"Lulu" in den Kammerspielen:
"Können wir Frauen noch so darstellen?"
Die Kammerspiele des Theater in der Josefstadt führt Frank Wedekinds Skandal-Stück "Lulu" vor allem deshalb auf, um es gleich hinterfragen zu können.
Die Wiener Kammerspiele und somit das Theater in der Josefstadt haben einen neuen Star. Die erst 24-jährige Johanna Mahaffy feierte am Samstag Premiere als "Lulu" in Frank Wedekinds gleichnamigen Stück von 1895. Die Geschichte um Aufstieg und Falle eines Straßenmädchens war auch Vorlage für eine Oper von Alban Berg und sogar eines Konzeptalbums von Metallica. Für Johanna Mahaffy ist es die erste Hauptrolle überhaupt und das bei keiner einfachen Inszenierung. Denn für Regisseur Elmar Goerden ist die Diskussion rund um das Stück genauso wichtig wie der Inhalt selbst.
"Lulu": Vom Waisenkind zur Mörderin zur Prostituierten zum Mordopfer
"Lulu" erzählt von einem Straßenmädchen, das vom reichen Dr. Schön aus dem Waisenhaus geholt wird, der nicht nur ihr Mentor, sondern auch ihr Geliebter wird. Trotzdem verheiratet Schön Lulu nacheinander an zwei andere Männer, die beide an Lulus Lebensstil - inklusive vieler Affären - scheitern und die Ehen auch mit ihrem Leben bezahlen. Auch Schön selbst wird von Lulu erschossen, sie selbst endet als Prostituierte, ermordet von Jack The Ripper. Doch diese Version von "Lulu" in den Kammerspielen will mit der literarischen Vorlage brechen.
Diese Inszenierung will gleichzeitig überzeugen und sich selbst in Frage stellen
In der Originalversion des Stücks ist Lulu eine Femme Fatale, eine Verführerin, eine Mörderin, getrieben von Lust und Gier. Das Frauenbild entspricht dem des vorvorigen Jahrhunderts. "In unserem Stück gibt es diese kommentierte Ebene, also eine dem Original kritisch gegenüberstehende Ebene mit Haltung", erklärt Hauptdarstellerin Mahaffy, "es war uns wichtig, das Original zu überprüfen und es zu hinterfragen. Im Sinne von: "Ist das noch akkurat? Können wir diese Frauen immer noch so darstellen?" Die Darsteller betonen mehrfach im Stück, wie frauenfeindlich manche Passagen auch auf sie selbst wirken.
„Ich glaube nicht, dass wir die Klassiker unserer Theaterliteratur komplett vermeiden sollten“
Eine Frage könnte man sich aber gleich zu Beginn stellen: Wenn ein Stück so viele frauenfeindliche, sexistische und altmodische Passagen enthält wie "Lulu", warum bringt man es dann überhaupt zur Aufführung? "Ich glaube nicht, dass wir die Klassiker unserer Theaterliteratur komplett vermeiden sollten", findet die Hauptdarstellerin, "sondern uns damit beschäftigen. Ich glaube, dass man auch durch dieses Vorzeigen sehen kann, was sich heute verändert hat."
Frank Wedekind schrieb über 20 Jahre an den beiden Dramen "Erdgeist" und "Die Büchse der Pandora", die die Vorlage zum Bühnenstück "Lulu" waren. Dem Autor ging es darum, der Gesellschaft einen Spiegel vor das Gesicht zu halten. Sein Werk kann also als gesellschaftskritisch gesehen werden und das will die neue Inszenierung auch sein.
Johanna Mahaffy trägt das Stück, streut aber ihren Kollegen Rosen
Mahaffy ist in der Inszenierung ein Wirbelwind, der fast die gesamten zwei Stunden auf der Bühne zu sehen ist. Sie trägt das Stück. "Es ist kein Druck, würde ich sagen, sondern eine Herausforderung im Spiel und ich glaube, dass es eine Ensemble-Arbeit ist. Denn ohne meine Partnerinnen würde gar nichts funktionieren!" Um Mahaffys Leistung wirklich schätzen zu können, hilft es das Stück schon ein wenig zu kennen. Die nächsten Aufführungen von "Lulu" gibt es am Freitag, Samstag und Sonntag in den Kammerspielen der Josefstadt zu sehen.