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Lehrer wird abgeschoben: "Auf mich wartet der Tod"

Matin R. lebt seit sechs Jahren in Österreich. Der Englisch-Lehrer steht in Wien vor seinem Master-Abschluss, dennoch soll er abgeschoben werden.

Amra Duric
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Matin R. soll abgeschoben werden. Seit dem negativen Bescheid lebt er in ständiger Angst.
Matin R. soll abgeschoben werden. Seit dem negativen Bescheid lebt er in ständiger Angst.
Sabine Hertel

Er spricht fließend Englisch und Deutsch, studiert an der Universität in Wien, lernt Spanisch und arbeitet für NGOs: Dennoch soll Matin R. nun nach Afghanistan abgeschoben werden. "Ich habe in Afghanistan als Englisch-Lehrer gearbeitet. Die Taliban haben das aber verboten, weil sie Englisch für eine Teufelssprache halten", erzählt der 33-Jährige im Gespräch mit "Heute". Matin wurde deshalb von der Terrorgruppe gefangen genommen, saß fünf Tage lang im Gefängnis.

Nachdem sich der Lehrer aus den Fängen der Taliban befreien konnte, wusste er, dass er in seinem Heimatland nicht mehr sicher sein würde. "Sie sind zu meiner Familie nach Hause gekommen und haben nach mir gesucht. Ich bin in der Nacht geflüchtet. Nach Österreich zu kommen, hat Monate gedauert", erzählt er. "Ich hatte in Afghanistan einen Job, Familie, Freunde. Aber ich musste flüchten, weil mein Leben in Gefahr war. Wenn ich zurück muss, wartet dort der Tod auf mich."

Trotz Studium und Jobaussicht kein Asyl

Seit 2015 lebt der Lehrer nun in Wien – seitdem dauert auch sein Asylverfahren. "Für mich war es wichtig, sofort die Sprache zu lernen. Ich habe bereits im Asylheim angefangen mit Organisationen wie dem Roten Kreuz zusammenzuarbeiten." Doch nicht nur die Arbeit mit NGOs beschäftigt den 33-Jährigen. Der Afghane hat seinen Bachelor in Wirtschaft gemacht und ein Masterstudium in Internationaler Betriebswirtschaftslehre begonnen. "Dafür lerne ich auch Spanisch. Mir fehlen noch zwei Semester bis zum Abschluss. Ich wäre gerne früher fertig geworden, aber im Asylheim haben wir teilweise zu viert in einem kleinen Zimmer gelebt, da war es oft schwierig, sich zu konzentrieren."

Afghanistan ist laut dem Global Peace Index 2020 aktuell auf Platz 1 der unsichersten Länder. Jedes Jahr werden Tausende Zivilsten ermordet. Terroranschläge sind an der Tagesordnung. Im Mai zogen sich die internationalen Truppen zurück, seitdem sind die radikal-islamistischen Taliban wieder auf dem Vormarsch. Das österreichische Außenministerium warnt auf seiner Website: "Bestehendes Risiko von gewalttätigen Auseinandersetzungen, Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen und kriminellen Übergriffen einschließlich Entführungen, Vergewaltigungen und bewaffneter Raubüberfälle im ganzen Land. Den in Afghanistan lebenden Auslandsösterreichern und Österreichern, die sich aus anderen Gründen in Afghanistan aufhalten, wird dringend angeraten, das Land zu verlassen."

Vor etwa einem halben Jahr ist Matin deshalb in eine eigene Wohnung gezogen. Monatlich bekommt er 350 Euro, davon zahlt er 250 Euro für die Wohnung. "Ich darf nicht arbeiten, also muss ich mit den 100 Euro im Monat auskommen. Ich kann mir auf der Uni keinen Kaffee leisten." Unterstützung bekommt der 33-Jährige von Freunden, diese haben auch eine Petition für ein Bleiberecht gestartet.

"Das ist ein abgekartetes Spiel gegen Flüchtlinge. Meinem Mandanten droht der Tod in Afghanistan. Leute wie er gehören unterstützt und gefördert."

Auch für die Zeit nach seinem Studium hat Matin einen Plan. "Ich habe eine Zusage von einem Logistik-Unternehmen, dass ich bei ihnen arbeiten anfangen kann. Noch darf ich ja nicht arbeiten." Doch trotz Jobzusage und Studium hat Matin nun einen negativen Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht bekommen. Der Grund: Man glaube ihm seine Fluchtgeschichte nicht. "Ich habe dem Richter sogar Empfehlungsschreiben von Professoren der Uni Wien vorgelegt, aber das hat auch nichts gebracht. Ich könnte jeden Tag abgeschoben werden und lebe in ständiger Angst."

Gegen den negativen Bescheid hat nun Matins Anwalt Herbert Pochieser Beschwerde eingelegt. "Das ist ein abgekartetes Spiel gegen Flüchtlinge. Meinem Mandanten droht der Tod in Afghanistan. Leute wie er gehören unterstützt und gefördert und nicht abgeschoben", so Pochieser gegenüber "Heute". Das Geld für den juristischen Beistand hat sich Matin von Freunden ausgeliehen. "Ich habe bisher knapp 4.000 Euro bezahlt."

Österreich hält an Abschiebungen fest

Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan hat Matin kaum noch. "Ich will sie nicht Gefahr bringen." Seit Abzug der internationalen Truppen Anfang Mai hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan zugespitzt. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) warnt angesichts der wachsenden Konflikte und steigenden Spannungen vor einer humanitären Krise. Die militant-islamistischen Taliban haben mittlerweile rund ein Viertel der Bezirke des Landes eingenommen und sind auch in mehrere Provinzhauptstädte eingefallen. 

"Ich habe Deutsch gelernt, gebe den Kindern meiner Bekannten Nachhilfe, bin bereit zu arbeiten und habe nicht einmal einen Strafzettel. Ich verstehe nicht, warum ich nicht weiterhin in Österreich leben darf."

Die Regierung in Kabul hatte am Wochenende an die europäischen Staaten appelliert, Abschiebungen nach Afghanistan für drei Monate auszusetzen. Die finnische Einwanderungsbehörde teilte am Montag mit, dass man Abschiebungen nach Afghanistan vorerst aussetzen würde.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erklärte hingegen, dass es nicht sein könne, dass "Europa immer am kürzeren Ast sitzt" und dem "Druck anderer Staaten in Migrationsfragen ausgesetzt" sei. Nach dem Tod der 13-jährigen Leonie erklärte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz vor Kurzem, dass es nicht weniger, sondern mehr Abschiebungen geben müsse. 

Für Matin ist mittlerweile nicht nur sein Leben in Afghanistan, sondern auch jenes in Österreich in Gefahr. "Ich habe Deutsch gelernt, gebe den Kindern meiner Bekannten Nachhilfe, bin bereit zu arbeiten und habe nicht einmal einen Strafzettel. Ich verstehe nicht, warum ich nicht weiterhin in Österreich leben darf." 

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