts auf dieser Welt wie die bedingungslose Liebe eines Haustieres."

    Lindsey Vonn mit Hündin Lucy: "Es gibt nichts auf dieser Welt wie die bedingungslose Liebe eines Haustieres."
    Lindsey Vonn mit Hündin Lucy: "Es gibt nichts auf dieser Welt wie die bedingungslose Liebe eines Haustieres."
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    Ihre größte Angst war immer, dass Sie nicht gut genug sind. Wie ist das heute?

    "Viel besser. Ich kenne mich jetzt besser als je zuvor, und ich kenne meinen Wert. Ich denke, ich werde immer ein bisschen Angst haben, aber ich bin an einem großartigen Ort."

    "Marcel lebte unter einem Mikroskop, weil er ein König in Österreich war."

    Marcel Hirscher hat nach der Karriere über den enormen Leistungsdruck geklagt. Sie sagen, Opfer gebracht zu haben. Verstehen Sie Hirscher, dass er sich heute frei fühlt?

    "An der Spitze eines jeden Sports zu stehen, bedeutet extrem viel Druck und Kontrolle. Die heutige Welt mit den sozialen Medien macht es keinem Athleten oder sonst jemandem leicht. Ich verstehe vollkommen, woher Marcel kommt, aber ich glaube, er lebte unter einem Mikroskop, weil er ein König in Österreich war und es schien, dass er keinen Platz für sich selbst bekommen konnte. Er hatte die Last des ganzen Landes auf seinen Schultern und das muss unglaublich schwer für ihn gewesen sein. Amerika ist groß und wir haben nicht so viele Skifans, also denke ich, dass Marcel es damit schwerer hatte als ich. Ich hatte mehr Probleme in den Boulevardzeitungen und Paparazzi, mit denen sich die meisten Athleten nicht auseinandersetzen müssen, aber ich habe gelernt, ein dickes Fell zu entwickeln. Ich freue mich für Marcel, dass er sich jetzt frei fühlt, aber für mich hat sich nichts geändert."

    In Jugendjahren haben Sie Trainer erlebt, die ungehobelt mit Mädchen umgingen. Im ÖSV kamen in den letzten Jahren Missbrauchsskandale an die Öffentlichkeit. Ist der Skisport gefährdeter als andere Sportarten?

    "Ich denke, dass es in jeder Sportart Sicherheitsvorkehrungen geben muss, um die Athleten zu schützen, insbesondere die jungen."

    Sie haben nach ihrem Rücktritt bei Skirennen lange nicht zugesehen. Tun Sie das heute? 

    "Ich schaue mir jetzt Rennen an und es macht Spaß, meinen Freunden beim Erfolg zuzusehen. Sofia Goggia ist eine gute Freundin von mir und eine der aufregendsten Rennfahrerinnen, die man im Zirkus beobachten kann. Natürlich vermisse ich es, Svindal und Jansrud zuzusehen, aber Kilde ist der nächste Norweger, der diesen Speed hat, und es macht auch Spaß, ihm zuzusehen. Ich feuere immer die Amerikaner an und natürlich Mikaela (Shiffrin, Anmerkung der Redaktion) . Ich freue mich darauf zu sehen, wie sie meinen Rekord bricht. Es wird eine große Leistung für sie und für unser Land sein."

    "Ich sehe eine Gruppe von Österreicherinnen mit hoher Geschwindigkeit auf uns zukommen"

    Warum geht Österreich die Dominanz im Ski-Weltcup verloren?

    "Ich denke, die Dominanz der Nation kommt in Wellen, in Generationen. Als ich in den Weltcup kam, dominierten Götschl, Dorfmeister und Meissnitzer die Speedrennen der Frauen. Ich sehe jetzt eine große Gruppe von Österreichern mit hoher Geschwindigkeit auf uns zukommen, und obwohl sie viele Verletzungen hatten, haben sie immer noch große Erfolge. Sie haben jetzt auch Alex Hödlmoser als Trainer. Er war der beste Speedcoach, den ich je hatte, also denke ich, dass sie dieses Jahr noch stärker sein werden."

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      Das machen die Ex-ÖSV-Stars heute. Österreichs größte Ski-Legenden im Ruhestand.
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      Johan Eliasch will den Ski-Weltcup als neuer FIS-Boss verändern. Sie haben Ihn als Head-Chef kennengelernt. Schafft er das?

      "Johan ist Freund und ein großartiger Geschäftsmann. Er liebt den Skisport und hat eine große und ehrgeizige Vision für den Weltcup. Ich bin gespannt, wie sehr er den Sport wachsen lassen kann. Wenn jemand den Skirennsport verbessern kann, dann ist es Johan."

      "Hoch hinaus" – die Biographie ist jetzt im Verlag Edel Sports erschienen. Sie bietet einen inspirerenden Blick auf eine einmalige Karriere. Lindsey Vonn ist Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Mit 82 Weltcupsiegen ist die 38-Jährige die erfolgreichste Skifahrerin der Geschichte. 
      "Hoch hinaus" – die Biographie ist jetzt im Verlag Edel Sports erschienen. Sie bietet einen inspirerenden Blick auf eine einmalige Karriere. Lindsey Vonn ist Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Mit 82 Weltcupsiegen ist die 38-Jährige die erfolgreichste Skifahrerin der Geschichte. 
      Edel Sports

      Der Klimawandel setzt dem Skisport zu. Welche Zukunft hat der Skisport?

      "Es ist klar, dass der Klimawandel zu einem großen Problem für unseren Sport wird. Es ist entweder zu warm ohne Schnee oder es gibt viel zu viel Schnee. Das Wetter ist viel unberechenbarer und es werden viel mehr Rennen abgesagt. Die Auswahl der Austragungsorte muss sich ändern, da einige Skigebiete keine Rennen mehr garantieren können. Es ist eine herausfordernde Zeit für unseren Sport und für die Welt.“

      "Mateschitz gab einem das Gefühl, dass alles möglich wäre."

      Sie bedankten sich beim verstorbenen Red-Bull-Boss Didi Mateschitz. Was vermissen Sie an ihm?

      "Er war so ein unglaublicher Mensch. Ich werde nie sein breites Lächeln und herzliches Lachen vergessen, das einen Raum erfüllte. Ich werde es vermissen, ihn zu sehen und über Sport und das neue Spielzeug zu sprechen, das er damals hatte."

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        Dietrich Mateschitz starb im Oktober 2022 im Alter von 78 Jahren. Der Red-Bull-Gründer war der reichste Österreicher, baute ein Sport-Imperium auf. Wir erinnern uns an seine besten Sprüche und Lebensweisheiten.
        Dietrich Mateschitz starb im Oktober 2022 im Alter von 78 Jahren. Der Red-Bull-Gründer war der reichste Österreicher, baute ein Sport-Imperium auf. Wir erinnern uns an seine besten Sprüche und Lebensweisheiten.
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        Welches Spielzeug?

        "Ich erinnere mich, als er zu seinem Geburtstag einen Nascar-Rennwagen bekam. Sebastian Vettel und ich waren dabei, um bei der Überraschung zu helfen. Er liebte solche Dinge. Und in der Wirtschaft war er ein wahrer Visionär und einer der größten Vermarkter unserer Zeit. Als Mensch war Didi ein sehr zurückhaltender Mann. Jene, die ihn gut kannten, wissen zu erzählen, wie loyal und freundlich er war. Er hat die Karrieren vieler Athleten und Menschen, die ich kenne, geprägt. Er vertraute uns und gab uns Raum zum Wachsen. Er hatte die Fähigkeit, einem das Gefühl zu geben, dass alles möglich wäre. Ich werde ihn sehr vermissen."

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          Das Sport-Imperium des Didi Mateschitz
          Das Sport-Imperium des Didi Mateschitz
          Bild: GEPA-pictures.com, imago sportfotodienst