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Lieferdienst zahlt Hungerlohn, prellt Fahrer um 50 Euro

Kaum Gehalt, schlechte Arbeitsbedingungen und keine Unterstützung von der Firma. Ein ehemaliger Mitarbeiter packt über einen Lieferdienst aus.  

Marlene Postl
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Die Arbeitsbedingungen bei einem Essenslieferanten sind hart. (Symbolbild)
Die Arbeitsbedingungen bei einem Essenslieferanten sind hart. (Symbolbild)
Leserreporter

Um seine Schulden abzuzahlen, begann ein 28-jähriger Wiener, neben seinem Vollzeitjob für den beliebten Lieferdienst Mjam Essen auszuliefern. Vor allem im Lockdown war der Job noch ein gutes Geschäft, die Arbeitsbedingungen waren aber stets suboptimal.

"Man wird pro Bestellung bezahlt, das heißt die Fahrer sind völlig abhängig davon, wie viel bestellt wird, wie schnell das Restaurant ist, wie die Verkehrslage ist. Manchmal kommt man in ein Lokal, um das Essen abzuholen. Die brauchen dann aber noch 20 Minuten, um es überhaupt zuzubereiten. Diese Zeit entgeht einem, man kann weniger ausliefern und verdient weniger", berichtet der Wiener im Gespräch mit "Heute". 

Firma incentiviert Mitarbeiter mit "Klassensystem"

Pro Bestellung bekam der 28-Jährige 3,27 € und 1,23 € Kilometergeld. Dafür musste der Wiener zwischen 5 bis 8 Kilometer fahren, Trinkgeld gaben die Kunden kaum. Bestellungen wurden ihm per App zugeteilt, er war abhängig vom Dispatch-Center, das sich in Deutschland befindet. Der Wiener berichtet, momentan schaffe man ungefähr zwei Bestellungen in der Stunde. Bei einer Vollzeit-Tätigkeit würde dies 1.440 Euro im Monat entsprechen. Die Mitarbeiter sind freie Dienstnehmer, versichern müssen sie sich selber, auch die Kosten für das Lieferauto werden selber getragen. 

Ihre Arbeitszeiten können sich die Fahrer selbst einteilen – theoretisch. "Jeden Mittwoch werden die verfügbaren Schichten online gestellt. Der Lieferdienst hat eine Art Klassensystem für die Mitarbeiter. Die, die gut performen, dürfen sich zuerst die Zeiten aussuchen, die anderen bekommen, was übrig bleibt. "Ich habe mich im Dienst mal am Fuß verletzt und musste die Schicht abbrechen. Da bin ich sofort in einen schlechteren 'Patch' gerutscht. Für mich war das schlimm, weil ich die Schichten rund um meinen Vollzeitjob planen muss", erzählt der Wiener. Wer die Wahl hat, sucht sich natürlich Zeiten aus, an denen viel los ist – die anderen Mitarbeiter schauen durch die Finger. 

Lieferdienst zahlt Kaution für Rucksack nicht zurück

Wegen der Arbeitsbedingungen kündigte der 28-Jährige schließlich im Juli. Mitte August ist ihm die Firma noch immer Geld schuldig. Fahrer müssen für den isolierenden Rucksack mit Logo 50 Euro Kaution bezahlen, die Summe wird von ihrem ersten Gehalt einbehalten. Der 28-Jährige forderte diese zurück, von Seiten die Firma herrscht allerdings Funkstille. "Ich kann nicht mal irgendwo anrufen, man kann nur über ein Formular Online Kontakt aufnehmen. Meine Mails werden nicht beantwortet", klagt der Wiener. 

Auf "Heute"-Anfrage konnte das Problem schließlich gelöst werden. Der Lieferdienst berichtet, man werde die Kaution überweisen. Es sei wegen Sommerurlauben im Büro zu Verzögerungen gekommen, die der Essenslieferant nach eigener Aussage bedauere.