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Neue Hitzerekorde: Der gefürchtete El Niño kommt wieder

Die Weltwetterorganisation (WMO) rechnet schon sehr bald mit einer rekordhohen Erderwärmung. Der Kampf um die Gletscher sei bereits verloren.

Christine Scharfetter
Seit 2016 sorgt El Niño jedes Jahr für neue Hitzerekorde.
Seit 2016 sorgt El Niño jedes Jahr für neue Hitzerekorde.
VALERY HACHE / AFP / picturedesk.com

Aufgrund eines besonderen Wetterphänomens warnen Fachleute vor einem Rekord der globalen Durchschnittstemperatur im kommenden Jahr – oder sogar noch in diesem. Der sich anbahnende El Niño verheiße nichts Gutes, sagte Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO), bei der Vorstellung des Klimazustandsberichtes 2022 am Freitag in Genf. Weil das Phänomen einen wärmenden Effekt habe, könne die globale Durchschnittstemperatur schon im kommenden Jahr einen neuen Höchstwert erreichen, sagte Taalas.

Das sich im Laufe dieses Jahres vermutlich entwickelnde El-Niño-Ereignis "erhöht zunächst einmal die Wahrscheinlichkeit, dass 2023 und 2024 in Bezug auf die globale Mitteltemperatur den bisherigen Rekordwert des Jahres 2016 einstellen beziehungsweise überbieten", sagte auch Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie. Helge Goessling vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven schlägt in eine ähnliche Kerbe: Es könne gut sein, "dass 2023 oder 2024 neue globale Rekorde erreicht werden".

Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig hält es sogar für denkbar, dass das Jahr 2024 "auch die 1,5-Grad-Grenze zum ersten Mal auf Jahresbasis global überschreiten wird".

Größte Gletscherschmelze im Jahr 2022

Eigentlich wollen die Länder der Welt möglichst verhindern, dass die Erwärmung 1,5 Grad übersteigt: So steht es im Pariser Klimaabkommen. Aber die bisherigen Klimaschutzanstrengungen reichen dafür bei weitem nicht aus. Der Weltklimarat (IPCC) hat gezeigt, dass das Ziel voraussichtlich für viele Jahre überschritten wird, ehe die globale Durchschnittstemperatur wieder sinkt – aber nur, wenn die Länder deutlich schärfere Klimaschutzmassnahmen umsetzen.

Zu den Rekorden im Jahr 2022 gehörten der neue Tiefpunkt des antarktischen Meereises, der neue Höhepunkt bei der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, die größte Gletscherschmelze in Europa und der höchste Wärmegehalt der Ozeane, heißt es in dem WMO-Bericht. Die Werte beziehen sich immer auf den Beginn der Messungen, die mehrere Jahrzehnte oder länger zurückliegen.

Kampf um Gletscher verloren

"Das Meereis in der Antarktis ist auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen gefallen, und das Abschmelzen einiger europäischer Gletscher hat buchstäblich alle Grenzen gesprengt", so die WMO. Der Kampf um die Gletscher sei praktisch bereits verloren, sagte Taalas der Nachrichtenagentur AFP.

Wegen der historischen Treibhausgasemissionen sei schon jetzt klar, dass sich diese negativen Trends unabhängig von allen heutigen Anstrengungen zunächst noch bis in die 2060er-Jahre fortsetzen würden, sagte Taalas. Wenn aber jetzt ehrgeiziger Klimaschutz umgesetzt werde, bestehe die Chance, die Erwärmung nach einer vorübergehenden Überschreitung des 1,5-Grad-Ziels wieder darunter zu senken.

Acht wärmste Jahre überhaupt

Die WMO bestätigte, dass 2022 mit plus 1,15 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 das fünft- oder sechstwärmste Jahr seit der Industrialisierung war. Die Messwerte liegen so nah beieinander, dass eine genaue Unterscheidung unmöglich ist. 2015 bis 2022 waren die acht wärmsten Jahre.

Die Entwicklung in diesem, aber vor allem dem nächsten Jahr dürfte durch El Niño geprägt sein. "Momentan sieht es stark danach aus, als würde 2023 erstmals seit 2015/2016 wieder ein starker El Niño auftreten", sagte Klimawissenschaftler Haustein. El Niño zeichnet sich durch veränderte Strömungen in Meer und Atmosphäre und höhere Temperaturen an der Ozeanoberfläche im Pazifik aus. Auf das Wetter in Europa hat El Niño laut Haustein nur geringen Einfluss.