Coronavirus

"Letztes Mittel" – so schädlich sind Schulschließungen

Schulschließungen wirken sich laut einer neuen Studie gravierend auf den Lernerfolg der Kinder aus und sollen nur als letztes Mittel verwendet werden.

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Die Schulen bleiben auch im Lockdown offen. (Symbolbild) <br>
Die Schulen bleiben auch im Lockdown offen. (Symbolbild)
apa/picturedesk (Symbolfoto)

Seit einiger Zeit schnellen die Infektionszahlen in Österreich schlagartig in die Höhe, bis sie nun schließlich einen Wert erreichten, der so nicht mehr tragbar war. Ein Lockdown für alle wurde verkündet – (vorerst) bis zum 12.12. Bis zuletzt blieben Schulschließungen ein strittiges Thema. Es gab Stimmen dafür, Stimmen dagegen. Schließlich konnte sich das Bildungsministerium durchsetzen und lässt die Bildungsstätten auch während des Lockdowns offen.

Präsenzunterricht "für all jene, die es benötigen"

Aus dem  Ministerium hatte es nämlich geheißen, dass die Schulen nach all den Monaten, welche sie wegen der Pandemie im Distance Learning verweilen mussten, auch bei steigenden Neuinfektionszahlen offenbleiben würden. Um dies gewährleisten zu können, wurden zu Schulbeginn neue Regeln aufgestellt. Unter anderem müssen sich Schüler seither regelmäßig testen bzw. alternativ einen Impf- bzw. Genesungsnachweis vorlegen können.

Angesichts der aktuellen Situation und des verhängten Lockdowns gab es beim Thema Schule allerdings ein sehr zähes Ringen. Jene bleiben nun aber grundsätzlich offen. Vorgesehen ist Präsenzunterricht dennoch nur "für all jene, die es benötigen". Eltern können ihre Kinder also zur Betreuung in die Schule bringen, werden aber gebeten, Schüler zu Hause zu betreuen, "dort wo dies möglich ist". Für diese Kinder sollen "Lernpakete" zusammengestellt werden.

Doch auch, wenn die Bildungseinrichtungen weiterhin geöffnet bleiben, sollte dort die Einhaltung der Hygiene- und 3G-Regeln oberste Priorität sein, damit es zu keinen Clusterbildungen und Infektionsketten kommt. Für alle Schulstufen gilt eine Maskenpflicht im Gebäude und in den Klassen. Zuletzt war die Inzidenz bei Kindern nämlich die größte. Die Schulen müssten auch laut Huber so lange wie möglich offen gehalten werde – aber "ohne dabei die Gesundheit der Kinder aufs Spiel zu setzen".

Schulschließungen gefährlich

Schon seit Ausbruch der Pandemie im Frühling 2020 kam es in ganz Europa zu unterschiedlich langen Schulschließungen. Dadurch haben die Schüler Lernstoff verpasst – teilweise den Stoff von mehreren Monaten. "Dieser Schulstoff fehlte den Schülern, die kurz vor ihrem Schulabschluss standen. Die Gesamtsituation hat auch den Übertritt in den Arbeitsmarkt erschwert. Die Untersuchungen zeigen, dass ein Teil des verpassten Lernstoffs bisher nicht aufgeholt werden konnte", zieht Stephan Huber, Bildungsforscher von der PH Zug und Mitautor der neuesten Teilstudie des "Schul-Barometers" in einem Gespräch mit "20 Minuten" Bilanz.

 Am negativsten haben sich international die Schulschließungen auf jüngere, sozioökonomisch schwächer gestellte Kinder und im Bereich Mathematik ausgewirkt.

"Dass von diesen Lerneinbußen insbesondere Kinder aus sozial schwächer gestellten Familien betroffen sind, ist brisant", sagt Huber. "Wer ein privilegierteres familiäres Umfeld und Unterstützung zu Hause erhält, dem fiel der Wechsel auf Distanzunterricht einfacher. Mehr Mühe haben sozioökonomisch eh schon benachteiligte Kinder, wodurch die Schere größer wird. Die Schulen haben hier einen wichtigen kompensatorischen Auftrag."

"Fahrlässiger Umgang mit Gesundheit der Kinder"

Während viele das Offenhalten der Schulen begrüßen, gibt es auch einige Stimmen dagegen. Wenn die Schulen schon offen bleiben, sollte dafür gesorgt werden, die Gesundheit der Kinder bestmöglich zu schützen. So setzt sich etwa Franziska Iff als Co-Präsidentin des Vereins "BildungAberSicher" in der Schweiz seit Anfang des Jahres für mehr Schutzmaßnahmen an Schulen ein. Sie findet es falsch, den Fokus jetzt auf Schulschließungen zu legen:

 "Viel wichtiger wäre, dass man alles tut, um die Kinder an den Schulen davor zu schützen, sich mit dem Virus anzustecken." Die Forderungen von "BildungAberSicher" seien seit Monaten die gleichen: "Es braucht Masken, CO2-Monitoring, ein gutes Lüftungskonzept und Tests."

Iff kritisiert, dass die Politik an den Schulen offenbar eine Durchseuchungsstrategie fahre: "Es fehlt der Wille, die Kinder zu schützen. Man stellt sich einfach auf den Standpunkt, Kinder seien nicht Treiber dieser Pandemie und hätten alle milde Verläufe, obwohl das längst widerlegt ist. Das ist ein fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit der Kinder."

Schülervertreter für Schließung

Doch wie sehen das die Betroffenen selbst? In einem offenen Brief fordern am Montag, dem ersten Lockdown-Tag, nun über 100 Schulsprecher, Lehrerkäfte, Eltern und Fachleute die Regierung dazu auf, Distance Learning an allen österreichischen Schulen für 14 Tage zu veranlassen – zur Unterbrechung von Infektionsketten. Ebenso gefordert ist Betreuung in den Schulen für alle, die es brauchen. Für Eltern müsse es Sonderbetreuungszeiten geben.

Die Inzidenz bei den 5- bis 14-Jährigen betrage österreichweit 2.123 (Stand 19.11.). Und auch auf den Intensivstationen lägen zunehmend Kinder und Jugendliche. Die Schulen seien eben keine "kontrollierten Räume", heißt es in dem Brief weiter. Die Zahlen bewiesen das Gegenteil:

 "Die Situation ist außer Kontrolle." Die erforderliche Kontaktreduktion werde so nicht erreicht werden können, lautet es in dem Brief.

"Verantwortungslos"

Der Wiener Schulsprecher, Mati Randow, schilderte am Sonntagabend gegenüber "Wien heute": "Die Inzidenzen im Pflichschulalter sind bei uns am allerhöchsten im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen. Wir haben die niedrigste Impfrate. Es wird uns auch eineinhalb Jahre gesagt, dass das Virus nicht gefährlich ist für uns – stimmt nicht." Dass man jetzt genau diese Altersgruppe weiter in der Schule schicke, sei "verantwortungslos".

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