"Einige haben Angst"
Knauß: "Strukturen im ÖSV wie vor 40 Jahren"
Hans Knauß ist der Lieblingsexperte vieler Skifans in Österreich. Im "Heute"-Interview spricht er über die ÖSV-Krise und den Rücktritt seiner Tochter.
"Ich hoffe, die Ski-WM wird nicht zum Raunzen", sagt Hans Knauß kurz vor dem "Heute"-Interview. Der 53-jährige Ex-Skistar nippt an seinem Espresso unweit des Wiener Donaukanals.
Der Raunz-Spruch ist eine bewusste Anspielung auf seinen Sponsor "Zgonc", der bei der Ski-WM in Saalbach - so wie schon 2023 in Courchevel - Hauptsponsor sein wird. Knauß wird bei der WM auch ORF-Experte sein. Es kommen stressige Wochen auf den Gewinner von sieben Weltcuprennen zu.
"Heute": Sind Sie aktuell neidisch auf die Skisprung-Experten Andi Goldberger und Gregor Schlierenzauer?
Hans Knauss: "Ja, mich frisst der Neid. (lacht) Ich habe mir die Tournee daheim angeschaut. Es ist ein Traum, wenn die eigenen Athleten so performen wie unsere Skispringer."
Anders unsere Ski-Herren. Einen Monat vor der Heim-WM in Saalbach ist Österreich noch sieglos. Was hilft jetzt?
"Jammern hilft nicht. Skifahren ist oft wie eine Religion in Österreich. Wir haben einige, die andrücken. Bei anderen frage ich mich: Warum lebt ihr nicht auf und genießt den Rennsport? Es sind einige bei uns dabei, die Angst vor dem Verlieren haben. Dabei können wir jetzt nur noch gewinnen und überraschen. Wir sind in Saalbach die Jäger."
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Früher waren wir die Gejagten.
"Stimmt. Wir haben uns im Training bei den Zeitläufen nieder geprügelt. Zu meiner Zeit bist du ohne Sieg nicht zur WM gefahren. Diesen Druck kannst du nicht künstlich erzeugen. Der Kriechmayr ist ein Vollblut-Athlet. Aber auch ihm würde es helfen, wenn ihm ein Teamkollege im Training grauslich hinsteigt. An der Spitze fehlt uns diese Reibung. Darum haust du dich schneller den Berg runter. Es ist zu wenig Konkurrenz da, dass ich von meinem Futtertrog verdrängt werde."
„Meine Anregung ist, dass Skifahren in Österreich wieder zum Teamsport wird“
In der Schweiz passiert gerade das, oder?
"Genau. Die Schweizer Speedfahrer und die norwegischen Techniker treiben sich gegenseitig vor sich her. Meine Anregung ist, dass Skifahren in Österreich wieder zum Teamsport wird. Einzelprojekte liegen bei uns schon länger im Trend. Das ist okay, die mag es geben. Eltern von jungen Talenten sollen aber nicht glauben, dass es nur so geht. Die Schweizer zeigen es vor. Noch besser wirst du im Team, wenn du es richtig machst."
Wer macht Hoffnung für die Heim-WM?
"Conny Hütter. Sie muss ein Vorbild für alle ÖSV-Läuferinnen sein. Eine wilde Henne, die Vollgas fährt. Stefan Brennsteiner ist mein Geheimtipp auf Gold im Riesenslalom. Er machte bis jetzt immer Fehler und war trotzdem schnell. Er hat den Speed für das WM-Wunder. Auch der Manuel Feller kann jederzeit gewinnen. Ich glaube, es wäre gut, wenn der Befreiungsschlag noch vor der WM gelingt. Das würde Druck von Kriechmayr und Co. nehmen. Dem Vincent traue ich am Zwölferkogel auch viel zu."
„Gold nicht, aber Vonn fährt um die Medaillen mit“
Warum?
"Die Strecke ist relativ unbekannt, der Vinc kennt sie aber gut vom Training. Am Sonntag haben sie dort trainiert. Es ging voll zur Sache – Bormio mal zwei. Das weiß ich von meinem Bruder, der Servicemann ist. Ich habe die WM-Abfahrt über das ORF-Kamerafahren kennengelernt. Sie ist total geil. Es ist alles drin, was du brauchst: Wellen, Übergänge, einen schnellen Ski zum Gleiten. Vor allem der obere Streckenteil ist extrem steil, schwierig – da brauchst du viel Mut. Das wird eine Challenge auf höchstem Niveau. Ein Fall für Vinc."
Was trauen Sie Lindsey Vonn so kurz nach ihrem Comeback zu? Sogar Gold?
"Gold nicht, dafür ist die Zeit zu knapp, aber sie fährt um die Medaillen mit. Lindsey zieht ihr Ding durch. Die Amerikaner sind da freier im Kopf als wir. Technisch sehe ich bei ihr Verbesserungen zu früher, wo sie oft beim Schwung reinkippte und stürzte. Nächstes Jahr ist Olympia, da wird Vonn sehr laut werden."
„Das ist der Knackpunkt, wo der ÖSV umdenken muss“
Apropos Verbesserungen: Welche benötigt der Skisport in Österreich konkret?
"Die Strukturen sind wie bei mir vor 40 Jahren. Die reichten für mich aus, an die Weltspitze zu kommen. Wir sind aber stehen geblieben. Der Haken: Heute ist der Landeskader für Normalsterbliche fast nicht mehr leistbar. Und zahlen tun alles die Eltern. Das ist der Knackpunkt, wo der ÖSV umdenken muss. Ich wünsche mir für die Zeit nach der WM den Mut, dass wir die Strukturen verändern."
Schauen wir nach vorne: Kommt Hirscher zurück?
"Ich habe das Gefühl, dass seine zweite Karriere nicht vorbei ist. Die Slaloms, in denen er sich nicht für den zweiten Lauf qualifizierte, zeigten, wie zach der Skisport ist. Es wird auf höchstem Niveau gefahren. Hirscher ist topfit und im besten Alter. Ich hoffe nicht, dass es vorbei ist."
„Ich habe meiner Tochter beim Leiden zugesehen, das tat weh“
Für ihre Tochter ist es vorbei. Sie beendete mit 19 Jahren ihre Ski-Karriere. Weil sie den Druck und Frust nicht mehr ausgehalten hat, wie sie selbst sagte.
"Sie hatte einen schweren Sturz und zwei Jahre permanente Kreuzschmerzen. Für mich war der Rücktritt dann eine Erleichterung. Ich habe meinem Kind beim Leiden zugesehen, das hat weh getan. Und ich wusste, was noch alles kommt, wenn sie ganz nach oben will. Der Aufwand ist viel größer als früher. Nella hat aber beim Skifahren gelernt, ein Ziel zu verfolgen. Das ist wichtig."
Auf den Punkt gebracht
- Hans Knauß äußert sich im Interview optimistisch zur bevorstehenden Ski-WM in Saalbach und betont die Notwendigkeit, dass Skifahren in Österreich wieder mehr zum Teamsport wird.
- Er hebt Conny Hütter und Stefan Brennsteiner als Hoffnungsträger hervor und spricht über die Herausforderungen und Chancen der österreichischen Skifahrer sowie die strukturellen Verbesserungen, die der Skisport in Österreich benötigt.