Science

Schauriger Fund – das gab's bei Urmenschen zum Essen

Ein 1,45 Millionen Jahre altes menschliches Schienbein, das in Kenia gefunden wurde, weist seltsame Bearbeitungsspuren auf.

Christine Scharfetter
Frühmenschen könnten <a href="https://www.heute.at/s/experten-warnen-vor-kannibalismus-unter-weltraumkolonisten-100182182">Kannibalen</a> gewesen sein. Das legt eine Studie nahe, die im Fachjournal "<a href="https://www.nature.com/articles/s41598-023-35702-7" target="_blank">Scientific Reports</a>" erschienen ist.
Frühmenschen könnten Kannibalen gewesen sein. Das legt eine Studie nahe, die im Fachjournal "Scientific Reports" erschienen ist.
Martin Meissner / AP / picturedesk.com

Frühmenschen könnten Kannibalen gewesen sein. Das legt eine Studie nahe, die im Fachjournal "Scientific Reports" erschienen ist. Grund für diese These ist ein menschliches Schienbein, das in Nordkenia gefunden wurde – und das insgesamt neun durch Steinwerkzeuge verursachte Schnittmarken aufweist.

Die Spuren auf dem 1,45 Millionen Jahre alten Knochen ähneln jenen, die auf Tierknochen aus etwa derselben Zeit gefunden worden sind, schreiben die beteiligten Forscherinnen und Forscher. Die Beschädigungen befinden sich an einer Stelle, an der die Beinmuskeln ansetzen. Das deute auf die Absicht hin, den Kadaver zur Nahrungsaufnahme zu zerlegen.

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    Neun der nummerierten Einritzungen sollen von Steinwerkzeugen stammen. Zwei von Tieren.
    Neun der nummerierten Einritzungen sollen von Steinwerkzeugen stammen. Zwei von Tieren.
    Scientific Reports

    "Schockierend"

    "Die logischste Schlussfolgerung aus meiner Sicht ist, dass dieser Hominide wie ein Tier geschlachtet und gegessen wurde", sagt Briana Pobiner, Koautorin und Paläoanthropologin am Smithsonian Institut in Washington D.C. Die Entdeckung sei "schockierend, ehrlich gesagt, und sehr überraschend, aber auch sehr aufregend".

    Pobiners Team hatte die Form von Abdrücken und 3D-Scans der Schnitte mit Daten von insgesamt 898 Zahn-, Schlachterei- und Trampelabdrücken verglichen. Sie kamen zum Schluss, dass neun der elf Abdrücke in der Knochenoberfläche eindeutig auf Steinwerkzeug zurückzuführen seien. Die beiden übrigen Markierungen stammen wohl von Raubtieren, die den Knochen abnagten.

    Aufgrund der Schnitte steht für Pobiners Team jedenfalls fest, dass sie von Menschen stammen, um das Fleisch vom Knochen zu lösen. "Es scheint sehr wahrscheinlich, dass das Fleisch dieses Beins gegessen wurde", sagt sie. Ob es dabei primär um die Kalorienzufuhr oder um eine kultische Handlung gegangen war, ist nicht klar – Pobiner vermutet aber Ersteres.

    Wichtige Frage bleibt unbeantwortet

    Für die Beantwortung der Frage, ob es Kannibalismus war, fehlen Pobiner allerdings die Daten: "Kannibalismus erfordert, dass der Esser und der Gegessene zur gleichen Art gehören", sagt sie. Denn zu welcher Art Urmensch das Schienbein gehörte, ist ebenfalls unklar.

    Damals bevölkerten der Homo erectus, aber auch der Homo habilis und der Paranthropus boisei die Region beim Fundort. Aus dem Homo erectus entwickelte sich später der Neandertaler – vermutlich die erste Menschenart, die wie ein heutiger Mensch ging, Feuer nutzte und auf die Jagd ging. Der Homo habilis hatte ein deutlich kleineres Gehirn, dasjenige des Paranthropus ist nur unwesentlich grösser als das heutiger Schimpansen.