Österreich

Kranker Wiener muss arbeiten, um krank sein zu dürfen

Seit einigen Monaten beschäftigt sich Arbeiterkammer vermehrt mit Fällen, in denen die ÖGK nach der Höchstdauer kein neues Krankengeld bewilligte.

Christine Ziechert
Harald F. (58) erhält kein Krankengeld, er müsste arbeitsfähig sein oder 13 Wochen arbeiten gehen.
Harald F. (58) erhält kein Krankengeld, er müsste arbeitsfähig sein oder 13 Wochen arbeiten gehen.
Bild: Denise Auer

Seit 11. November 2022 ist Harald F. (58) beim AMS arbeitslos gemeldet. Wer Arbeitslosengeld bezieht, muss als Voraussetzung grundsätzlich arbeitsfähig und -willig sein. Zusätzlich bezog der Wiener auch Krankengeld – hier beträgt die Höchstdauer 52 Wochen, also ein Jahr. Wer diese Höchstdauer überschritten hat, kann erneut Krankengeld beantragen, muss aber arbeitsfähig sein oder davor mindestens 13 Wochen gearbeitet haben.

Und dies ist wiederum ein Problem für viele, etwa für chronisch Kranke oder Menschen mit langwierigen psychischen Diagnosen wie Harald F. Dem Wiener wurde 2017 die Berufsunfähigkeitspension bewilligt. Im Mai 2019 wurde diese von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) entzogen, im Dezember 2019 erneut zugesprochen. Mit Oktober 2021 wurde die Pensionszahlung gänzlich eingestellt. Harald F. klagte dagegen, das Verfahren ist nach wie vor anhängig.

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    Kein Anspruch auf Krankengeld

    Der Wiener, der unter Depressionen leidet, beantragte auch Krankengeld. Doch im heurigen März war die Höchstdauer mit 52 Wochen ausgeschöpft: "Bei Ausstellung einer neuerlichen Krankmeldung wurde mir mitgeteilt, dass kein Anspruch auf Krankmeldung und Krankengeld besteht", berichtet der Wiener. 

    Für einen Neuantrag müsste der 58-Jährige als arbeitsfähig eingestuft werden oder mindestens 13 Wochen arbeiten gehen. Nur beim AMS arbeitslos gemeldet zu sein und damit als arbeitsfähig zu gelten, reicht der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) nicht (mehr).

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      Sabine Hertel
      "Damit ein neuer Anspruch auf Krankengeld besteht, ist ein neuerlicher Versicherungsfall Voraussetzung. Das bedeutet auch, dass die Person in der Zwischenzeit arbeitsfähig war. Diese Arbeitsfähigkeit wird individuell und vom konkreten Einzelfall abhängig beurteilt" - ÖGK

      "Damit ein neuer Anspruch auf Krankengeld besteht – nachdem die Höchstdauer bereits erreicht wurde – ist ein neuerlicher Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit Voraussetzung. Das bedeutet auch, dass die Person in der Zwischenzeit arbeitsfähig war. Diese Arbeitsfähigkeit wird individuell und vom konkreten Einzelfall abhängig beurteilt. Allerdings gibt es hier Unterschiede zwischen den Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetz und den pensions- und krankenversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Ein AMS-Bezug für sich alleine begründet aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Begriffsdefinitionen nicht zwingend die Arbeitsfähigkeit nach den krankenversicherungsrechtlichen Bestimmungen", heißt es dazu seitens der ÖGK, die sich auf Paragraf 139, Abs. 4, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) beruft.

      Im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ist der Bezug des Krankgengeldes geregelt.
      Im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ist der Bezug des Krankgengeldes geregelt.
      zVg

      Seit Anfang des Jahres werden Fälle wie jener von Harald F. verstärkt durch ÖGK-Ärzte kontrolliert. Dem 58-Jährigen wurde bei einer solchen Untersuchung im heurigen April keine Arbeitsfähigkeit bescheinigt – somit kann er kein Krankengeld beziehen. Ein (finanzielles) Problem für den 58-Jährigen: "Aufgrund meiner aktuellen Situation kann ich einen Folge-Aufenthalt im Therapiezentrum Ybbs nur antreten, wenn die ÖGK die vollen Kosten übernimmt und mir für die Zeit des Aufenthaltes auch Krankengeld bestätigt. Bis dato ist aber noch unklar, ob mir das gewährt wird", meint Harald F.

      Arbeiterkammer überlegt derzeit Klage gegen ÖGK

      Der Wiener wandte sich auch an die Arbeiterkammer, die derzeit "einige dutzend Fälle dieser Art" bearbeitet: "In den letzten Monaten haben wir verstärkt Anfragen zur neuerlichen Gewährung des Krankengeldes nach Bezug der Höchstdauer. Der Arbeitslosengeld-Bezug reicht nicht mehr, die ÖGK prüft nun die Arbeitsfähigkeit selbst. Viele Betroffene hängen daher in der Luft", erklärt Monika Weißensteiner, stellvertretende Leiterin der Abteilung Sozialversicherung der Arbeiterkammer Wien.

      Generell gäbe es derzeit vermehrt Probleme mit Krankenständen. Die Fälle seien sehr unterschiedlich, etwa, wenn ein Versicherter zuerst eine bestimmte Krankheit hatte und danach wegen einer anderen in den Krankenstand gehen möchte, so Weißensteiner: "Das Thema der neuerlichen Krankengeld-Beantragung nach Höchstdauer-Bezug ist rechtlich sehr komplex, wir prüfen das derzeit genau. In einem Fall überlegen wir zudem auch eine Klage."