Coronavirus
Kündigung, Strafen, Kontrollen: alle Impfpflicht-Fakten
17 Antworten zur Impfpflicht: In "Heute" beantwortet Top-Jurist Philipp Brokes von der Arbeiterkammer Wien die drängendsten Fragen zum neuen Gesetz.
Die Impfpflicht in Österreich wird für Teenager ab 14 Jahren gelten – aber auch für Ausländer? Was ist, wenn ich nur einen Zweitwohnsitz im Land habe und müssen sich auch 24-Stunden-BeteuerInnen verpflichtend das Jaukerl holen? In "Heute" beantwortet der renommierte Arbeitsrechtsexperte Philipp Brokes (AK Wien) die wichtigsten Fragen. Er verrät auch, ob Impf-Verweigerer mit der Fristlosen im Job rechnen müssen und wie man die Impfpflicht umgehen kann. Spoiler: "Indem man sich impfen lässt."
"Heute" berichtete über einen Gesetzesentwurf zur Impfpflicht – wann soll diese in Kraft treten?
Philipp Brokes: Der bisher vorliegende Entwurf sieht kein konkretes Inkrafttretensdatum vor. Ich würde mich daher vorerst an der politischen Ankündigung orientieren, die lautete: 1. Februar 2022.
Gilt die Impfpflicht nur für österreichische Staatsbürger?
Nein, sie soll unabhängig von der Staatsbürgerschaft für alle Personen gelten, die in Österreich einen Wohnsitz haben. Dazu zählt auch ein Nebenwohnsitz, sodass von der Impflicht auch 24-Stunden-BetreuerInnen oder Wochenpendler erfasst wären.
Ich habe einen Nebenwohnsitz in Österreich: Muss ich mich impfen lassen, um weiter in mein Ferienhaus zu dürfen?
Siehe oben: das Gesetz möchte ausdrücklich nicht am Hauptwohnsitz anknüpfen, sondern bei jedem Wohnsitz, der in Österreich rein faktisch begründet wird. Darunter fallen daher beispielsweise auch obdachlose Menschen, die sich an einem bestimmten Ort regelmäßig aufhalten. Man geht hier klar von einem besonders "weiten" Wohnsitzbegriff aus, um möglichst viele Menschen zu erfassen.
Sind Impfpflicht-Kontrollen vorgesehen?
Selbstverständlich. Ein Gesetz, das verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte derart stark berührt, muss auch tauglich sein, um das festgelegte Ziel tatsächlich erreichen zu können. Allerdings wird die Kontrolle ausschließlich auf der Ebene Behörde/Einzelperson erfolgen. Ich gehe nicht davon aus, dass eine zusätzliche Kontrollpflicht – etwa für Arbeitgeber – in das neue Gesetz aufgenommen wird. Das wäre ursprünglich im Fall der Impflicht für Gesundheitsberufe angedacht gewesen, wurde aber letztlich zu Gunsten der "allgemeinen" Impfpflicht verworfen.
Muss ich Familienmitglieder/Freunde anzeigen, wenn ich Kenntnis erlange, dass sie ungeimpft sind?
Natürlich nicht. Auch, wenn man mit den zuständigen Behörden durchaus mitfühlt, welch Verwaltungsaufwand demnächst auf sie zukommt, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, den Vollzug des geplanten Gesetzes durch die öffentliche Hand sicherzustellen.
„Impfpflicht umgehen? "Ja, ich kann mich noch vor deren Inkrafttreten impfen lassen."“
Fliegen auch Personen auf, die sich von Elga abgemeldet haben?
Das Gesetz soll am zentralen Impfregister anknüpfen. Ein Austritt (opt-out) aus diesem Register ist – anders als bei ELGA – gar nicht möglich. Daher bringt eine nachträgliche Abmeldung von der elektronischen Gesundheitsakte nichts.
Kann ich die Impfpflicht umgehen?
Ja: ich kann mich noch vor deren Inkrafttreten impfen lassen. In allen anderen Fällen bleibt man auf den aller Voraussicht nach sehr dürftigen Ausnahmenkatalog angewiesen, der vor allem an medizinische Gründe anknüpfen wird. Von der Abmeldung des Wohnsitzes zur Umgehung des neuen Gesetzes kann ich abraten: abgesehen davon, dass die Impfpflicht nicht am Hauptwohnsitz anknüpfen wird, kann die Abmeldung eines Wohnsitzes, für den eigentlich eine Meldepflicht besteht, zu einer zusätzlichen Verwaltungsstrafe nach dem Meldegesetz führen.
Wie können Massen-Befreiungsatteste verhindert werden?
Es braucht hier definitiv eine dazwischengeschaltete Kontrollinstanz, die die Stichhaltigkeit allfälliger (vor allem privater) Befreiungsatteste überprüft. Das könnte etwa der chefärztliche Dienst der ÖGK oder der Amtsarzt vornehmen. Graubereiche werden letztlich vor den Verwaltungsgerichten zu klären sein, was eine allfällige Durchimpfung wohl etwas in die Länge ziehen könnte.
Droht eine Zwangs-Vorführung zur Impfung?
Nein, eine solche wäre klar verfassungswidrig. Auch das geplante Gesetz betont unmissverständlich, dass die Schutzimpfung nicht durch Ausübung unmittelbaren Zwanges durchgesetzt werden darf. Das wäre ohnedies der völlig falsche Weg.
„Brokes zu Strafen: "Je länger man die Impfung unterlässt, desto teurer wird es."“
Ab wann muss ich mit Strafen rechnen?
Der Gesetzesentwurf legt den 15.3.2022 als Stichtag fest. Gemeint ist natürlich nicht, dass an diesem Tag geimpft wird, sondern, dass ab diesem Tag – und in weiterer Folge alle 3 Monate – Strafbescheide ausgestellt werden, wenn man der Pflicht weiterhin nachgekommen ist.
Wie hoch sind die Strafen?
Pro versäumter Impfung gilt eine Höchststrafe von 3.600 Euro. Diese gibt es aber nicht sofort. Die Behörde wird vielmehr ab dem 15. März 2022 alle drei Monate eine Strafe von höchstens 600 Euro ausstellen. Je länger man die Impfung unterlässt, desto teurer wird es also.
Kann ich diese Strafen beeinspruchen?
Natürlich – es gilt der übliche Gang des Verwaltungsverfahrens, wie etwa bei Radarstrafen. Das Gesetz sieht zudem ausdrücklich vor, dass Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder allfällige Sorgepflichten (z.B. Alimente) zu berücksichtigen sind. Ich kann daher auch die Höhe der Strafe beeinspruchen, sollte sie zu hoch angesetzt worden sein.
„"Sprechen wir Mitte Jänner gerne nochmals – wir können doch nicht einmal sicher sein, wer zu diesem Zeitpunkt im Bundeskanzleramt sitzen wird, nicht wahr?"“
Wird durch die damit verbundene Verzögerung nicht der Sinn einer raschen Durchimpfung konterkariert? Ist die Impfpflicht somit von vornherein zum Scheitern verurteilt?
Ich denke, dass wir allein schon durch die Ankündigung der Impfpflicht einen enormen Anstieg der Durchimpfungsrate verzeichnen werden. Das bestätigt auch ein Blick in die Impfstraßen, die seit Wochen zu einem Drittel von Erstgeimpften aufgesucht werden. Das ist der eigentliche Erfolg der Impfpflicht und wurde politisch wohl auch so vorhergesehen – warum sollte das Gesetz denn sonst erst so spät in Kraft treten? Die angesprochene Verzögerung ist in einem funktionierenden Rechtsstaat mit Instanzenzug aber unumgänglich. Ich bin dennoch der Meinung, dass das nur Einzelfälle betreffen wird. Und: Ziel ist immer noch die Herdenimmunität, nicht eine 100-prozentige Durchimpfung.
„Fristlose Entlassung ohne Impfung? "Das halte ich für ausgeschlossen."“
Gilt die Impfpflicht auch am Arbeitsplatz?
Eine gesonderte Impfpflicht für Arbeitsorte kann dem Entwurf nicht entnommen werden. Die Impfpflicht gilt für Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arbeitslose und Pensionisten gleichermaßen. Die ursprünglich geplante Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen (im Gesundheits- und Pflegebereich) wurde immerhin verworfen. Dadurch wird die Impfpflicht aller Voraussicht nach nicht zu einer gesetzlichen Beschäftigungsvoraussetzung mutieren, wenngleich ich stark davon ausgehe, dass das Kriterium "Impfung" auf zwischenmenschlicher Ebene noch stärker als jetzt bei der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses zum Thema werden wird. Immerhin wollen auch die Beschäftigten selbst an sicheren Arbeitsorten tätig sein und dürfen dies auch klar von ihrem Arbeitgeber einfordern (Stichwort: Fürsorgepflicht).
Muss ich damit rechnen, dass ich fristlos entlassen werde, wenn ich mich nicht impfen lasse und somit ein Gesetz breche?
Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Solange die Impfpflicht nicht an eine bestimmten Berufsgruppe anknüpft und die Berufsausübung von der Erfüllung der Impfpflicht abhängig macht, wird im Regelfall kein Entlassungsgrund vorliegen. Bei Kündigungen sieht das schon anders aus – immerhin haben wir im europäischen Vergleich ein besonders liberal ausgeprägtes Kündigungsrecht.
Kann es im Wiederholungsfall auch zu einer Anklage kommen? Droht Impf-Rebellen eine Vorstrafe?
Nicht auf Grund des geplanten Impfpflicht-Gesetzes. Allerdings ist nicht nur die vorsätzliche, sondern auch schon die fahrlässige Gefährdung von Menschen durch meldepflichtige, übertragbare Krankheiten seit jeher strafbar. Das wird in den vergangenen Monaten durchaus übersehen, ist allerdings auch Ergebnis einer durchaus defensiven Haltung der Exekutivorgane bei der Ahndung derartiger Verstöße.
Wie wahrscheinlich ist es, dass dieses Gesetz tatsächlich in Kraft treten kann?
Rein verfassungsrechtlich kann ein solches Gesetz nur in Kraft treten, wenn damit auch ein legitimes Ziel verfolgt wird. Als Ziel wird im Entwurf – anders als bisher – kein fixer Prozentsatz genannt, sondern nur "eine möglichst hohe Durchimpfungsrate". ExpertInnen betonen, dass damit eine Durchimpfung von 85-90 Prozent der Gesamtbevölkerung gemeint sein muss. Diese könnten wir bis Ende Jänner aber durchaus erreichen, wenn die Impfstraßen weiterhin so gut besucht bleiben. Dann wäre das primäre Ziel eigentlich erreicht. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass eine bestimmte Impfquote nicht nur erreicht, sondern auch (mit Auffrischungen) aufrecht erhalten werden muss. Das wiederum spricht eher dafür, dass das Gesetz am 1.2.2022 in Kraft treten müsste. Sprechen wir Mitte Jänner gerne nochmals – wir können doch nicht einmal sicher sein, wer zu diesem Zeitpunkt im Bundeskanzleramt sitzen wird, nicht wahr?