Politik

Nehammer lehnt Kickl im ORF völlig ab und geht "All-In"

Ein starker Karl Nehammer katapultiert sich mit seinem ORF-Auftritt ins Kanzler-Duell mit Herbert Kickl. Die "Heute"-Analyse des finalen Sommertalks.

Clemens Oistric
Ein "Heute"-Kommentar von Clemens Oistric
Ein "Heute"-Kommentar von Clemens Oistric
Sabine Hertel

Betont staatsmännischer Auftritt von Kanzler Karl Nehammer Montagabend im ORF-Sommergespräch. Als einziger der (männlichen) Parteichefs trug er einen kompletten Anzug, sogar mit rot-weiß-roter Fahne am Revers. Die optische Botschaft war bewusst gesetzt: Nehammer will sich als (besonnener) Regierungschef – getragen von der Mitte der Bevölkerung – den Mitbewerbern links und rechts entgegenstellen. 

Keine Verbotspartei

Überhaupt tritt er seit seinem Sommerurlaub merklich verändert in der Öffentlichkeit auf; richtete auch in der Sondersitzung des Nationalrats in der Vorwoche sehr deutliche Worte an die Opposition. Ebenso kantig legte er es bei Susanne Schnabl im finalen Talk im "Verhörzimmer" des Parlaments an. Beim Klimawandel will er "Arbeitsplätze und Wohlstand nicht gefährden" – eine Spitze Richtung Grüne. Außerdem sei "Klima global, nicht national."

Klimaschutzgesetz? Wohl mit der ÖVP kein Thema mehr in dieser Periode. Nehammer wolle "Deindustrialisierung vermeiden"; der Kanzler bekrittelte, dass "das Thema Verbote sehr stark diskutiert werde". Dass die ÖVP nicht zur Verbotspartei werden möchte, unterlegte er mit einem guten Beispiel: "Die Dampfmaschine ist nicht verboten worden, sie ist durch etwas Besseres ersetzt worden. Das ist mein Ziel."

Blasse Minister-Riege

Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei der ÖVP weit auseinander. Nehammer gab sich im Sommer für eine peinliche Schnitzel-, Bargeld und Normal-Kampagne her. Er regiert weiter mit den Grünen, deren abstruse Ideen der überwältigenden Mehrheit der Österreicher selbst im Altweibersommer einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Im türkis-schwarzen Regierungsteam ist er – mit wenigen Ausnahmen – alleine auf weiter Flur und muss jetzt die Kinderbetreuungsoffensive mit Susanne Raab stemmen. Keine leichte Aufgabe angesichts ihrer politischen Bilanz. Auch, was der Bildungsminister (Befähigung: Er ist Steirer) zum Schulbeginn von sich gegeben hat, lässt Zweifel daran aufkommen, dass die ÖVP noch Partei der Bildungsbürger ist.

Nun denn. Es kam, wie es kommen musste. Am Ende des ORF-Talks ging der Kanzler dann "All-In": Es werde mit ihm keine Regierung mit Herbert Kickl geben – auch nicht als Minister, stellte er klar. Eine mutige Ansage, immerhin liegt die FPÖ mit ihrem Obmann in Umfragen konstant bei 30 Prozent und in Front. Nehammer ist damit aber zumindest eines gelungen: Während sich die SPÖ ihren Träumen und Halbwaisen-Bashing hingibt, ist er im Kanzler-Duell angekommen.

Das Match 2024 wird Nehammer gegen Kickl heißen. Und Nehammer hofft darauf, als erfahrener, mittiger und mitfühlender Kanzler gegen den unberechenbaren Blauen reüssieren zu können.

Schenkt man den Umfragen Glauben, ist das ein hehres Ziel. Aber auch Nehammers einzige Chance, schließlich weiß er: Verliert er das Kanzleramt, ist er politische Geschichte. Und wie konsequent die ÖVP in ihrer Ablehnung der FPÖ ist, kann man in Niederösterreich und Salzburg beobachten. Zu hoffen bleibt lediglich, dass uns jetzt nicht 12 Monate (!) Brutal-Wahlkampf bevorstehen. Fakt bleibt: Nicht einmal ein Drittel (!) der Österreicher stehen noch hinter Türkis-Grün ...

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    Karl Nehammer war am Montag zu Gast im ORF-Sommergespräch bei Susanne Schnabl.
    Karl Nehammer war am Montag zu Gast im ORF-Sommergespräch bei Susanne Schnabl.
    Sabine Hertel