Am Montag zündeten zwei Männer auf dem Platz vor dem schwedischen Parlament den Koran an, nachdem sie darauf herumgetrampelt waren. Es war die dritte Aktion dieser Art innerhalb weniger Wochen in Schweden. Ende Juni wurde vor einer Moschee ein Koran angezündet, vor zehn Tagen trampelte vor der irakischen Botschaft ein Mann auf dem Koran herum.
Im Irak gehen die Wogen hoch, auch aus dem Iran und der Türkei kommt Kritik. Es drohen politische Folgen, etwa mit Blick auf den geplanten Nato-Beitritt Schwedens. Die Türkei hat sich zunächst quergestellt und droht, ihre Zustimmung zu widerrufen. Der Irak hat die diplomatischen Beziehungen zu Schweden ausgesetzt. Der schwedische Botschafter wurde aus dem Irak gewiesen und der irakische Vertreter aus Schweden zurückberufen.
Eigentlich ist es vor allem ein Mann: Der irakische Flüchtling Salwan Momika ist Drahtzieher dieser Aktionen. Der 37-Jährige beantragte 2018 in Schweden Asyl und bekam eine Aufenthaltsbewilligung. Laut France24 kommt der Christ aus dem Nordosten des Iraks, wo er 2014 eine Partei mit Miliz gegründet haben soll, um den IS zu bekämpfen. Wegen eines Machtkampfs mit dem Anführer einer anderen christlichen Miliz habe Momika den Irak verlassen.
Im Irak sei Momika unter anderem des Betrugs bezichtigt worden, und auch mit den schwedischen Behörden kam er in Konflikt, weil er jemanden mit einem Messer bedroht hatte. Momika sagt, er sei 2022 den rechtspopulistischen Schwedendemokraten beigetreten und würde gern für sie politisieren.
Verboten ist die Zerstörung religiöser Schriften in Schweden nicht. Doch Aufwiegelung und das Schüren von Hass gegen andere wegen Religion, Rasse oder sexueller Orientierung sind strafbar. Deshalb wurde Salwan Momika Ende Juni von der Polizei angezeigt. Die Regierung stellt sich auf den Standpunkt, dass sie für die Genehmigung von Versammlungen zuständig ist, aber nicht für deren Inhalt. Das trägt ihr Kritik von links ein.
"Die Drahtzieher haben mit minimalem Aufwand eine große Bühne", sagt SRF-Korrespondent Bruno Kaufmann. Zudem würden sie aus sehr individuellen Gründen unterstützt: von politischen Flüchtlingen und Antiislam-Aktivisten, Feministinnen, Rechtspopulisten. Es sei auch zu vermuten, dass die Aktionen gefördert würden von jenen, die einen Nato-Beitritt Schwedens verhindern wollten. Ein weiterer Punkt sei die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, die in Dänemark und Schweden eine lange Tradition und hohen Stellenwert hätten. So stürzten Mohammed-Karikaturen Dänemark 2005 in eine außenpolitische Krise.
"Schweden ist auf vielen Ebenen nicht mehr die Insel von Freiheit und Wohlstand, als die man sich immer gesehen hat", sagt Bruno Kaufmann. Das Sicherheitsproblem sei in den letzten Jahren unvermittelt in den Fokus gerückt. "Ein Problem ist sicher, dass Schweden idealisiert wurde, dass man sich nach 200 Jahren als neutraler Staat unverwundbar wähnte und jetzt die Erfahrung macht, dass man zu einem sozialen Brennpunkt werden kann."
Der schwedische Geheimdienst befürchtet terroristische Reaktionen. Der schwedische Premierminister Ulf Kristersson spricht von der schwierigsten Sicherheitslage seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Koranverbrennungen seien ein Sicherheitsrisiko für Schweden, die Regierung werde die rechtliche Situation prüfen und Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit in Betracht ziehen.