Österreich
Viele Eltern können sich Nachhilfe nicht mehr leisten
Nicht nur Lebensmittel und Energie werden teurer: Im Durchschnitt geben Eltern für Nachhilfe 630 Euro aus – ein Fünftel mehr als vor der Pandemie.
Mehr als ein Viertel (27 %) der Kinder und Jugendlichen hat im laufenden Schuljahr bzw. in den letzten Sommerferien Nachhilfe genommen. Das ergab nun eine Erhebung der Arbeiterkammer (AK), die im heurigen Frühjahr durchgeführt wurde. Für das Nachhilfe-Barometer wurden rund 3.400 Eltern von rund 5.100 Schulkindern befragt.
16 % der Schüler nutzten hierfür bezahlte Angebote, im Durchschnitt gaben die Eltern dafür 630 Euro aus – um ein Fünftel mehr als vor Beginn der Pandemie, berichtet der ORF. Das sei für Familien mit geringen Einkommen eine enorme Belastung, und gerade diese würden durch die aktuelle Teuerung besonders stark getroffen, warnt AK-Bildungsexpertin Elke Larcher.
Jeder 6. Volksschüler bekommt Nachhilfe
In Familien mit einem Haushaltseinkommen unter 2.000 Euro waren die Ausgaben für Nachhilfe für 60 Prozent eine starke bzw. spürbare Belastung, bei Einkommen von über 3.000 Euro noch für ein Drittel. 20 % – acht Prozent mehr als vor der Pandemie – gaben zudem an, sie hätten mehr bezahlte Nachhilfe benötigt, konnten es sich aber nicht leisten.
Erschreckend: Bereits 16 % der Volksschüler nehmen Nachhilfe. 2017 – vor Wiedereinführung der verpflichtenden Ziffernnoten in den Volksschulen – waren es nur 6 %. Der Grund dafür liegt laut Larcher darin, dass es vor allem darum gehe, möglichst gute Noten zu erreichen, um den Platz am Wunschgymnasium zu bekommen. Generell ist bei allen Nachhilfe-Schülern das Ziel, gute Ergebnisse bei Prüfungen zu erreichen. Nur noch bei einem Fünftel geht es um das Verhindern bzw. Ausbessern einer negativen Note, so der ORF.
„"Die Frauen werden zwischen Berufstätigkeit und Schulerfolg ihrer Kinder aufgerieben" - AK-Präsidentin Renate Anderl“
Die Erhebung zeigte zudem, dass die Mithilfe der Eltern im österreichischen Schulsystem noch immer stark vorausgesetzt wird: Drei Viertel beaufsichtigen ihre Kinder zumindest hin und wieder bei den Aufgaben, bei einem Viertel der Schüler helfen die Eltern sogar täglich mit. Grundsätzlich gilt: Je jünger das Kind, umso höher der Aufwand.
In zwei von drei Fällen übernimmt dabei die Mutter die Betreuung – trotz Vollzeitjob: "Die Frauen werden zwischen Berufstätigkeit und Schulerfolg ihrer Kinder aufgerieben", beklagt AK-Präsidentin Renate Anderl. Die vorausgesetzte Mithilfe der Familie sorgt für Druck und Stress: Vier von fünf Eltern fühlen sich laut der Erhebung spürbar zeitlich belastet, vier von zehn sind fachlich mehr oder weniger überfordert.
Forderung nach Ausbau der Ganztagsschulen
Familien stünden unter einem enormen Druck, die Defizite des österreichischen Schulsystems auszugleichen, kritisiert Anderl und ortet "Lerndruck und Stress schon bei den Jüngsten". Eigentlich sei es Aufgabe der Schule, jedes Kind ausreichend zu fördern und zu unterstützen. "Das kann die Politik nicht einfach an die Familien auslagern."
Deutlich weniger Bedarf an bezahlter Nachhilfe haben Kinder und Jugendliche an Schulen mit ausreichend Förderangeboten (10 %) bzw. an verschränkten Ganztagsschulen, in denen sich Unterricht, Lern- und Freizeit über den Tag abwechseln (9 %). Die AK fordert daher einen deutlichen Ausbau der Ganztagsschulen. Diese würden für die Kinder die Lernchancen und für Frauen die Vereinbarkeit mit dem Beruf verbessern.