Österreich
Krankenpflegerin: "Ich wurde von einer Ärztin verletzt"
Anna L. (40) ist schwer an Long Covid erkrankt, sie ist auf Pflege angewiesen. Nun wurde sie bei einer Untersuchung für den Behindertenpass verletzt.
In der Pandemie arbeitete Krankenpflegerin Anna L. (Name geändert) unermüdlich. Sie war in mehreren Wiener Spitälern im Einsatz und erkrankte selbst zweimal an Corona. Ihre zweite Infektion stellte ihr Leben jedoch vollkommen auf den Kopf. Am 10. Februar 2022 erlebte die Wienerin einen "Crash. Seither geht’s mir richtig schlecht", erzählt sie im "Heute"-Gespräch. Sie liegt daheim in ihrer Wiener Wohnung in einem abgedunkelten Zimmer, das sie nicht verlassen kann. Sie muss trotzdem Sonnenbrille tragen, weil sie so lichtempfindlich geworden ist. Die 40-Jährige kann inzwischen kaum mehr selbst gehen. Sie ist auf die Hilfe ihres Ehemanns angewiesen, um ihren Alltag, der sich hauptsächlich liegend abspielt, zu meistern.
Schmerzmittel wirken nicht
Die Diagnose ME/CFS, also "Chronic Fatigue Syndrom", hat die vormals extrem sportliche und hart arbeitende Wienerin eiskalt erwischt. "Es ist, als ob der Körper mit tausenden Kilos beschwert wäre, gegen die man ankämpfen muss. Das kann sich keiner vorstellen." Anna L. beschreibt es so: "Stell dir den schlimmsten Kater deines Lebens vor – Kopfschmerzen, verschwommen sehen, Übelkeit, sich fiebrig fühlen – das ist bei mir seither permanent."
Hinzu kommen mehrere Vorerkrankungen, die durch Long Covid richtig ausgelöst wurden. Neurochirurgische Probleme führten bei Anna L. zu einer Operation an der Wirbelsäule und unfassbaren Schmerzen. Wegen eines angeborenen Gendefekts "wirken handelsübliche Schmerzmittel bis hin zu Opiaten bei mir nicht." Sie hat außerdem eine Magenlähmung, kann keine feste Nahrung zu sich nehmen. Für Therapien ist die 40-Jährige derzeit zu schwach. "Mein Nervensystem ist total überlastet."
Ärztin war zu grob
Nun bemühte sich die 40-Jährige, die derzeit keine Verbesserung ihrer Situation in Sicht hat, um einen Behindertenpass. Im April hatte sie einen Begutachtungs-Termin beim Sozialministerium, bei dem alles schief lief. Sie fühlte sich vorher extrem schwach, wollte aber nicht absagen. "Ich musste die Sonnenbrille abnehmen, weil mir die Ärztin die Reizüberflutung nicht abnahm. Ich sollte gehen, bin aber nach zwei Schritten in den Rollstuhl gesackt. Sie beschrieb das als 'sicheres Gangbild'." Dann fasste die Medizinerin sie zu grob an den Hüften an. "Sie hätte wissen müssen, wie sie meine Beine halten muss. Ich wurde von der Ärztin verletzt", klagt Anna L. Sie entwickelte nach der Untersuchung Knochenmarködeme an beiden Hüften, an denen sie schon seit Jahren Prothesen trägt.
Auf "Heute"-Anfrage heißt es aus dem Sozialministerium dazu sehr allgemein: "Die Einschätzungen geltend gemachter Leiden erfolgen grundsätzlich funktionsbezogen und Long Covid, bzw. ME/CFS, bietet ein breites Symptomenspektrum. Diesbezügliche Einschätzungen werden daher anhand der jeweiligen, individuell vorliegenden Symptomen anhand der in diesem Zusammenhang feststellbaren Funktionsdefizite vorgenommen." Vereinfacht gesagt: Die Erkrankung ist so neu, das sie noch nicht ausreichend erforscht wurde und Ärzte darauf oft nicht ausreichend reagieren können.
Anna L. wurde nach der schlimmen Untersuchung nur eine 30-prozentige Behinderung attestiert – "bei grundsätzlichem Verständnis für die Situation". Weiter heißt es: "Frau L. steht grundsätzlich die Möglichkeit offen, eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, dass als unabhängiges und weisungsfreies Gericht über die Ausstellung eines Behindertenpasses neuerlich entscheidet." Alleine, dafür fehlt der Wienerin die Kraft.