Wien

Statt AMS und Depression Arbeit für den guten Lohn

Im Geschäft "Schön und Gut" werden von Arbeitslosen geschaffene Dinge mit sozialem Mehrwert verkauft. So gelingt ihr Wiedereinstieg ins Berufsleben.

Heute Redaktion
Statt AMS – die Frauen lernen hier in der "Kümmerei" ein Handwerk, sie genießen den Kontakt zu anderen, die Regelmäßigkeit und Struktur der Tage durch Arbeit und sie freuen sich sogar jeden Tag auf ihre Chefin. Vorm Besuch der "Heute" haben sie "HEUTE"-Buchstaben geschneidert und tragen diese auf Händen.
Statt AMS – die Frauen lernen hier in der "Kümmerei" ein Handwerk, sie genießen den Kontakt zu anderen, die Regelmäßigkeit und Struktur der Tage durch Arbeit und sie freuen sich sogar jeden Tag auf ihre Chefin. Vorm Besuch der "Heute" haben sie "HEUTE"-Buchstaben geschneidert und tragen diese auf Händen.
Denise Auer

In der Preßgasse 28 (Wieden) gibt es bunte Stofftaschen, süße Kuscheltiere, aufgearbeitete antike Möbel, Fitnessgeräte aus Holz, faltbare Schachbretter für die Reise und praktische Helfer für den Alltag. Alles wurde von Langzeitarbeitslosen in den insgesamt zehn Gewerken von "Die Kümmerei", einer Einrichtung von Jobtransfair, erschaffen. Von Gastronomie, über Bauen und Renovieren, Holz- und Textilarbeiten bis zu "Fairkauf und Fairtrieb" ist ein breites Spektrum an Berufsfeldern abgedeckt. Unter realistischen Arbeitsbedingungen wird Langzeitarbeitslosen hier der Weg zurück ins Berufsleben geebnet.

Menschen, die schon über ein Jahr arbeitslos sind, können vom AMS an die Gewerke der "Kümmerei" vermittelt werden. Wer dort arbeitet, wird dann in Vollzeit auf 38 Stunden angestellt. Was nach Pflichtprogramm klingt, kommt aber bei den unfreiwillig Arbeitslosen super an: "Wir spüren, dass die Leute sehr gern hier sind. Es wird viel gelacht. Und es herrscht eine große Verbindlichkeit. Die Leute, die hierher kommen, die wollen hier auch was leisten", so die Erfahrung des Teamleiters Thomas Hatvan.

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    "Die Taschen gehen richtig gut", so Thomas Hatvan über einen Shop Bestseller.
    "Die Taschen gehen richtig gut", so Thomas Hatvan über einen Shop Bestseller.
    Denise Auer

    "Wir freuen uns jeden Tag auf unsere Chefin"

    So wie Seyedem (58), sie war Schneiderin im Iran, arbeitete dann in Wien als Verkäuferin bei Bäcker Anker und war dann zwei Jahre arbeitslos. Seit Mai ist sie in der Schneiderei: "Das ist eine gute Sache. Ich bin stolz auf das, was ich hier mache". Es herrsche ein angenehmes Klima, sie komme gern her. Zuhause sei sie während der Arbeitslosigkeit manchmal deprimiert gewesen, ergänzt ihre Kollegin Buki (62). "Aber hier ist es super", sagt sie: "Wir freuen uns sogar jeden Tag auf unsere Chefin (Michala)", so die beiden.

    Die Schneiderei als eines der zehn Gewerke ist neben dem Ladengeschäft "Schön und Gut" eingerichtet. Hier arbeiten zehn bis zwölf Menschen: "Eher nicht aus der Kategorie jung und fit. Hier arbeiten Menschen, die schon ein Leben gelebt haben", so Michala (37), die die Schneiderinnen anleitet. "Das Durchschnittsalter ist um die 50, einige haben gesundheitliche Gebrechen, manche kommen aus anderen Kulturen – wissen noch nicht, wie der Arbeitsmarkt in Österreich funktioniert", sagt Michala.

    Im Vordergrund steht der Mensch

    Das Prinzip ist in allen Gewerken, die für den Shop und für andere Auftraggeber produzieren, dasselbe: "Im Vordergrund steht nicht das Produkt, sondern der Mensch", so Thomas Hatvan. "Die Mitarbeiter lernen hier Fertigkeiten, sie haben eine Tagesstruktur, ein eigenes Einkommen, kommen raus aus ihren vier Wänden, spüren, dass sie etwas Sinnvolles tun, bauen Freundschaften auf, können sich austauschen, sich auf etwas freuen – und das öffnet ihnen im Idealfall die Tür zum (Wieder-)einstieg in den ersten Arbeitsmarkt", fasst Michala die Idee des Shops und seiner Werkstätten zusammen. Dazu sagt Thomas Hatvan aus Erfahrung: "Es ist nie zu spät, etwas Neues zu beginnen". Die Bilanz: 80 Prozent der Teilnehmer, die zwischen drei und sechs Monaten in der Praxis waren, können im Jahr danach einen Job aufnehmen.

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