Wintersport
"Leibeigener von anderen!" Hirscher-Kritik am Skisport
2019 erklärte Österreichs Skistar Marcel Hirscher seinen Rücktritt. Nun übte der Salzburger scharfe Kritik am Weltcup-Zirkus.
Hirscher war jahrelang das Maß aller Dinge im Skisport, gewann achtmal die große Kristallkugel - ein Rekord, der wohl über Jahrzehnte hinweg Bestand haben wird. Mit seinem Gespür für die Entwicklung des Materials hob der Annaberger den Skisport auf ein völlig neues Niveau.
"Als Skifahrer bist du verkauft"
Nun blickt der 33-Jährige allerdings mit ganz anderen Augen auf seine Skikarriere zurück, spricht sogar von "Leibeigenschaft". "Das Schlimme für mich war, herauszufinden, wie einseitig mein Weg, wie vorgegeben mein Leben war. Null Spielraum für eigene Entscheidungen. Wie eng die Leitplanken waren, zwischen denen man sich bewegen durfte", erzählte der Salzburger im "Red Bulletin".
"Als Skifahrer bist du verkauft. Das macht etwas mit dir. Ich war auf eine gewisse Art Leibeigener von anderen", schilderte Hirscher, ohne allerdings näher darauf einzugehen. Gemeint sind aber wohl seine ehemalige Skifirma sowie Österreichs Skiverband.
Mit Athleten "nicht mehr so umgehen"
Ein Stück Freiheit ist da wohl seine im September 2021 vorgestellte eigene Skimarke "Van Deer". Schon im Oktober wird Hirscher mit seiner "zweiten Karriere" den Sprung in den Weltcup schaffen. Der Salzburger konnte Technik-Star Henrik Kristoffersen für seine Bretter begeistern, rüstet daneben auch dessen Landsmann Timon Haugan sowie den Briten Charlie Raposo aus. Hirscher mache nun, "worauf ich Lust habe. So sind viele coole Projekte entstanden: meine Skifirma, mein Team. Da sage ich alleine, wie ich es mir vorstelle, und niemand sonst."
Der achtfache Gesamtweltcupsieger möchte jedenfalls dazu beitragen, dass sich im Skizirkus etwas ändert. "Ich bin überzeugt, dass ich noch erleben werde, dass man mit Athleten nicht mehr so umgehen kann, wie zu meiner Zeit. Das Wort ,selbst´ wird deutlich in den Vordergrund rücken", erklärte Hirscher weiter.
"An Schmerzgrenze des Systems"
Dabei war Hirscher noch "freier" als so manch anderer Skistar. So baute der 33-Jährige ja bereits ein Privatteam auf. "Ich habe mich absolut an die Schmerzen des Systems herangetastet. Und dennoch: Heute ist völlig unvorstellbar, wie ich das ausgehalten habe. Das Team, mit dem ich unterwegs war, wurde mir vorgesetzt. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich es mir eigentlich selbst zusammenstellen sollte. Immerhin sind das die wichtigsten Personen für deinen Erfolg", erklärte der Salzburger weiter.
Als Skifirmen-Gründer kann Hirscher nun einen völlig neuen Weg im Skiweltcup mitprägen. "Ich möchte mein Know-how einbringen. Aber aussuchen müssen sich die Athleten ihre passenden Bausteine selber." Seine persönlichen Ziele sind derweil klar definiert: "Den Skisport maßgeblich und nachhaltig zu verändern. Selbstständigkeit, Individualität, mehr Persönlichkeit. Und vor allem den Sport dort hinzutreiben, wo er hingehört."